Volksinitiative gegen Werbetafeln: Verfassungsgericht gibt grünes Licht

Die Volksinitiative „Hamburg werbefrei“ will Reklametafeln per Gesetz reduzieren. Vor Gericht bekam sie recht. Eine Schlappe für den rot-grünen Senat.

Ein Auto fährt an einer digitalen Werbetafel, auf der eine Anzeige der Energiespar-Kampagne des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz zu sehen ist.

Will die Initiative „Hamburg Werbefrei“ nicht mehr sehen: Digitale Reklametafeln, hier mit Werbung für eine Energiespar-Kampagne Foto: Marcus Brandt/dpa

Hamburg | taz | Das Volksbegehren „Hamburg Werbefrei“ darf durchgeführt werden. Mit diesem Urteil des Hamburgischen Verfassungsgerichts vom Freitag ist die Initiative ihrem Ziel, Reklametafeln in der Stadt per Gesetz deutlich zu reduzieren, einen Schritt näher gekommen. Insbesondere problematisiert sie die wachsende Anzahl energieintensiver digitaler Werbeflächen, weil die sich negativ auf den öffentlichen Raum auswirkten.

Dem Urteil zufolge ist das Volksbegehren grundsätzlich mit höherrangigem Recht vereinbar und inhaltlich nachvollziehbar. „Der Gesetzesentwurf führt einen Ausgleich zwischen den grundrechtlich geschützten Informationsinteressen der Bevölkerung und dem Ziel der Reduzierung von Werbeanlagen und ihrer Dominanz im öffentlichen Raum herbei“, entschied das Landesverfassungsgericht.

Erik Flick, Vertrauensperson der Volksinitiative „Hamburg Werbefrei“, bewertete das Urteil als schwere Schlappe für den rot-grünen Senat. „Die Werbeindustrie und der Senat sind mit ihren Argumenten nicht durchgekommen. Das ist das Beste, was unserer Stadt passieren kann“, so Flick. „Nun liegt die Entscheidung, wie unsere Stadt in Zukunft aussehen soll, in der Hand der Bürger:innen. Das ist auch ein Sieg für die Demokratie.“

Senat folgte der Volksinitiative nicht

Die Initiative „Hamburg werbefrei“ hatte bereits 2022 mehr als 15.000 Unterschriften für ihr Anliegen gesammelt, um ein Volksbegehren als zweite Stufe des Volksgesetzgebungsverfahrens angehen zu können. Der Senat entschied aber, den angestrebten Gesetzentwurf der Initiative vom Landesverfassungsgericht überprüfen zu lassen, weil der aus seiner Sicht in zwei Punkten gegen geltendes Recht verstoße.

Er greife zum einen unzulässig in das Recht der Bürgerschaft ein, allein über den städtischen Haushalt zu entscheiden. Zum anderen sei es ein unverhältnismäßiger Eingriff ins Eigentumsrecht, Ei­gen­tü­me­r:in­nen zu verbieten, Werbeflächen aufzustellen.

Verfassungsgericht folgt der Initiative

Der Gesetzesentwurf der Initiative „Hamburg werbefrei“ sieht die Änderung der Bauordnung des Landes Hamburg vor: Konkret sollen digitale Werbeanlagen außerhalb der Stätte der Leistung verboten sein – dem folgte nun das Verfassungsgericht.

„Die weitreichende Beschränkung dieser im öffentlichen Raum besonders dominanten Form von Außenwerbung, die mit ihren Lichteffekten zudem Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden von Menschen und Tieren hat, ist zur Erreichung der Zielsetzung des Gesetzesentwurfs der Volksinitiative nicht nur im Sinne der Zweckförderung geeignet, sondern darüber hinaus erforderlich“, urteilte es.

Dem stehe nicht entgegen, dass die Anlagen für die Grundstückseigentümer wirtschaftlich besonders attraktiv seien. Auch werde für künftig neu zu errichtende Anlagen ein Interessensausgleich geschaffen: Denn Eigenwerbung sei in größerem Umfang erlaubt.

Weiter sieht der Gesetzentwurf vor, dass die Werbeanlagen hälftig für kulturelle, politische, sportliche und ähnliche Veranstaltungen genutzt werden. „Das betrifft das Leben in der Stadt – und ist quasi eine Kulturförderung, weil es positive Auswirkungen für Kulturveranstalter hat“, sagt der Anwalt der Initiative, Fadi El-Ghazi.

Auch dem folgte das Gericht: „Einschränkungen kommerzieller Werbung, die generalisierend nach abstrakt bestimmten Inhaltsarten anhand ihres gesellschaftlichen Kontexts differenzieren, sind weder ein Verbot einer bestimmten Meinung noch richten sie sich gegen die Meinungsfreiheit als solche.“

Bestehende Werbanlagen dürfen bleiben

Das Gericht widersprach auch der Argumentation des Senats, ein Wegfall von Einnahmen in Höhe von knapp 70 Millionen jährlich aus Werbeverträgen würde das Haushaltsrecht der Bürgerschaft beeinträchtigen. Zwar werde das fiskalische Handeln der Stadt erheblich beschränkt – es wäre aber nicht mit einem vollständigen Wegfall der Einnahmen aus privatrechtlichen Werbeverträgen zu rechnen. Auch werde die Höhe durch externe Faktoren beeinflusst.

Erik Flick,Volksinitiative „Hamburg werbefrei“

„Die Werbeindustrie und der Senat sind mit ihren Argumenten nicht durchgekommen. Das ist das Beste, was unserer Stadt passieren kann. Das ist auch ein Sieg für die Demokratie“

Lediglich die Forderung der Initiative, bereits errichtete Werbeflächen wieder abzubauen, sei nicht rechtens, so die Verfassungsrichter. Denn das Vertrauen der Grund­stücks­ei­gen­tü­me­r:in­nen in den Fortbestand ihres früher erworbenen Rechts habe Vorrang.

Für die Initiative ist das kein Problem. „Durch den Wegfall der Änderung entsteht uns kein großer Nachteil – denn Ende 2026 laufen die Verträge der Stadt mit Wall und Ströer sowieso aus“, sagt El-Ghazi. Die Firma Wall und Ströer betreibt Hamburgs öffentliche Werbeanlagen.

Initiative geht nun nächsten Schritt

Die Initiative wird nun voraussichtlich im April und Mai 2025 Unterschriften für das Volksbegehren sammeln – knapp 66.000 brauchen sie, um ihren Gesetzesentwurf zur Abstimmung stellen zu können. Angestrebt wird die Abstimmung parallel zur Bundestagswahl im kommenden Jahr. „Ich hoffe, dass die Hamburger diese Chance nutzen“, sagt Anwalt El-Ghazi. „Denn der öffentliche Raum hat identitätsstiftende Wirkung.“

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