Queerfeindlicher Hassprediger aus Bremen: Jetzt kann nur noch Gott richten

Das Verfahren wegen Volkverhetzung gegen Olaf Latzel wurde eingestellt, gegen eine Entschuldigung und 5.000 Euro für einen queeren Verein.

Liebt den Sünder, aber nicht die Sünde: Der evangelikale Bremer Pastor Olaf Latzel am Mittwoch vor dem Bremer Landgericht Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

BREMEN taz | Bereits über eine Stunde vor Beginn der Berufungsverhandlung gegen den evangelikalen Pastor Olaf Latzel wegen Volksverhetzung hat sich am Mittwoch eine Menschentraube vor dem Bremer Landgericht gebildet. Die Mehrheit unterstützt deutlich sichtbar Latzel. Einer von ihnen trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift „There’s power in the name of ­Jesus“. Am Ende wird das Berufungsverfahren gegen Latzel eingestellt. Queere Organisationen kritisieren das Ergebnis.

Drei Ak­ti­vis­t*in­nen des Bündnisses Queerlobby – einem losen Bündnis verschiedener queerer Organisationen –, die den Prozess verfolgt haben, berichten der taz später, die Latzel-Unterstützer*innen hätten ihnen Zettel mit Bibelsprüchen in die Hand gedrückt. Der taz liegt einer dieser Zettel vor. „Wenn ihr ihn aber verlasst, so wird er euch auch verlassen“, steht da unter anderem, ein Zitat aus dem Alten Testament.

Im historischen Gerichtssaal posiert der 56-jährige Latzel zunächst mit einer Bibel, die er sich mit beiden Händen vor den Bauch hält für die Kameras der Pres­se­ver­tre­te­r*in­nen. Das Medieninteresse ist groß, mindestens drei Kamerateams sind vor Ort.

Im Oktober 2019 hatte Latzel in einem Seminar namens „Biblische Fahrschule für die Ehe“ einen eineinhalbstündigen Alleinvortrag gehalten. Er sprach unter anderem von „gelebter Homosexualität“ als „todeswürdig und vor Gott ein Gräuel“, von einer „teuflischen Homo-Lobby“, die sich in die Gesellschaft dränge und von „diesen Verbrechern vom Christopher-Street-Day“ ­gesprochen.

Unterstützt durch Reichsbürger und Islamisten

Bevor es am Mittwoch mit dem Prozess so richtig losgehen kann, stehen plötzlich zwei Herren im Gerichtssaal. Einer hat einen Stapel Papier dabei. Sie seien von einer Internationalen Organisation für Völkerrecht, sagt der mit den Zetteln, man wolle eine Erklärung verlesen und berufe sich auf UN-Resolutionen.

Während der Präsident des Landgerichts die beiden leise aber bestimmt bittet, die Verhandlung nicht weiter zu stören und auf sein Hausrecht verweist, ruft einer der beiden noch: „Der Bürger hat hier das Hausrecht“ und „Man darf nicht wegen ein- und desselben Verbrechens zweimal verurteilt werden“. Dann werden beide von einem Justizbeamten aus dem Saal begleitet.

Santos Blume vom Bündnis Queerlobby beobachtet den Prozess und ordnet die beiden Männer dem Spektrum der Selbstverwalter zu, die laut Verfassungsschutz wiederum zum Spektrum der Reichsbürger gehören. Für Blume zeigt dieser Vorfall, wie sehr sich in der Unterstützung für Latzel verschiedene konservative und queerfeindliche Szenen verbinden.

Bei der ersten Verhandlung im Fall Latzel sei auch der islamistische und homofeindliche Youtuber Huseyin Özoguz aus Delmenhorst aufgetaucht. Laut der Fernsehsendung „buten un binnen“ hatte er die Begegnung mit den ­Latzel-Anhänger*innen damals als „faszinierend“ bezeichnet.

Zurück im Gerichtsaal braucht die Vorsitzende Richterin dann gut eine halbe Stunde, um den bisherigen Verlauf des Verfahrens gegen Latzel zu erläutern. Die Staatsanwaltschaft hatte Äußerungen aus seinem Vortrag als Verletzung der Menschenwürde gewertet und ein Verfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet.

Menschenwürde vor Religionsfreiheit

Das Amtsgericht Bremen sprach Latzel im November 2020 schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 8.100 Euro. Latzel ging in Berufung und argumentierte, er habe sich auf Textstellen aus der Bibel bezogen, zudem lehne er nur die Homosexualität ab, Homosexuelle seien in seiner Gemeinde – wie alle Sünder – willkommen.

Das Landgericht sah Latzels Äußerungen durch die Religions- und Meinungsfreiheit gedeckt und sprach Latzel im Mai 2022 frei. Daraufhin legte die Staatsanwaltschaft Revision ein und der Fall landete beim Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG).

Die Rich­te­r*in­nen des OLG kritisierten das Urteil des Landgerichts als lückenhaft, hoben den Freispruch wieder auf und verwiesen den Fall wieder zurück an eine andere Kammer des Landgerichts. Das Landgericht, so mahnte das OLG, habe bei der erneuten Befassung mit dem Fall zu beachten, dass dort, wo die Menschenwürde betroffen sei, die Religionsfreiheit an ihre Grenzen komme.

Ob die Menschenwürde von Latzels Aussagen verletzt wurde, wird juristisch nun wohl nicht mehr geklärt werden. Die Beteiligten einigten sich am Mittwoch darauf, das Verfahren einzustellen, nachdem Latzel eine Erklärung vorgelesen und sich bereiterklärt hatte, 5.000 Euro an den queeren Bremer Verein „Rat&Tat-Zentrum für queeres Leben“ zu spenden.

Lilli Hasche, Bündnis Queerlobby

„Latzel hat in seiner Entschuldigung abwertende Worte wie ‚Gendermenschen‘ verwendet. Das ist keine respektvolle Selbstbezeichnung“

In seiner Erklärung sagte Latzel, er habe in dem Seminar Äußerungen getroffen, die „Homosexuelle, Gendermenschen und Menschen des CSD“ verletzt hätten. Dabei habe er das christliche Gebot der Nächstenliebe verletzt, die Betroffenen bitte er „ausdrücklich um Entschuldigung“.

Die Richterin sagte, sie schätze Latzels Entschuldigung als „authentisch“ ein und wies darauf hin, dass das Verfahren ansonsten noch lange hätte weitergehen können. Der Staatsanwalt stimmte ihr zu und wies auf die Belastung hin, die vier Jahre des Verfahrens für den Pastor bedeuteten.

„Die Entschuldigung konnten wir nicht bis zuletzt nachvollziehen“, sagt Lilli Hasche von Queerlobby. Latzel habe abwertende Worte wie „Gendermenschen“ verwendet. „Das ist keine respektvolle Selbstbezeichnung.“

Kirchliches Disziplinarverfahren noch offen

Bisher ist das Verfahren nur vorläufig eingestellt, sobald Latzel die 5.000 Euro bezahlt hat, ist es rechtskräftig. Dann kann Latzel auf juristischer Ebene nicht mehr belangt werden.

Santos Blume vom Bündnis Queerloby sieht das kritisch. Der Rechtsfrieden sei damit nicht wieder hergestellt. Zudem erschwere das fehlende Urteil das kircheninterne Disziplinarverfahren, das von den Verantwortlichen der Bremischen Evangelischen Kirche bis zu einem Urteilsspruch pausiert worden war.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.

Ihren Kommentar hier eingeben