taz Panter Forum in Chemnitz: Ein Dorn im rechten Auge
Chemnitz wird Europäische Kulturhauptstadt 2025. Damit soll vor vor allem eines belebt werden: eine strukturschwache Zivilgesellschaft.
Auch als rechtsextreme Hochburg ist Chemnitz heute bekannt. Der NSU-Komplex und Hetzjagden konnten hier stattfinden. Rechtsextreme Parteien wie die AfD und die Freien Sachsen sitzen im Stadtrat. Kann das eine Kulturhauptstadt sein? Seit 1985 gibt es das Kulturhauptstadtprojekt der EU. Das Förderprojekt wird heute genutzt, um strukturschwache Gegenden in Europa neu zu beleben, wie die letzte deutsche Kulturhauptstadt Essen im Jahr 2010. In Chemnitz soll die Kulturhauptstadt vor allem eines beleben: eine strukturschwache Zivilgesellschaft.
Statt wie andere Städte Künstlergrößen und internationale Theaterproduktionen einzuladen, wird die Kunst und Kultur deshalb aus den Ideen und der Zusammenarbeit der Chemnitzer entwickelt. 150 zivilgesellschaftliche Organisationen stellen über 1.000 Veranstaltungen in Chemnitz und in den 38 Gemeinden im Umland auf die Beine. Rund die Hälfte der Teilnehmenden ist ehrenamtlich. Manche pflanzen Streuobstwiesen, andere präsentieren Chemnitzer Garagenkultur im Projekt #3000Garagen.
Über den Gartenzaun hinweg
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Diese neuen Netzwerke sollen Kulturen des Miteinanders und des Vertrauens entstehen lassen. Denn „Vertrauen ineinander fehlt“, so Schmidtke, der selbst im 50 Kilometer entfernten Döbeln aufgewachsen ist. Verantwortlich dafür sieht er auch das große, unbearbeitete Erbe der DDR. Als politisch will der Kulturmanager das Projekt nicht verstanden wissen. Es gehe vielmehr darum, „sich wieder mit seinen Nachbarn und Nachbarinnen Respekt füreinander aufzubauen, und sei es über den Gartenzaun hinweg“.
Den Rechten ist die Kulturhauptstadt ein Dorn im Auge. Im Chemnitzer Stadtrat hatten die rechtsextremen Freien Sachsen im März in einem symbolpolitischen Akt die Beendigung des Kulturhauptstadtprojekts gefordert – auch wenn sie das nicht können, weil die Mittel nicht aus dem Stadtrat kommen. Nachdem das Datum der Eröffnungsfeier bekannt gegeben wurde, meldeten erneut die Freien Sachsen nur Stunden später eine politische Kundgebung an diesem Tag an.
Darauf angesprochen, reagiert Stefan Schmidtke gefasst. Die Kulturhauptstadt stehe vor allem für das Miteinander und die Zivilgesellschaft und nicht gegen etwas. An die Chemnitzer appelliert er stattdessen, neugierig zu sein: „Seien Sie neugierig auf Ihr eigenes Leben und das Ihrer Mitmenschen, denn Sie gestalten es mit.“
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