Debattenkultur im Bundestag: Härtere Strafen fürs Pöbeln

Die Ampel-Fraktionen wollen den Pöbelparagrafen im Bundestag verschärfen und die Höhe der Ordnungsgelder verdoppeln. Das träfe vor allem die AfD.

AfD Fraktion im Bundestag, in der Mitte sitzt Beatrix von Stroch und ruft sichtlich empört ins Plenum

Das wird in Zukunft teuer: Beatrix von Storch (M.) im Plenum des Deutschen Bundestags Foto: Christoph Soeder/dpa

BERLIN afp/dpa/taz | Seit die AfD 2017 in den Bundestag eingezogen ist, ist das Debattenklima im Parlament deutlich rauer geworden. Dagegen wollen die Fraktionen der Bundesregierung nun mit der Verschärfung des sogenannten Pöbelparagrafen vorgehen.

Die Ampel-Parteien wollen die Strafen für die Beleidigung und Störungen während Plenar- oder Ausschusssitzungen verdoppeln. Über eine entsprechende Änderung der Geschäftsordnung wollte der Bundestag am Mittwochabend in erster Lesung beraten. Künftig würde nach drei Ordnungsrufen innerhalb von drei Sitzungswochen automatisch ein Bußgeld fällig.

Den Ampel-Plänen zufolge soll die Höhe der Strafzahlungen durch die Verschärfung auf 2.000 Euro verdoppelt werden. Im Wiederholungsfall wären es entsprechend künftig 4.000 Euro. Bei Störungen sollen darüber hinaus künftig auch Ausschussvorsitzende Mitglieder von Sitzungen ihrer Gremien ausschließen können.

Ordnungsrufe können dem Entwurf zufolge wie bisher erteilt werden, wenn Abgeordnete „die Ordnung oder die Würde des Bundestages“ verletzen. Klargestellt wird in dem Änderungsentwurf ausdrücklich, dass alle Redebeiträge und Äußerungen „vom gegenseitigen Respekt und von der Achtung der anderen Mitglieder sowie der Fraktionen geprägt“ sein sollten. „Jegliche beleidigende oder diskriminierende, insbesondere rassistische oder sexistische Äußerungen oder Verhaltensweisen gegenüber einem anderen Mitglied oder Dritten sollen unterlassen werden.“

AfD bekommt am meisten Ordnungsrufe

Vor allem die AfD hat dafür gesorgt, dass die Umgangsformen im Bundestag deutlich schärfer geworden sind. Die 2017 in den Bundestag eingezogene extrem rechte Partei bekommt mit Abstand die häufigsten Ordnungsrufe. Dafür sorgen nicht nur rassistische Beleidigungen, Sexismus oder provokante Aktionen wie das Verlassen des Saals bei Staatsgästen wie dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij.

Auch queerfeindliches Deadnaming von Trans-Abgeordneten ist mittlerweile Volkssport in der AfD-Fraktion – also das absichtliche Bezeichnen mit dem abgelegten Vornamen, eine Spezialität etwa von Beatrix von Storch, die kürzlich dafür ein Ordnungsgeld von 1.000 Euro zahlen musste.

Und wie so oft gilt bei der AfD: Austeilen kann sie, einstecken aber nicht. Natürlich inszeniert sie sich angesichts von Ordnungsgeldern und nun mit der bevorstehenden Verschärfung des „Pöbelparagrafen“ als Opfer. Stephan Brandner, Justitiar der AfD-Fraktion und Parlamentarischer Geschäftsführer, sprach in einer Presserunde am Dienstag von „Schikane und Drangsalierung“ und beklagte: „Das wird uns treffen.“ Die Änderungen würden die parlamentarische Debatte negativ beeinflussen, sagte Brandner.

Brandner selbst hat bisher die zweitmeisten Ordnungsrufe in der laufenden Legislatur bekommen. Erstplatzierte ist von Storch. Auf Platz 3 liegt der fraktionslose Abgeordnete Matthias Helferich, der ebenfalls für die AfD in den Bundestag eingezogen ist. Die ersten drei Plätze für die meisten Ordnungsrufe gingen damit zumindest einer Auswertung aus dem letzten Herbst zufolge allesamt an die AfD.

Bündestagspräsidentin Bas sieht Anstieg seit 2017

Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sieht das so: Er sagte, das verschlechterte Klima im Bundestag lasse sich „an der Zahl der Ordnungsrufe ablesen, die insbesondere in das rechte Lager gehen“. Weiter sagte er: „Mich betrübt das, weil es hat ja etwas damit zu tun, was in dieses Haus eingezogen ist – im wahrsten Sinne des Wortes.“ Mützenich schilderte auch Vorfälle, bei denen Mitarbeiter, deren Familien aus dem Ausland stammten, angepöbelt worden seien. Dies sei nicht nur belastend, sondern „hochdramatisch“.

Im vergangenen Monat hatte sich Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) in einer Rede besorgt über den härter werdenden Umgangston im Plenum gezeigt. Seit 2017, dem Jahr des Einzugs der AfD in den Bundestag, sei „die Anzahl der Ordnungsrufe sprunghaft angestiegen“, sagte Bas. Zur Halbzeit der aktuellen Wahlperiode habe es bereits mehr Ordnungsrufe gegeben als in der gesamten Wahlperiode zuvor. Bas forderte deshalb eine „Nachschärfung“ der Geschäftsordnung.

Der Änderungsantrag von SPD, Grünen und FDP für die Bundestagsgeschäftsordnung umfasst insgesamt 71 Seiten und sieht eine Reihe von Änderungen und Präzisierungen vor. In der Begründung wird darauf verwiesen, dass die Geschäftsordnung wesentlich auf noch vor mehr als 40 Jahren beschlossenen Regelungen beruhe, die „nicht mehr der parlamentarischen Praxis“ entsprächen und dieser teilweise sogar zuwiderliefen.

CDU findet Diskriminierung halb so wild

Zugleich sollen Rechte der Opposition gestärkt werden, indem festgeschrieben wird, dass von Fraktionen verlangte öffentliche Anhörungen künftig innerhalb von zehn Sitzungswochen behandelt werden müssen. Diese Frist gibt es bisher nicht.

Die Abgeordneten von Parteien nationaler Minderheiten sollen zudem die Möglichkeit erhalten, sich bei Themen, welche die von ihnen vertretenden Minderheiten betreffen, stärker einzubringen. Mit Blick auf die Rechte des Petitionsausschusses wird festgehalten, dass dieser dem Bundestag empfehlen kann, eine Petition auf die Tagesordnung zu setzen, wenn diese mindestens 100.000 Unterstützerinnen und Unterstützer hat.

Die CDU/CSU-Fraktion findet die Vorschläge der Ampelkoalition zu weitgehend, weil darin allgemein auf diskriminierende Äußerungen abgestellt werde. „Solch unbestimmte Begriffe schädigen die Debattenkultur im Bundestag“, sagte Parlamentarischer Geschäftsführer Thorsten Frei (CDU). Ansonsten sei die Union aber für eine Stärkung des parlamentarischen Ordnungsrechts.

Die Union hat einen eigenen Antrag „Demokratie stärken – Für eine echte Parlamentsreform im Deutschen Bundestag“ formuliert. Darin bemängelt sie, dass Antworten auf Fragen von Parlamentariern von der Bundesregierung nicht selten unter anderem mit der Begründung verweigert würden, dass die erbetenen Angaben nicht statistisch aufbereitet vorlägen. Dies untergrabe die parlamentarische Kontrolle und schade letztlich dem öffentlichen Ansehen von Regierung und Parlament.

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