Haushaltsstreit der Ampel: Die Nachspielzeit läuft

Olaf Scholz verspricht noch in diesem Monat eine Einigung im Haushaltsstreit, die SPD-Fraktion peilt Freitag an. Nur: Es klafft noch ein Milliardenloch.

Scholz im Stadion, zwischen Britta Ernst im Trikot Bundestagspräsidentin Bas

Fußball schauen ist eindeutig weniger kompliziert als Haushaltsberatungen: Kanzler Scholz am vergangenen Samstag in Dortmund Foto: Christian Charisius/dpa

BERLIN taz | Die SPD ist optimistisch – zumindest in Sachen Haushalt. Für Freitagmorgen 7 Uhr lädt die Bundestagsfraktion zur Sondersitzung ein. Möglicher Anlass für das frühmorgendliche Treffen: Bundeskanzler Olaf Scholz will seine Fraktion über den Haushaltsentwurf informieren und Rede und Antwort stehen. So ist es im Falle einer Haushaltseinigung vereinbart.

Den ursprünglichen Zeitplan hat die Regierung aus SPD, Grünen und FDP bereits gerissen. Eigentlich wollte das Kabinett den Haushaltsentwurf am Mittwoch beschließen, doch noch beraten Kanzler, Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) im kleinen Kreis. Die Gespräche sollen konstruktiv laufen, heißt es aus Verhandlungskreisen. Scholz habe in der Fraktion am Dienstag angedeutet, dass man bis Freitag fertig sein könnte. Offen seien aber unter anderem noch die Budgets des Familien- sowie des Arbeits- und Sozialministeriums.

Die Aufgabe gleicht der Quadratur des Kreises. Die Ampel muss entscheiden, wie sie zu erwartende Steuereinnahmen in Höhe von 450 Milliarden Euro plus x verteilt, wobei die Ausgabenwünsche viel höher sind als die Einnahmen. Die Lücke soll zwar nach etlichen Gesprächsrunden zu dritt und mit den Mi­nis­te­r:in­nen geschrumpft sein, doch noch immer im ein- bis zweistelligen Milliardenbereich liegen.

Lindner will keine Ausnahmen von der Schuldenbremse

Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse verbietet es, neue Kredite in großer Höhe aufzunehmen, wobei Ausnahmen bei Notlagen erlaubt sind. Lindner will jedoch keine Ausnahmen und auch nicht über Steuererhöhungen reden. Bleiben also nur Kürzungen, wenn es nach der FDP geht am liebsten im Sozialetat. Hier aber stellt sich die SPD quer und will keine Sparorgien hinnehmen. Auch an der Landesverteidigung und an den Ukraine-Hilfen wollen die Sozialdemokraten nicht sparen, sie pochen auf kräftige Investitionen in Infrastruktur und Bildung. Wie das alles unter einen Hut zu bringen ist? Höhere Mathematik.

In der Regierungsbefragung am Mittwoch verbreitete Scholz Optimismus. „Ich kann ihnen versichern, dass wir den Haushalt diesen Monat im Bundeskabinett beschließen werden“, antwortete der Kanzler auf die Frage von Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg. Der weitere Zeitablauf, also Beratung des Haushalts im Bundestag nach der Sommerpause und Verabschiedung Ende November, werde nicht beeinträchtigt. Und Scholz versprach dem Parlament auch einen Wachstumsturbo, der die wirtschaftliche Dynamik „unglaublich beleben wird“.

Teil der Haushaltsberatungen ist auch ein sogenanntes Dynamisierungpaket, dass der schwächelnde Wirtschaft helfen soll, indem Unternehmen von Bürokratie und Steuern entlastet werden und Mehrarbeit belohnt wird. Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Reinhard Houben, wollte von Scholz Details wissen. Der antwortete fast fröhlich: „Da sind schon sehr viele konkrete Vorschläge zusammengekommen, über die komplette Einigkeit besteht.“

Weniger rosige Aussichten für 49-Euro-Ticket

CSU-Verteidigungspolitiker Florian Hahn erkundigte sich, wie es nach dem Auslaufen des Sondervermögens für die Bundeswehr weitergeht. Dann müssten im Verteidigungsetat Jahr für Jahr mindestens 10 Milliarden Euro draufgelegt werden, zusätzlich zu den derzeitigen 50 Milliarden. Scholz versicherte: „Das 2-Prozent-Ziel wird eingehalten werden.“ Und zwar auch dann, „wenn das Sondervermögen aufgebraucht ist“. Der Haushaltsentwurf für 2025 und die Finanzplanung bis 2028 würden diese Klarheit schaffen.

Weniger rosig sind die Aussichten für das 49-Euro-Ticket, dass der Bund derzeit mit 1,5 Milliarden Euro mitfinanziert. Auf die Frage der Grünen Nyke Slawik schloss Scholz nicht aus, dass das Ticket teurer wird und verwies zudem auf die Verkehrsminister der Länder. Irgendwo muss der Bund ja sparen.

Im Bundestag bekräftigte Scholz seine Kriterien für den Haushalt, wie er sie am Tag zuvor auch beim Sommerfest der Parlamentarischen Linken der SPD und in der Fraktion vorgetragen hatte: Man dürfe die Unterstützung für die Ukraine einerseits und Investitionen in Wachstum, Infrastruktur und Soziales andererseits nicht gegeneinander ausspielen.

Zugleich schwor er die Ge­nos­s:in­nen am Dienstagabend auf schmerzhafte Zugeständnisse ein. Es gehe jetzt um Solidarität und Zusammenhalt, appellierte Scholz im Nieselregen an die SPD-Linken. Er führte das Beispiel Niederlande an: „Dort hat eine Regierung die Nerven verloren. Man dachte, man wählt neu und kommt dann wieder zusammen. Und jetzt führen die Rechtspopulisten die Koalition.“ Ein Wink mit dem Zaunpfahl an alle Zweif­le­r:in­nen in den eigenen Reihen, die einen Bruch der Ampel einem brutalen Kürzungshaushalt vorziehen.

Parteilinke befürchten das Schlimmste. Ein erfahrener Genosse ist da entspannter: Er rechne zurzeit eher mit einer Haushaltseinigung als mit einem Sieg der DFB-Elf am Freitagabend gegen Spanien.

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