EuGH-Urteil zu Asylrecht: Neue Prüfung in Deutschland erlaubt

In Griechenland Asyl, in Deutschland nur Schutz: Deutsche Behörden dürfen den Status von Flüchtlingen erneut prüfen. Eine Klage dagegen ist gescheitert.

Flüchtlinge und Migranten, die nach der Ankunft in Skala Sikaminias am 2. März 2020 auf der Insel Lesbos, Griechenland, von einem Boot steigen.

Flüchtlingen, die wie hier 2020 auf der Insel Lesbos ankommen, droht in Griechenland trotz Asylstatus die Obdachlosigkeit Foto: Marios Lolos/imago

FREIBURG taz | Flüchtlinge, die bereits in Griechenland Asyl erhielten, haben in Deutschland nicht automatisch ebenfalls Anspruch auf Asyl. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) an diesem Dienstag in einem Grundsatzurteil. Es betrifft allein in Deutschland einige zehntausend Menschen.

Wer in Griechenland als Flüchtling anerkannt ist, wird meist obdachlos. Nur bis zur Anerkennung besteht Anspruch auf Unterbringung in einem staatlichen Camp. Wegen der hohen Arbeitslosigkeit und weil die wenigsten Flüchtlinge griechisch sprechen, ist es sehr schwer, Arbeit und eine Wohnung zu finden. Es gibt in den ersten zwei Jahren auch keine finanzielle Unterstützung für anerkannte Flüchtlinge.

Die meisten anerkannten Flüchtlinge ziehen daher weiter in andere EU-Staaten. Als Asylberechtigte dürfen sie zwar in andere Staaten reisen, aber dort nicht dauerhaft wohnen und auch nicht arbeiten. Von 2018 bis 2022 haben daher rund 76.600 in Griechenland anerkannte Flüchtlinge in Deutschland einen neuen Asylantrag gestellt, um dauerhaft hier bleiben zu können. Hauptherkunftsländer dieser Personen sind Afghanistan, Syrien und Irak.

Eigentlich sind Asylanträge laut dem deutschen Asylgesetz unzulässig, wenn jemand schon in einem anderen Land Asyl erhalten hat. Der EuGH entschied jedoch bereits 2019, dass dies nicht gilt, wenn den anerkannten Flüchtlingen in diesem anderen Land unmenschliche Behandlung droht. Seit 2022 entscheiden deutsche Verwaltungsgerichte, dass asylberechtigte Flüchtlinge in der Regel nicht nach Griechenland zurückgeschickt werden dürfen, weil sie dort ihre Grundbedürfnisse („Bett, Brot und Seife“) nicht befriedigen können.

Syrerin klagte auf vollen Asylstatus

Offen war aber die Frage, ob nun in Deutschland ein neues Asylverfahren durchgeführt werden muss oder ob der griechische Asylstatus auch hier gilt. Darüber musste nun der EuGH auf Vorlage des Bundesverwaltungsgerichts entscheiden.

Im konkreten Fall ging es um eine Syrerin, die 2018 in Griechenland als asylberechtigt anerkannt wurde, in Deutschland aber nur den subsidiären Schutz für Bürgerkriegsflüchtlinge erhielt. Weil bei diesem Status der Anspruch auf Familiennachzug sehr restriktiv ist, klagte die Syrerin auf den vollen Asylstatus.

Der EuGH entschied nun, dass die griechische Asyl-Entscheidung von den deutschen Behörden nicht automatisch übernommen werden muss. Dies sei im EU-Recht nicht vorgeschrieben. Die deutschen Behörden sind nur verpflichtet, die griechischen Gründe zu berücksichtigen. Der Asylanspruch kann aber hier neu geprüft werden. (Az.: C-753/22)

Die Asyl-Entscheidung kann in Deutschland also schlechter ausfallen als in Griechenland, wenn die Lage im Herkunftsland anders eingeschätzt wird, sich inzwischen verändert hat oder deutsche Behörden Flüchtlingen nicht glauben.

Nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wurden bereits über rund 65.600 Asylanträge von in Griechenland anerkannten Flüchtlingen entschieden. Danach erhielten nur 19 Prozent auch in Deutschland Asyl, 40 Prozent bekamen subsidiären Schutz. Bei 22 Prozent wurden sonstige Abschiebungs­hindernisse wie Krankheiten festgestellt, 6 Prozent der Anträge erledigten sich formal, etwa durch Ausreise, und 13 Prozent haben die Ämter ohne jede Schutzgewährung abgelehnt.

Auslieferung eines kurdischen Türken abgelehnt

In einem zweiten Urteil entschied der EuGH am Dienstag, dass ein kurdischer Türke von Deutschland nicht zur Strafverfolgung an die Türkei ausgeliefert werden darf, weil er in Italien 2010 als Asylberechtigter anerkannt worden war.­ (Az.: C-352/22)

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