Cannabis-Messe „Mary Jane“ in Berlin: Eine Branche im Rausch

Auf Europas größter Cannabis-Messe in Berlin herrschte am Wochenende Goldgräber­stimmung. Social Clubs werden so schnell jedoch nicht kommen.

Andrang an einem Stand auf der Cannabismesse

Cannabis ist nicht mehr nur ein Thema für Freizeitkiffer, sondern ein Business mit starken Aussichten auf Wachstum Foto: Steve Braun

BERLIN taz | Stundenlang ging am Samstag gar nichts mehr beim Einlass zur „Mary Jane“, Europas größter Cannabis-Messe. Dass die Veranstaltung am Wochenende in neue Dimensionen vordringen würde, war abzusehen, nachdem die Bundesregierung die Entkriminalisierung von Cannabis seit dem 1. April dieses Jahres beschlossen hat. So fand sie nicht mehr wie bisher in der Arena in Treptow statt, sondern in der Messe Berlin auf einer etwa doppelt so großen Ausstellungsfläche. Und trotzdem war man an den drei Tagen dem Andrang nicht gewachsen.

Mit etwa 40.000 Besuchern und Besucherinnen hatten die Veranstalter gerechnet. Tickets waren schnell ausverkauft, auch wenn sie, wie am extra teuren Samstag, satte 50 Euro kosteten. Doch Hunderten Ticketbesitzern wurde erst nach ewiger Warterei der Einlass gewährt. Eine für den Samstagabend geplante Afterparty wurde vom Veranstalter wegen des zu hohen Besucheraufkommens abgesagt.

In der Warteschlange machten die Leute dann das, was man von Besuchern und Besucherinnen einer derartigen Fachmesse erwarten konnte: sie bauten sich erst einmal einen Joint. Dass dann auch in den Messehallen überall ordentlich gekifft wurde, muss eigentlich kaum noch extra erwähnt werden.

20 Mal musste allein am Freitag ein Krankenwagen für überforderte Mischkonsumenten gerufen werden

Konsumiert wurden auf der „Mary Jane“ wohl aber auch noch andere Substanzen. Laut Veranstalter welche mit synthetischen und teilsynthetischen Wirkstoffen. 20 Mal habe man deswegen allein am Freitag einen Krankenwagen für überforderte Mischkonsumenten ordern müssen.

Business mit starken Aussichten auf Wachstum

Das, was die Bundesregierung zum Umgang mit Cannabis seit dem 1. April beschlossen hat, ist letztlich nicht das geworden, was sie ursprünglich im Sinn hatte. Statt einer geplanten Abgabe von Cannabis in lizenzierten Shops wird es ab dem 1. Juli Cannabis Social Clubs geben, die Weed an ihre Mitglieder abgeben dürfen.

Statt einer sehr weitgehenden Liberalisierung sieht man sich nun als Cannabiskonsument komplizierten Regeln und Gesetzen gegenüber, bei denen kaum noch jemand wirklich durchblickt.

Und trotzdem war auf der „Mary Jane“ überall spürbar, welche Goldgräberstimmung in der Szene ausgebrochen ist. Noch vor dem Messeeingang konnte man sich bei einem Händler als Interessent online registrieren lassen und bekam dafür eine Geschenktüte mit Samen und T-Shirt. Gleich daneben gab es eine ähnliche Aktion, bei der man sich mit Models vor italienischen Sportwagen fotografieren lassen konnte.

Cannabis ist sichtbar nicht mehr nur ein Thema für Reggae hörende Freizeitkiffer oder Menschen mit Schlafstörung, sondern ein Business mit starken Aussichten auf Wachstum – und tritt auch dementsprechend auf.

Zielgruppe Homegrower

In den vergangenen Jahren war auf der „Mary Jane“ das beherrschende Thema CBD. Also der Blütenextrakt der Hanfpflanze, dessen Verkauf bereits vor dem 1. April mit Einschränkungen erlaubt war. CBD spielte auf der diesjährigen „Mary Jane“ aber nur noch eine untergeordnete Rolle.

Stattdessen waren Anbieter von Samen und Setzlingen sehr präsent, um die Home-Grower zu bedienen, die seit dem 1. April legal bis zu drei THC-haltige Cannabispflanzen in den eigenen vier Wänden oder auf dem Balkon anbauen dürfen.

Der große Unterschied zu den vorherigen Messen sei in diesem Jahr, dass die Leute sich nicht nur über Samen informieren würden, sondern bereits sehr genau wüssten, wonach sie suchen, sagt eine Mitarbeiterin eines Samenanbieters aus Spanien.

Mitarbeiterin am Messestand

„Das Geschäft brummt“

Auch am Stand einer österreichischen Firma, die Stecklinge heranzieht, zeigt sich die Mitarbeiterin zufrieden: „Das Geschäft brummt.“ Die meisten Sorten waren bereits am Samstagnachmittag ausverkauft. Zwei junge Männer, die sich gerade mit ein paar jungen Pflanzen eingedeckt haben, müssen diese nun bis nach Braunschweig transportieren, woher sie extra angereist waren für ein Berlin-Wochenende inklusive „Mary Jane“.

Zielgruppe der Messe sind Gelegenheitskiffer, die sich informieren möchten, welche neuartigen Blättchen und Filter für den Bau von Joints noch mehr Freude beim Genuss von Cannabis bereiten. Vor allem aber wurden Grower wie die beiden Braunschweiger angesprochen.

Aufbau der Cannabis Clubs schleppend

Aber auch die ganzen Verantwortlichen der Cannabis-Clubs, die ja ab dem 1. Juli dafür sorgen müssen, dass bis zu 500 Clubmitglieder mit ordentlichem Zeug versorgt werden können. Die richtigen Lampen, der richtige Dünger – man kann den Anbau von Hanfpflanzen betreiben, als hätte man es hier mit einer Art Raketenwissenschaft zu tun. Diesen Eindruck vermittelt einem jedenfalls die Cannabis-Messe.

Derweil geht es mit dem Aufbau der Cannabis Social Clubs nur schleppend voran. Oliver Waack-Jürgensen, Vorstand im Dachverband deutscher Cannabis Social Clubs, sagt, noch immer sei nicht einmal bekannt, welche Behörden in den Ländern nun genau Ansprechpartner seien.

Viele Clubs würden die Sache deswegen gerade eigenhändig organisieren, Anbauflächen suchen, Büros anmieten. In der Hoffnung, dass dann alles nachträglich genehmigt und schon irgendwie laufen werde. Dennoch: Vor Weihnachten, so seine Einschätzung, werde es wohl nichts werden mit der Abgabe von Cannabis in den Clubs.

Waack-Jürgensen wollte am Samstag auch auf die „Mary Jane“, habe es aber nach stundenlangem Warten vor dem Eingang aufgegeben. Die Messe sei für jemanden wie ihn auch gar nicht so wichtig, sagt er. Dafür war sie für Vorstände von Cannabis-Clubs in ganz Deutschland und Legalisierungsaktivisten aus Europa Anlass, nach Berlin zu kommen. Wo man dann in Ruhe auch außerhalb der Messe das weitere Vorgehen für eine noch weiterreichende Legalisierung von Cannabis besprechen konnte.

Ein Thema, mit dem sich dann auch die nächste Berliner Hanfparade beschäftigen wird, die Anfang August stattfindet. Ihr diesjähriges Motto lautet: „Legalisierung – aber richtig!“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.