Gegen Rechtsruck und Klimakrise: Tausende bei Fridays-Protesten
Die EU-Wahl ist auch eine Klimawahl. Das zeigen die Klimaaktivist*innen von Fridays for Future in 100 Städten.
Neun Tage vor der Europawahl am 9. Juni wollten die Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten auf die Bedeutung der EU bei der Bewältigung der Klimakrise aufmerksam machen. Sie forderten den EU-weiten Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas bis 2035 sowie eine Verdopplung der Investitionen in erneuerbare Energien und klimaneutrale Industrien. Das neue EU-Parlament müsse sich klar für Klimaschutz und Demokratie entscheiden, sagte Frieda Egeling, Sprecherin von Fridays For Future Berlin in einer Mitteilung.
„Rechtsextremisten haben keine Antwort auf die Klimakrise“, rief Carla Reemtsma von Fridays for Future auf der Bühne. In Berlin kamen laut Polizeiangaben 5.000 Menschen zusammen. Die Organisator*innen sprechen von mehr als 13.000 Personen.
Der Demozug voller Plakate und Fahnen, die zum Wählen aufriefen oder mehr Klimaschutz forderten, zog langsam über die Wilhelmstraße Richtung Regierungsviertel. Für viele Demonstrant*innen war es nicht der erste Klimastreik, „Wir haben keine andere Wahl als immer wieder auf die Straße zu gehen“, sagte eine junge Studentin aus Berlin. Es sei wichtig, dass besonders die jüngeren Leute, die zum ersten Mal wählen dürfen, das Kreuz an der „richtigen“ Stelle setzten.
„Von der Politik nur Lippenbekenntnisse“
In Hamburg ist die Stimmung trotz ortsüblichen Schietwetters freundschaftlich und harmonisch. Eine Gruppe Jugendlicher tanzt vor der Bühne im Regen. FFF hatten mit 15.000 Menschen gerechnet. Zu Beginn der Kundgebung haben sich aber erst etwa 500 TeilnehmerInnen zusammengefunden. Für Hamburg nannten die Veranstalter dann insgesamt eine Teilnehmerzahl von 4.700 Menschen.
Das Publikum ist bunt gemischt. Eine alte Frau hält ein Schild mit der Aufschrift: „Meine Ur-Ur-Ur-Enkel wollen auch noch an echten Blumen schnuppern.“ Die bevorstehenden Europawahlen dominieren die Themen. In einer Rede heißt es: „Wir haben die Wahl zwischen mehr Rechtspopulismus, mehr Klimakatastrophe oder mehr Klimagerechtigkeit und Demokratie.“
Für die Teilnehmerin Anna-Lotta Sowada ist es die wichtigste Wahl. Sie ist hier, um ihre Grundrechte und Möglichkeiten wahrzunehmen, gegen den Rechtsruck und die Klimakrise anzugehen. Der 23-Jährige Mathis Fechner ist primär wegen des Klimaschutzes vor Ort, dafür brauche es aber eine funktionierende Demokratie.
„Seit dem letzten Jahrhundert wissen wir, dass wir auf eine Klimakatastrophe zugehen, aber kriegen von der Politik nur Lippenbekenntnisse.“ Die Fortschritte seien nicht groß genug, weshalb es immer wichtiger werde, dagegen zu demonstrieren. Er sei seit 2019 dabei. Auch die nächste Rednerin weiß: „Wir machen das wirklich schon lange, aber eine gemeinsame europäische Klimapolitik wäre ohne uns niemals passiert.“
„Klimagerechtigkeit statt Kapitalismus“
Die Dresdner Innenstadt hatte in der Vergangenheit schon wesentlich mehr Freitags-Klimaretter als jene etwa 400 an diesem Klimastreiktag gesehen. In ihrer übergroßen Mehrheit junge Leute oder Senioren, die um 14 Uhr nicht noch arbeiten mussten. Die Veranstalter sprachen von 1.400 Personen. Dabei hatte Fridays for Future Dresden eine Woche zuvor schon mit der spektakulären Anstrahlung der Kunstakademie auf der Brühlschen Terrasse für diesen Protesttag geworben. Sprecherin Ella Rox wertete dabei den Green Deal der EU und die Korrektur der Klimaziele als einen Erfolg der Protestbewegung.
„Klimagerechtigkeit statt Kapitalismus“, stand denn auch auf einem Plakat zu lesen. Die noch relativ unbekannte Bewegung „Christians 4 future“ schwenkte eine Flagge mit der altbekannten Aufforderung „Schöpfung bewahren“. „Bei der Wahl stehen die Klimaziele auf der Kippe“, warnte eine Rednerin. Auch die CDU stimme Stück für Stück mehr gegen ökologische Ziele. „Europa nicht den Rechten überlassen“ forderten Transparente.
Ebenso waren Dresdner Themen vor der Kommunalwahl präsent, beispielsweise die Initiative für einen Fuß- und Radentscheid. Eine Gruppe „Kinder für Klima“ kündigte für den Kindertag am Samstag eine Veranstaltung in der Dresdner Neustadt an. Besonders konsequenten Demonstrationsteilnehmern fiel allerdings auch auf, dass die beiden begleitenden LKW noch von klassisch-schmutzigen Dieselmotoren angetrieben wurden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen