Krieg in Nahost: Ausweitung der Kampfzone

Nach der Tötung eines Hisbollah-Kommandeurs schießt die libanesische Miliz Raketenhagel auf Nordisrael. Die Gaza-Verhandlungen stecken vorerst fest.

Rauch steigt inmitten der anhaltenden grenzüberschreitenden Feindseligkeiten zwischen der Hisbollah und den israelischen Streitkräften auf. Das Bild zeigt die Stadt Klayaa im Südlibanon am 12. Juni 2024.

Grenzgebiet unter Beschuss: Das Bild zeigt die Stadt Klayaa im Südlibanon am 12. Juni 2024 Foto: Aziz Taher/reuters

JERUSALEM taz | Zum ersten Mal seit dem 7. Oktober schießt die Hisbollah Raketen auf die nordisraelische Stadt Tiberias. Etwa 50 Kilometer sind es von dort zur Grenze zwischen Libanon und Israel. Dass Geschosse der Hisbollah so tief in israelisches Gebiet vordringen, ist bisher selten. Doch erst vor wenigen Tagen flog eine Drohne der schiitischen Miliz beinahe bis ins nahe gelegene Nazareth – bis dato der tiefste Angriff in Israel. Die Miliz weitet ihre Angriffe aus – nicht nur geografisch.

Mindestens 170 Raketen und einige Anti-Panzer-Geschosse flogen am Mittwoch auf Nord­israel, nachdem in der Nacht zuvor ein Luftschlag des israelischen Militärs im Südlibanon einen wichtigen Hisbollah-Kommandeur, Taleb Sami Abdallah, getötet hatte. Al-Mayadeen, ein libanesischer TV-Sender, der als Iran- und Hisbollah-nah gilt, bezeichnete Abdallah als „bekannten Anführer im islamischen Widerstand“ und gab an, er sei „auf dem Weg von al-Quds“ – der arabische Name für Jerusalem – gestorben. Mit ihm wurden drei weitere Hisbollah-Kämpfer getötet.

Abdallah galt als einer der erfahrensten Kommandeure der Miliz. Nach Angaben des israelischen Militärs ist er der wichtigste Kommandeur, den die Armee bisher getötet habe. Abdallah führte eine der drei regio­nalen Einheiten der Hisbollah im Südlibanon an und war damit wohl für Dutzende Angriffe auf Nordisrael in den vergangenen Monaten verantwortlich – wie auch bereits im Krieg zwischen der Hisbollah und Israel im Jahr 2006.

Immer mehr in Israel fordern, in einen Krieg gegen die Hisbollah einzusteigen

Dementsprechend fiel auch die Reaktion der Miliz aus: Man werde die „Intensität, Stärke, Quantität und Qualität“ der Attacken erhöhen, erklärte ein Hisbollah-Mitglied auf der Beerdigung Abdallahs. Das israelische Militär gab an, von weiteren Attacken auszugehen. Bereits zu Beginn der Woche, und auch am Mittwoch, zielte das israelische Militär erneut auf Raketenwerfer der Hisbollah.

Immer mehr Israelis fordern Krieg gegen Hisbollah

Immer mehr Stimmen werden nun in Israel laut, dass es an der Zeit sei, in einen Krieg gegen die Miliz im nördlichen Nachbarland einzusteigen. Nach Angaben der Zeitung Times of Israel griff außerdem die Huthi-Miliz im Jemen erneut ein Frachtschiff an. Die Angriffe machen wieder einmal den Multi-Fronten-Konflikt deutlich, in dem sich Israel derzeit befindet: mit der Hamas im Gazastreifen, der Hisbollah und verwandten Milizen im Südlibanon und der Huthi-Miliz im Jemen.

Vor einiger Zeit schien es so, als könnte zumindest der Krieg im Gazastreifen bald enden und damit die immer noch dort festgehaltenen mehr als 100 Geiseln befreit und das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung gelindert werden. US-Präsident Joe Biden hatte in einer Rede am 31. Mai einen dreiphasigen Vorschlag für einen Waffenstillstand seitens Israels vorgestellt.

Teil dessen waren unter anderem die Freilassung der Geiseln sowie palästinensischer Gefangener in Israel und der Wiederaufbau Gazas. Doch in einem zentralen Punkt können Hamas und Israel Medienberichten zufolge weiter zu keiner Einigung finden: Während die Hamas einen sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand fordert, will Israel weiter gegen die Miliz vorgehen.

Am Dienstag antwortete die Hamas auf den Biden-Vorschlag mit „Änderungen“ dessen. Nach Angaben Israels kommen diese einer Zurückweisung des Deals gleich. Laut Times of Israel hat sich bereits in der vergangenen Woche gezeigt, dass die Hamas aus taktischen Gründen den Deal nicht per se ablehnen würde – auch wegen des inter­nationalen Drucks, ihn anzunehmen. Stattdessen würde die Miliz weitreichende Änderungen vorschlagen. Nach israelischen Angaben habe die Hamas „alle hauptsächlichen und die bedeutendsten Parameter verändert“.

Blinken kritisiert Hamas

Bei einer Pressekonferenz in Katar, wo sich US-Außenminister Antony Blinken derzeit aufhält, kritisierte auch er das Verhalten der Hamas: Einige der Änderungen seien „machbar“, andere nicht. Und: Der Deal, der derzeit auf dem Tisch liegt, sei praktisch identisch mit einem Vorschlag, den die Hamas selbst am 6. Mai unterbreitet habe.

Katar hatte israelischen Medienberichten zufolge im April die Führung der Hamas bereits einmal des Landes verwiesen, die daraufhin temporär in die Türkei verzog – im Versuch, den Druck auf die Gruppe erhöhen, einen Deal anzunehmen. Eine solche Drohung halten sie Berichten zufolge weiter aufrecht.

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