Protest gegen Vonovia: Ein gieriger Vermieter
Viele Vonovia-Mieter sind geschockt über hohe, nicht nachvollziehbare Nebenkostenabrechnungen. Intransparenz gehört zur Geschäftspolitik des Immobilienriesen.
„Hier geht Profit eindeutig vor Sicherheit,“ so seine Erfahrung. Wenn er direkt beim zuständigen Vonovia-Tochterunternehmen B&O anruft, habe er jedes Mal mit einer anderen Person zu tun. „Das ist ganz klar deren Masche“, ist der Mieter überzeugt. Einmal habe ihm ein Mitarbeiter sogar von sich aus geraten, einen Anwalt einzuschalten – offenbar gibt es auch Angestellte, die den Umgang ihres Arbeitgebers mit den Mietern inakzeptabel finden.
In vielen anderen Vonovia-Häusern erhitzt die Heizung ebenfalls die Gemüter. In einem Wohnblock am Tempelhofer Damm flatterten den Mietern im Oktober exorbitant hohe Abrechnungen ins Haus. Bis zu 6.000 Euro Nachzahlung sollen sie für das Jahr 2022 leisten. „Und das, obwohl wir über einen Monat lang überhaupt nicht heizen konnten und auch sonst immer dicke Pullis angezogen haben“, berichtet eine Mieterin. Ein tschechischer Bautrupp, mit dem eine Verständigung fast unmöglich war, habe auf der Suche nach Rohren riesige Löcher in die Wände geschlagen. Erst auf massiven Druck der Bewohnerschaft seien die Wände verputzt und neu tapeziert worden.
Auch in anderen Stadtteilen sind Vonovia-Mieter*innen geschockt über hohe Heizkostenrechnungen und nicht selten eine Verdreifachung der geforderten Vorauszahlungen. Ein Ärgernis für viele ist außerdem, dass der Konzern Geld für Dienstleistungen wie Hausmeister- und Gartenarbeiten in Rechnung stellt, von denen die Bewohnerinnen und Bewohner nie etwas mitbekommen haben.
Mit etwa 550.000 Wohnungen ist Vonovia der mit Abstand größte Vermieter in Deutschland. Allein in Berlin gehören dem börsennotierten Unternehmen über 135.000 Wohnungen. Großaktionäre sind verschiedene Pensionskassen, Vermögensverwalter sowie die Investmentgesellschaft Blackrock, für die der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz früher den deutschen Aufsichtsrat leitete. Ganz klar: Die dahinterstehenden Leute wollen Rendite sehen. Kritische Aktionär*innen haben ausgerechnet, dass mehr als die Hälfte dessen, was die Vonovia-Mieter*innen zahlen, der Vermögensbildung der Anleger*innen dient.
Profitmaximierung durch intransparente Geschäftstaktikten
Nach längerem Würgen hat Vonovia 2021 den zweitgrößten Wohnungskonzern Deutsche Wohnen geschluckt – allerdings nur zu 90 Prozent. Anders als bei einer vollständigen Übernahme musste Vonovia deshalb keine Grunderwerbssteuer zahlen, die dem Staat ansonsten eine Milliarde Euro gebracht hätte. Mit Gemeinwohl und Kundeninteresse hat der Konzern also nichts am Hut; im Fokus steht ausschließlich das Interesse der Anteilseigner.
Weil das Unternehmen immer mehr Wohnungen gekauft und hohe Dividenden ausgeschüttet hat, kam die Zinswende ungelegen. Vonovia hat einen hohen Schuldenberg und ist bei Neubauten noch zurückhaltender als vorher. Manche vermuten, dass die hohen Vorauszahlungen der Mieter die Kasse füllen sollen.
Offensichtlich überhöhte und völlig intransparente Nebenkostenabrechnungen gehören zur Geschäftspolitik. Dafür hat der Konzern zahlreiche Tochterunternehmen gegründet, die jeweils für bestimmte Dienstleistungen wie Heizkostenabrechnungen oder Hausmeistertätigkeiten zuständig sind. „Die Belege stammen häufig aus dem eigenen Vonovia-System. Ob und wie viel Geld da überwiesen wurde, ist oft nicht erkennbar“, beschreibt die Methode Daniel Zimmermann, der beim Deutschen Mieterbund für Großunternehmen zuständig ist.
Anders als bei Kleinvermietern seien viele Nebenkosten bei Vonovia keine durchlaufenden Kosten, sondern sollen zum Gewinn beitragen. Er rät allen Mieter*innen, die Abrechnung genau zu prüfen und bei Ungereimtheiten vom Recht auf Einsicht der Belege Gebrauch zu machen. Zugleich seien bei einer Zurückhaltung von Zahlungen jedoch unbedingt bestimmte Formalien einzuhalten, um nicht die eigene Wohnung zu gefährden. Kann der Vermieter nachweisen, dass jemand mehr als einen Monat mit der Miete im Verzug ist, darf er kündigen. Zimmermann rät deshalb, auf jeden Fall zu reagieren und im Zweifel kundige Berater*innen einzuschalten.
Was die hohen Heizkostenrechnungen angeht, sieht es für viele Berliner Mieter*innen allerdings nicht gut aus, denn etwa 40 Prozent der Wohnungen in der Stadt werden mit Fernwärme versorgt. Für die hat der schwedische Konzern Vattenfall das Monopol. So ist es angeblich auch beim Vonovia-Wohnblock am Tempelhofer Damm. „Die Rechnungen von Vattenfall reichen wir an die Mieter*innen weiter, wir sind hier sozusagen nur der Vermittler“, so Vonovia-Sprecher Christoph Metzner.
Eine Bewohnerin wundert sich: „Vonovia selbst hat uns vor einem Jahr gesagt, dass Vattenfall keine Fernwärme liefern wird, weil das Netz so weit entfernt ist.“ Tatsächlich zeigt auch der Energie-Atlas für Berlin, dass es hier keinen Netzanschluss gibt. Doch auch wo Vattenfall der Lieferant ist kommt es darauf an, ob das Wärme-Contracting im Mietvertrag festgeschrieben ist oder später vom Mieter akzeptiert wurde, wie der Bundesgerichtshof in zwei Urteilen entschieden hat.
Forderung nach mehr Verbraucherschutz
Tatsächlich sind die Kosten für Fernwärme auch in anderen Städten um bis zu 300 Prozent gestiegen, berichtet Jutta Hartmann, beim Deutschen Mieterbund für Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Ihre Organisation kritisiert die Lage seit langem und fordert mehr Verbraucherschutz.
Die Vertragslaufzeiten der Versorger sind lang, die Kostenaufstellung intransparent und nicht nachvollziehbar – und anders als beim Strom haben die Mieter*innen bei Fernwärme keine Chance, den Anbieter zu wechseln. So sind sie den Preisforderungen und Konditionen des lokalen Monopolisten weitgehend ausgeliefert. Und die besonders schlechte Nachricht: „Wir rechnen für die Abrechnungen 2023 mit noch mehr Hämmern, denn trotz Preisbremse sind die Gas- und Fernwärmepreise sehr hoch“, so Hartmann. Energie zu sparen sei deshalb weiterhin sehr wichtig.
Um sich besser wehren zu können, haben Mieter*nnen inzwischen das VoNO!via-Bündnis gegründet. Eine besonders widerständige Gruppe gibt es im westfälischen Witten, wo Knut Unger den MieterInnenverein leitet. Ende November wollte eine Delegation bei der Konzernzentrale in Bochum die Originalbelege einsehen – vergeblich. „Wir fordern den Vorstand der Vonovia auf, die Praxis der selbstproduzierten Scheinbelege einzustellen und die tatsächlichen Kosten unverzüglich offenzulegen“, heißt es in einer Mitteilung. Bis dahin wollen die Wittener die Nachforderungen nicht bezahlen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren