Baukrise in Berlin: Alle Kräne stehen still

Während private Konzerne kaum noch Wohnungen bauen, brechen auch die Zahlen der landeseigenen Unternehmen ein. Das gefährdet den sozialen Wohnungsbau.

Kräne in Berlin, im Hintergrund der Fernsehturm

Gerade einmal 3.796 Wohnungen werden die Landeseigenen im kommenden Jahr fertigstellen Foto: Emmanuele Contini/imago

BERLIN taz | Bauen, bauen, bauen – so lautet das Mantra, das CDU und SPD angesichts der Wohnungskrise seit Jahren abspulen. Anstatt jedoch den Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnkonzerne umzusetzen, sind So­zi­al­de­mo­kra­t:in­nen und Konservative als Neubaukoalition angetreten. Doch nun prallt eines ihrer zentralen Wahlversprechen auf die Realität: Die landeseigenen Wohnungsunternehmen rechnen für 2024 mit einem massiven Rückgang neu gebauter Wohnungen. Das geht aus einer Prognose von Ende September hervor, über die zuerst der Tagesspiegel berichtete.

Rechnet die Senatsverwaltung für dieses Jahr noch mit etwa 5.300 neuen kommunalen Wohnungen, gehen die Landeseigenen davon aus, im kommenden Jahr nur noch 3.796 Wohnungen fertigzustellen. Bei der Gewobag, die im vergangenen Jahr noch 1.009 Wohnungen baute, prognostiziert man für 2024 etwa nur noch 250 Fertigstellungen. Die Howoge geht von einem Rückgang von 1.689 auf 539 Wohnungen aus. Allein die WBM rechnet mit einem Zuwachs.

Die schwarz-rote Koalition hatte sich im Koalitionsvertrag das Ziel gesetzt, jährlich insgesamt 20.000 Wohnungen zu bauen, davon 5.000 Sozialwohnungen. Die Unternehmen in Landeshand sollten davon rund 6.500 Wohnungen übernehmen. Auf taz-Anfrage hält die Senatsverwaltung trotz der schlechten Prognose an dem Ziel fest. Die Vorgabe von 20.000 Wohnungen sei keine Wunschzahl, „sondern spiegelt den Bedarf an Wohnungen wider, der im Durchschnitt jährlich realisiert ­werden müsste“, so der Sprecher der Senatsverwaltung für Bauen und Wohnen.

Gleichzeitig rechnet Bausenator Christian Gaebler bereits für dieses Jahr mit einer deutlichen Zielverfehlung – nicht nur bei den Landeseignen. „Die 20.000 werden wir dieses Jahr nicht erreichen“, sagte der SPD-Politiker der dpa. „Nach unserer Prognose werden wir bei rund 16.000 neu gebauten Wohnungen landen.“

Baubranche in der Krise

Grund für den Rückgang ist neben der Berliner Politik auch die allgemeine Baukrise: Die Branche kämpft derzeit mit hohen Zinsen und steigenden Materialkosten. Auch knappe Flächen, lange Genehmigungs- und Planungsprozesse sowie gestiegene Baustandards und Effizienzanforderungen hemmen laut Senatsverwaltung den Neubau.

Der Berliner Mieterverein verweist darüber hinaus auf die Baugenehmigungen, die wegen mangelnder Digitalisierung und fehlendem Personal zu viel Zeit in Anspruch nehmen würden. Die Krise der Landesgesellschaften dürfte sich laut Geschäftsführerin Wibke Werner auch auf den sozialen Wohnungsbau auswirken. Denn die Förderung dafür nehmen zum Großteil die Landeseigenen in Anspruch. „Das Ziel von 5.000 Sozialwohnungen wird weit verfehlt“, sagt Werner.

Der wohnungspolitische Sprecher der Linken, Niklas Schenker, nennt die Verfehlung der Zielvorgaben „dramatisch“. Berlin sei auf bezahlbaren Neubau angewiesen. Schenker verweist auf ein Programm für den kommunalen Wohnungsbau, das die Linke bereits vergangenes Jahr erarbeitet hat. Es sieht unter anderem vor, dass die Landesunternehmen jährlich Eigenkapitalzuschüsse aus dem Haushalt erhalten.

Unterstützung dafür kommt vom Mieterverein. „Ich denke, man kommt an einer Eigenkapitalbezuschussung nicht vorbei“, sagt Wibke Werner. „Wenn bezahlbarer Wohnraum entstehen soll, dann am ehesten durch die landeseigenen Unternehmen – wichtig ist, dass langfristig gebundene Wohnungen entstehen.“

Mehr Geld für Sozialwohnungen

Der zentrale Plan von CDU und SPD war es, die Mittel zur Förderung für den Bau von Sozialwohnungen auf 1,5 Milliarden Euro aufzustocken. Doch am bestehenden System gibt es seit geraumer Zeit Kritik: Da neu gebaute Sozialwohnungen nur für 30 Jahre in der Sozialbindung bleiben und danach zu Marktpreisen vermietet werden können, verliert die Stadt jährlich mehr Sozialwohnungen, als neue hinzukommen. Grüne und Linke fordern deshalb eine dauerhafte Sozialbindung. Auch SPD-Fraktionschef Raed Saleh dachte im Sommer laut über eine solche Änderung nach.

Derzeit arbeitet die Koalition zudem am sogenannten Schneller-bauen-Gesetz. Es soll den Bau neuer Wohnungen einfacher machen, etwa durch schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren.

Die Mie­te­r:in­nen der 350.000 Wohnungen, die bereits einem landeseigenen Unternehmen gehören, dürfen sich in den kommenden drei Jahren zudem wieder auf Mieterhöhungen gefasst machen. Der Senat hatte den Mietenstopp zum Jahresende aufgehoben und den Gesellschaften erlaubt, jährlich bis zu 2,9 Prozent mehr Miete zu verlangen. Vor einigen Wochen war außerdem bekannt geworden, dass der private Wohnkonzern Heimstaden massenhaft überzogene Mieterhöhungen gefordert hatte – entgegen den Vereinbarungen im Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen.

Nichts von beiden kann das Bündnis bislang einlösen. Denn den Wohnungsneubau haben die privaten Konzerne mittlerweile quasi eingestellt. Vonovia hatte bereits im Januar angekündigt, dieses Jahr keine neuen Wohnungen zu bauen – zu hoch seien Zinsen und Baukosten. Die Senatsverwaltung verweist darauf, dass die Landeseigenen dagegen keine Projekte gestoppt, sondern kontinuierlich weitergebaut hätten – und dies auch in Zukunft tun würden. Offenbar nur eben deutlich weniger.

Während die Mieten also kräftig steigen und sich Immobilienkonzerne nicht an politische Abmachungen halten, verschleppen SPD und CDU die Umsetzung des Volksentscheids zur Vergesellschaftung. Gleichzeitig wird deutlich, dass auch ihr Gegenmodell „Neubau gegen Wohnungsknappheit“ nicht nur an seiner eigenen Logik, sondern auch an der wirtschaftlichen Misere der Baubranche scheitert. Echte Lösungen? Nicht in Sicht.

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