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Debatte um Haushalt 2024SPD erhöht Druck auf Scholz

Auf dem Parteitag fordert der SPD-Vorstand vom Kanzler, die Schuldenbremse erneut auszusetzen. Ein Ja der Delegierten für den Antrag gilt als sicher.

Dem Kanzler sitzt nun in Sachen Schuldenbremse der Vorstand der eigenen Partei im Nacken Foto: Liesa Johannssen/reuters

Berlin taz | Inmitten der Verhandlungen über die Haushaltskrise und kurz vor seiner Rede auf dem SPD-Bundesparteitag erhöht die Partei den Druck auf Bundeskanzler Olaf Scholz. In einem Initiativantrag fordert der Parteivorstand, die Schuldenbremse für 2024 erneut auszusetzen, um Investitionen nicht zu gefährden und Sozialabbau zu verhindern.

Die in der Verfassung vorgegebene strikte Begrenzung der Neuverschuldung darf nur in Notsituationen ausgesetzt werden. Die Aussetzung begründen die Ge­nos­s:in­nen daher mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. In dem Antrag, der der taz vorliegt, heißt es: „Das Handeln eines aggressiven Autokraten im Krieg entzieht sich nicht nur der Kontrolle des deutschen Staates, sondern beeinträchtigt erheblich die Finanzlage des Bundes und weiterer öffentlicher Haushalte. Politisch ist damit aus unserer Perspektive die Voraussetzungen für eine Notsituation gegeben, die eine erweiterte Kreditaufnahme zur Bewältigung der mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verbundenen Folgen ermöglicht.“ Verfassungsrechtlich vorgegebene Spielräume für den Haushalt müssten deshalb im Sinne der Bevölkerung genutzt werden.

Es wäre aus Sicht des Parteivorstands ein „unverzeihlicher Fehler bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen, die Modernisierung unseres Landes zu vernachlässigen.“ Denn der Investitionsbedarf betrage bis 2023 mehrere hundert Milliarden Euro und Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Beschäftigte müssten darauf vertrauen können, dass Zusagen des Staates gelten.

Der Forderung der Union, die Investitionen allein dadurch zu finanzieren, „dass bei RentnerInnen, Kindern, Alleinerziehenden und Arbeitslosen bis hin zum Existenzminimum zusammengestrichen wird“, werde dem Karlsruher Urteil in keiner Weise gerecht. „Einen Abbau des Sozialstaats werden wir nicht zulassen“, heißt es in dem Antrag.

Der Parteivorstand erneuert seine Forderung, wie auch in dem am Freitag beschlossenen Leitantrag, die Schuldenbremse zu reformieren.

„Investitionen, die vor allem auch in zukünftigen Generationen Wohlstand und Lebensqualität schaffen, können auch sinnvoll über Kredite finanziert werden“, heißt es zur Begründung.

Der Antrag wird im Anschluss an die Rede von Scholz eingebracht und abgestimmt. Stimmen die Delegierten des Parteitages zu, womit zu rechnen ist, wären die Spielräume für Zugeständnisse von Scholz an die FDP noch einmal enger.

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13 Kommentare

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  • "3,5 Milliarden Euro wollte der Bund in sanierungsbedürftige Schulen investieren – schon 2018. Nach SPIEGEL-Informationen haben bis heute viele Kommunen das Geld aber noch nicht ausgegeben." www.spiegel.de/pan...-9392-abef1b166430

    Auch bem Klima könnte über die Emissionsabgabe mehr Geld fließen.

    Beim Verkehr sind die Gelder wegen der Sanierung maroder Brücken und Straßen ebenfalls gestiegen.

    Geld ist also da. Man muss nur damit wirtschaften können und bereit stehende Gelder auch nutzen.

  • Die SPD hat ein Lebenszeichen als Partei gegeben, ob das eventuell zu einem Eigentor wird?

    Die SPD hat miese Umfragewerte, es gibt wenig Zustimmung bei Wählern, wenn die Partei indirekt den Kanzler in Frage stellt, kann es nicht besser werden andererseits ist die Partei jahrelang in einen schwierig zu beschreibenden Zustand gerutscht. Aber vielleicht hätte sie sich vor der Regierungsübernahme miteinander ausdiskutieren sollen.

    So führt es vielleicht zu einem unerwünschten Effekt: ein inhaltlich radikal kritisierter Kanzler mit sehr schlechten Umfragewerten und zwei SPD-Vorsitzenden, die den Geist von 1960 und 1970 erwecken, indem sie so tun, als bestände Deutschland aus Industriearbeitern. Eine Mischung aus Nostalgie, Ratlosigkeit und Shows, die aber nicht wirken.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Was fehlt:



    Scholz machte in seiner Rede deutlich, wo die roten Linien seiner Partei liegen:

    "Es wird in einer solchen Situation keinen Abbau des Sozialstaats in Deutschland geben", sagte er und sprach sich gegen Kürzungen im Sozialen aus.

    2.. Scholz wird mit Lindner & Habeck am Sonntag weiter über den Haushalt 24 verhandeln. SPD (Scholz ist Mitglied der SPD) und Grüne plädieren neben Einsparungen im Etat ............



    für eine...............



    erneute Aussetzung..................



    der Schuldenbremse. ...................

    3,, Scholz sagte der Ukraine anhaltende Unterstützung im Krieg mit Russland zu. "Wir unterstützen die Ukraine weiter bei ihrem Verteidigungskampf", sagte Scholz. Die Bundesrepublik werde der Ukraine weiter finanziell und mit Waffen helfen.

  • der arme - jetzt bekommt er es von zwei Seiten: zum einen von seiner eigenen Partei und dann von der anderen Seite von der gesamten Bevölkerung

  • 'Zuversicht' ohne Plan B



    Wer Olaf Scholz eben mit seiner Rede auf 'seinem' Parteitag gehört hat, mit seinem 'wir müssen das schaffen' und seiner Rechtfertigung, warum alles so schwierig ist, muss an einer Stelle zustimmen: Wenn er sagt, dass zur Bewältigung der mannigfachen Krisen mehr Zusammenhalt aller Kräfte notwensig ist. Aber bei seiner Vision, die die notwendige Zuversicht vermitteln sollte, blieb er Rat- und Tatlos, ja noch nicht einmal mit einer Idee, wie er die spaltende FDP an die Kandarre nehmen möchte. Dass er mit Sprüchen wie Wumms und Doppelwumms nicht ankommen konnte in der derzeitigen Lage konnte er nicht kommen, das hatte ihm wohl jemand gesagt in seiner sonstigen Einsamkeit. Zogegeben_ Es hat derzeit keine Partei eine Vorstellung, wie eine klimaschonende Zukunft aussehen könnte und das bei einer zweifelnden Gesellschaft. Zu mächtig noch die Wirtschaftslobby, an die sich alle klammern, weil sie Wohlstand und Untergang gleichzeitig veranlasst hat. Nur auf der Osterinsel hatte bisher so etwas wie ein Degrowth-Kommunismus, also die Abkehr von Markt und Kapitalismus eine Chance, als Alternative zu einer sonst drohenden Barbarei der Stärksten (Kohei Saito, Systemsturz). Es geht um viel mehr, wenn wir überleben wollen.

  • Erschreckend ist zum einen die scheinbare Inkompetenz des Finanzministers, gepaart mit einer gewissen Dreistigkeit der FDP-Vertreter*innen.

    Bedauerlich ist, dass es SPD und Grüne zulassen, dass sich alle an ihnen abarbeiten, ohne dass die FDP als dauernder Störfaktor und Bremser benannt wird.



    Das Schönreden und Vorgaukeln von Harmonie und Handlungsfähigkeit schadet letztendlich der Glaubwürdigkeit der gesamten Regierung.

    Möglicherweise wäre da eine rot/grüne Minderheitsregierung (mit Duldung durch die Linke) handlungsfähiger gewesen. (Man wird doch wohl mal träumen dürfen...)

    Dass es durchaus Lösungen aus der aktuellen Finanzklemme gibt, ohne im Sozial- , Umwelt- oder Wirtschaftsförderungsbereich zu kürzen , ist ja nun wirklich kein Geheimnis.



    www.berliner-zeitu...gen-vor-li.2166584

    • @Bürger L.:

      aAuch nicht ohne, aber simmt schon (BZ). .. Man merkt einmal wieder, es ist nur Geld 💸, und Geld muss man verstehen. Dies scheitert schon bei der FDP, aber leider auch bei 70% der 83%, die mit der "Ampel" unzufrieden sind.

    • @Bürger L.:

      "Möglicherweise wäre da eine rot/grüne Minderheitsregierung (mit Duldung durch die Linke) handlungsfähiger gewesen. (Man wird doch wohl mal träumen dürfen...)"

      Das hätte doch gar nicht funktioniert? Selbst wenn die Linke dies geduldet hätte, hätte es ja nicht ausgereicht um eine Regierung zu bilden. Man brauchte zwingend einen aus CDU, FDP, AFD

      Da man eine rechte Partei zwingend brauchte, ist auch dir Kritik eher ruhig um diese Partei.

    • 6G
      697175 (Profil gelöscht)
      @Bürger L.:

      Ich bin weitgehend bei Ihnen, aber zwei Anmerkungen habe ich :



      1. erschrecken kann man ja nur über Unerwartetes



      2. "scheinbare" Inkompetenz ist vermutlich unzutreffend, "offenbare" kommt mir treffender vor

    • @Bürger L.:

      "Möglicherweise wäre da eine rot/grüne Minderheitsregierung (mit Duldung durch die Linke) handlungsfähiger gewesen. (Man wird doch wohl mal träumen dürfen...)":

      mmhh ... habe ich da etwas nicht mitbekommen? SPD haben 207 Sitze, Grüne haben 118 Sitze - zusammen 325 von 736 Sitzen.



      Klar - von einer geduldeten Minderheitsregierung kann man träumen. Dann muss aber die duldende dritte Partei die Möglichkeit haben Gesetze der Minderheitsregierung mehrheitsfähig zu machen. Das ist selbst mit den 38 Sitzen der alten Linkenfraktion nicht der Fall!

      Nach neuen Prognosen sieht das ganze dann gleich nochmal deutlich schlechter für diesen "Minderheitstraum" aus.



      Nach aktuellen Prognosen kommen SPD und Grüne zusammen gerade mal noch auf ca. 29%!

    • @Bürger L.:

      Es ist auch kein Geheimnis, daß das Budget für Soziales bei weitem am größten ist, nämlich 170 Mrd von insgesamt. 450 Mrd und daß die gesuchten 17 Mrd nur 3% von 450 Mrd. sind. Ich bin mir sicher, die BR findet was und Ihr Bashing der FDP erklärt auch, warum wir in PISA so abgerutscht sind.

      • @GregTheCrack:

        Auch wenn ich sicher vieles anders sehe als sie, danke ich ihnen für ihren freundlichen Kommentar.



        Für die Ergebnisse der aktuellen PISA-Studie bin ich nun aber wirklich nicht verantwortlich. Als ich vor sehr langer Zeit die Schule besuchte, stand der Name Pisa nur für eine Stadt in Italien.

  • Was werden die Sozis eigentlich fordern, wenn sie 100% Steuern + Abgaben bei 100% Sozialabgaben endlich realisiert haben?