Abschiebungen aus Pakistan: Missachteter Massenexodus
In Pakistan finden breite Protestaktionen gegen den Krieg im Gazastreifen statt. Die Abschiebungen afghanischer Flüchtlinge rührt die Herzen weniger.
W eltweit wird in diesen Wochen so viel demonstriert wie schon lange nicht mehr. Grund dafür ist das Massaker der Hamas in Israel und der Krieg im Gazastreifen. Eine der größten Massenvertreibungen der Gegenwart findet allerdings woanders statt – und erlebt fast keinerlei Aufmerksamkeit. Viele Menschen haben wahrscheinlich noch nie von dem Ort Torkham gehört.
An dem Grenzübergang zwischen Afghanistan und Pakistan herrschen seit Wochen dystopische Verhältnisse. Rund zwei Millionen afghanische Geflüchtete werden von Pakistan gezwungen, das Land zu verlassen. Die fadenscheinige Begründung: kollektiver Terrorverdacht. Dass dies ausgerechnet von Pakistan kommt, das jahrzehntelang militante Gruppierungen im Nachbarland unterstützt hat, allen voran die Taliban in den letzten zwanzig Jahren, ist purer Zynismus.
Hunderttausende Menschen wurden bereits nach Afghanistan abgeschoben. Sie mussten ohne ihr Hab und Gut gehen. Viele von ihnen kamen schon vor Jahrzehnten ins Land und kennen ihre afghanische Heimat kaum. In pakistanischen Großstädten, wo in diesen Tagen auch zahlreiche propalästinensische Proteste stattfinden, wurden afghanische Geflüchtete gejagt, eingesperrt und gefoltert. Greise und Kinder wurden von Polizisten oder anderen bewaffneten Gruppen niedergeknüppelt.
Der afghanische Massenexodus gehört jetzt schon zu den größten Vertreibungen der Gegenwart. Und trotzdem hält sich das internationale Interesse daran, gelinde gesagt, in Grenzen. Während viele Menschen in Pakistan für die Rechte von Palästinensern und Palästinenserinnen auf die Straße gehen, scheinen sie sich für die Repressalien des eigenen Staates kaum zu interessieren.
Dasselbe ist auch global und in mehrheitlich muslimischen Staaten zu beobachten. Der Fokus liegt fast überall auf Nahost. Dort scheinen die Ungerechtigkeiten einfach gestrickt zu sein, während die Emotionen hochkochen. Von diesem Narrativ profitieren auch repressive Regime wie das pakistanische. Der Geist von „Free Gaza“ gilt dort nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja