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Krise der DFB-ElfGeisterbahn bergab

Die Nationalmannschaft mag einfach nicht auf die Beine kommen. Die Stimmung um das Team ist mindestens so unterirdisch wie das deutsche Spiel.

Liebesaus: der deutsche Fanblock im Wiener Prater-Stadion nach dem Spiel gegen Österreich Foto: MIS/imago

Ein grauenhaftes Jahr liegt hinter der deutschen Fußball­nationalmannschaft der Männer. Im November des Vorjahres blamierten sich die besten deutschen Fußballer bei der Weltmeisterschaft in Katar. Wie schon 2018 beim Weltturnier in Russland sind die Deutschen nicht über die Vorrunde hinausgekommen. Es wurde viel gebastelt in den darauffolgenden Monaten. Nach der 0:2-Niederlage im Testspiel gegen Österreich ein Jahr später steht fest: Gebracht hat es nichts.

Die Horrorshow, die der deutsche Na­tionalmannschaftsfußball abliefert, läuft weiter. Das Land erlebt gerade den spektakulären Totalabsturz einer deutschen Marke in Echtzeit. Ob er vor der Europameisterschaft, die im kommenden Sommer in Deutschland stattfinden wird aufgehalten werden kann? Kaum einer würde in diesen Tagen darauf wetten.

Es gibt viele Versuche, den Zustand der DFB-Elf zu erklären. Sie alle, die sportlichen ebenso wie die gesellschaftlichen, können nichts ändern an der Ratlosigkeit, die in Fußballland herrscht. Wie es so weit kommen konnte, dass sich niemand mehr wundert, wenn eine österreichische Nationalmannschaft gegen die deutsche gewinnt, weiß am Ende keiner so ganz genau.

Eine 1:4-Niederlage gegen Japans Auswahl, deren Erfolg im WM-Gruppenspiel gegen die Deutschen das Jahr des Grauens für die DFB-Elf eingeläutet hatte, kostete Bundestrainer Hansi Flick im September den Job. Julian Nagelsmann, der juvenile, ehemalige Meistertrainer des FC Bayern München, wurde angeheuert. Der desaströse Jahresausklang der Nationalelf ist nun mit dessen Namen verbunden.

Zarte Hoffnung

Nach dessen ersten Spiel, einem 3:1-Erfolg im Oktober gegen die USA war fast so etwas wie Hoffnung auf Besserung aufgekeimt. Die ist schnell verflogen nach den jüngsten Pleiten gegen die Türkei und Österreich. Dabei hatte der DFB die Mannschaft doch explizit dazu aufgefordert, rechtzeitig vor der Heim-EM im kommenden Jahr für Euphorie zu sorgen.

Die sportlichen Erklärungsversuche für die Probleme der DFB-Elf haben sich seit der WM nicht wirklich geändert. Der Mannschaft fehlt die Stabilität. Auf der linken Verteidigungsseite fehlt eine Spitzenkraft, der Innenverteidigung mangelt es an Tempo, dem Sturm am Talent.

Dafür gibt es ein Überangebot von relativ begabten Spielern im Mittelfeld. Die spielen in ständig wechselnder Zusammensetzung neben- und hintereinander. Und keiner von ihnen kann sich sicher sein, dass er mal zwei Spiele hintereinander in der Startelf steht. Passt ein Leon Goretzka besser neben Kapitän İlkay Gündoğan als Joshua Kimmich? Diese Frage ist nun wirklich nicht neu.

Es gibt junge Spieler wie den Leverkusener Florian Wirtz, vor dessen Talent die ganze Welt in die Knie geht, oder den ebenfalls erst 20 Jahre alten Jung-Bayern Jamal Mu­sia­la, an dessen Fuß der Ball bisweilen zu kleben scheint. Doch kann man den jungen Burschen die ganze Verantwortung für die Rettung des deutschen Fußballs wirklich schon überhelfen? Oder braucht es nicht auch noch Typen wie Thomas Müller? Der gehört nun wieder zum Team, obwohl er schon einmal hochoffiziell aussortiert worden war.

Alte Probleme

Da hieß der Bundestrainer noch Joachim Löw, unter dessen Leitung die Deutschen bei der WM 2018 in der Vorrunde gescheitert sind. Schon damals wurden ähnliche Fragen gewälzt wie heute. Und wie heute konnte oder wollte sich keiner so recht erklären, wie es zum Desaster kommen konnte. Man war als Weltmeister ins Turnier gestartet – und dann das! Und so ist es kein Wunder, dass immer häufiger die Gründe für die sportliche Krise außerhalb des sportlichen Bereichs gesucht wurden.

Da war diese merkwürdige Nicht-WM-Stimmung zum Turnier in Katar. Die jahrelange Berichterstattung über die finstere Menschenrechtslage im homophoben Katar, die unmenschlichen Arbeitsbedingungen auf den Baustellen der WM-Stadien hatten viele kritische Fans dazu bewogen, einen privaten WM-Boykott zu vollziehen. Derweil versuchte der DFB das Image des deutschen Fußballs durch menschenrechtliches Engagement zu verbessern.

Eine bunte Kapitänsbinde mit einem Herzchen und der Aufschrift „One Love“, die der DFB-Kapitän als zartes Zeichen für Diversität auf den Platz tragen wollte, wurde von der Fifa nicht zugelassen. Die Binde war zum bestimmenden Thema der Berichterstattung vor dem WM-Start geworden. Und für die, die den andauernden Kulturkampf in Deutschland von rechts befeuern, war schnell klar, warum es nicht geklappt hat in Katar. Die Bindendiskussion war schuld.

Zu einem ähnlichen Ergebnis muss auch die Task Force gekommen sein, die der DFB nach dem WM-Desaster eingesetzt hat. Der Männergruppe um den Präsidenten von Borussia Dortmund Hans-Joachim Watzke, den früheren Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge, den ehemaligen DFB-Teamchef Rudi Völler, Bayern-Vorstandschef Oliver Kahn, Ex-DFB-Sportdirektor Matthias Sammer und den Ex-RB-Leipzig-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff fiel letztlich nicht viel mehr ein, als den Kapitän fürderhin mit einer Binde in den deutschen Nationalfarben auflaufen zu lassen.

Tugendwächter Völler

Rudi Völler wurde zudem als Direktor für die Nationalmannschaft ernannt und gibt seitdem den Erklärbären, der mal gegen das Gendern wettert, mal für „deutsche Tugenden“ auf dem Platz wirbt, was nun wirklich nicht die originellste Forderung ist. Geholfen haben all die Maßnahmen der Eingreiftruppe bislang sowieso nichts.

Auch Oliver Bierhoffs Rücktritt von seinem DFB-Direktorenposten nach der Katar-WM hatte keinerlei befreienden Effekt auf die Mannschaft. Der langjährige Manager der Natio­nalmannschaft hatte die DFB-Elf zu einer seelenlosen Marketing-Maschine ausgebaut. Das Branding der DFB-Auswahl als „Die Mannschaft“ war letztlich nicht mehr als eine peinliche Episode.

Doch sie hat beigetragen zu einer Entfremdung vieler Fußballfreunde von der Natio­nalmannschaft. Die wurde mit den Jahren vom DFB selbst in die Rolle von Werbeträgern gedrängt. Wer für ein Turnier Tickets kaufen wollte, musste zunächst Mitglied des offiziellen DFB-Fanklubs werden, der vor allem ein Werbevehikel für den DFB-Partner Coca-Cola ist.

All das trägt zu der merkwürdigen Stimmung bei, die die Nationalmannschaft bei ihren Auftritten begleitet. Zu der gehören auch die ermüdenden Debatten darüber, ob die Natio­nalspieler mit Migrationsgeschichte die deutsche Hymne auch ordentlich mitsingen. Es ist mehr als ein rassistischer Unterton, der bei diesem andauernden Infragestellen des Deutschtums etwa von İlkay Gündoğan mitschwingt.

Hier ist mindestens ebenso viel kaputt wie bei der Arbeit gegen den Ball im deutschen Spiel. Im sportlichen Misserfolg wird deutlich, dass es nicht weit her war mit der nach dem WM-Sieg 2014 so gern besungenen Liebe der Deutschen zu ihrem bunten Nationalteam. Auch das gehört zur Horrorshow, die da gerade rund um das DFB-Team aufgeführt wird.

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12 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Ich bin froh meine Arbeit als einer der 80 Millionen Bundestrainer wieder aufnehmen zu dürfen.



    Manchmal wundere ich mich wieso ich nicht schon früher konsultiert wurde. Aber gut. Ich werde meinem Land dienen wenn es mich ruft.



    Ohne Namen zu nennen werte ich es als fatales Zeichen einer Deutschen Nationalmannschaft die Eigenschaft und den Willen zur Verteidigung des eigenen Tores abzusprechen. Rüssmann, Förster, Vogts, Augenthaler, Schwarzenbeck, Lahm, Kohler, Beckenbauer, Brehme, Buchwald. Namen wie Donnerhall und beim Lesen der Aufstellung hatten der ein oder andere gegnerische Stürmer schon eine Bänderdehnung. Das schafft Respekt.



    Wir müssen zu unseren Jungs stehen.



    Respekt haben.



    Es ist völlig müssig über das Singen zu sprechen. Kicken ist angesagt. Die Null muß stehen. Als allererstes.



    Wichtig: Keine Frisör*Innen mehr in den Mannschaftshotels. Paul und Uli haben es uns vorgemacht. Brustpullover und Che Frisur und mit Mundgeruch auf den Platz. Blutgrätschen bis der Arzt kommt. Es gibt keine Laufduelle ausser wir haben den Ball. Alles andere wird verhindert. Wer vorbei will fällt.



    Mit Manuel und seinen Torwarthandschuhen der Größe 23 ist Schluß mit Gegentor.



    Ter Stegen, Trapp... wie hört sich das denn an? Wie Kargus, Golz, Aumann oder Bräutigam...



    Manuel wird es richten. Davor eine Fünferkette, Mittelfeld ohne Schönspieler und Pirouettendreher.



    Vorne der Knipser mit der Zahnlücke daneben Moukoko und Musiala mit Wirtz als Gestalter.

    Mein persönlicher Rat für Lau:



    Holt die Jungen aus der U21. Rooney hat mit 17 das erste Länderspiel gemacht.

    Habe fertig

  • Wenn man sich die letzte WM anschaut, Urlaub für Millionäre mit Vollpension + Frau und Kindern, da stören die lästigen Spiele ja nur den Aufenthalt am Pool. Dazu muss unser pleite gewirtschafteter DFB noch einen (unterirdischen) Film drehen lassen, damit er wenigstens das Hotel bezahlen kann. Wenn alles andere wichtiger ist als das Spiel braucht man sich über die Ergebnisse nicht zu wundern.

  • Ich glaube nicht, dass irgendwo Spitzenkräfte fehlen.



    50% des Erfolges eines Teams, mindestens 50% ist der Mannschaftsgeist. Das hat ja neulich erst eine Amateurmannschaft ganz ohne Spitzenkräfte bewiesen. Mit den Egomanen auf dem Platz fehlen nicht irgendwelche Spitzenkräfte, es fehlen, mit wenigen rühmlichen Ausnahmen, Menschen, die Teamgeist verstehen.

    Interessant auch, dass die tätliche Attacke, die zurecht mit Rot geahndet wurde, hier wie anderswo tot geschwiegen wird und neben der Frage, was für Leute da eigentlich auf internationaler Ebene unser Land repräsentieren dürfen, nicht mindestens ein anderes wesentliches Thema aufwirft:



    Was bitte ist das denn für ein Trainer, der nicht sofort eine solche Unsportlichkeit mit einem dauerhaften Rauswurf ahndet?

    Da kann man dann von mir aus über die Verbandsarbeit lamentieren, ich lege da mal die Organisationstruktur und personelle Besetzung der katholischen Kirche nah, sonst verstehe ich das in Relation nicht und freue mich auf den Artikel.



    Am Thema, warum diese Dösbaddeln spielen wie eine Amateurmannschaft geht's für mich jedenfalls vorbei. Charakterlosigkeit und motivationales Desinteresse wären da meine Themenvorschläge.

    • @Tripler Tobias:

      "Was bitte ist das denn für ein Trainer, der nicht sofort eine solche Unsportlichkeit mit einem dauerhaften Rauswurf ahndet?"

      Wegen ner dummen roten Karte in nem Freundschaftsspiel, einen Spieler, der vorher in seiner ganzen Karriere noch nie vom Platz geflogen ist, für immer rauswerfen? Kein Trainer der Welt würde das tun. Und keiner, der selbst Fußball gespielt hat, würde das fordern. Sané hat sich provozieren lassen, dafür hat er seine Strafe bekommen. Aber mehr gibt die Szene nicht her und mit dem schlechten Auftreten der Mannschaft seit rund 6 Jahren hat das auch überhaupt nichts zu tun.

      • @Deep South:

        Ein tätlicher Angriff ist keine "dumme rote Karte". Und in einem Freundschaftsspiel haben schwere Fouls nichts zu suchen.

        • @Tripler Tobias:

          Hör doch auf. Er hat seinen Gegner umgeschubst. Und der hat nicht von Ungefähr selbst Gelb in dieser Szene bekommen. Sané hat nicht geschlagen oder getreten und sich schon in der Pause dafür entschuldigt. Und solange das ein Ausrutscher bleibt, ist das etwas, das etlichen großen Fußballern schon passiert ist und wohl jeder Amateurkicker schon zig mal gesehen hat. Solche Szenen passieren auf dem Platz. Dafür gibts zurecht ne rote Karte und 2 Spiele Sperre und ne vielleicht ne interne Geldstrafe. Aber mir ist kein einziger Fall im Fußball bekannt, wo ein Trainer seinen Spieler wegen so einer Szene jemals aus der Mannschaft geschmissen hätte.

  • Ich weiss ja nicht, ob es vielen so geht: Ich finde dieses National-Gedöns um Fußball-EMs, WMs und dieses Olympische Big-Business in Nationalromantik verpackt angesichts der globalen Krisen der Menschheit völlig anachronistisch. Mir ist es völlig Wumpe, welcher Heinzi oder welche Helga gerade National-Trainer von welchem "Land" ist und wer am schnellsten die 100 oder sonstwas Meter läuft. Man kann sich auch mit echten Problemen auseinadersetzen und dafür Geld ausgeben!

    • @Matt Gekachelt:

      Eine Fußball EM ist günstiger als Opium für das Volk.

    • @Matt Gekachelt:

      Ja, man kann aber auch Krisen einfach Mal Krisen sein lassen und sich an Sport und internationalen Wettbewerben erfreuen. Das hat auch nichts mit Anachronismus zu tun sondern liegt einfach in der Natur des Menschen, sich mit seinesgleichen zu messen.in diesem Zusammenhang können 4 Wochen Meisterschaft schon sinnstiftend sein. Den Rest der Zeit kann man da ja wieder vorbildhaft moralinsauer sein :D

  • Ich frage mich wann endlich die offensichtliche Frage gestellt wird, wie eine Liga die im letzten Jahrzehnt derart vom FC Bayern München dominiert worden ist auch eine eingespielte Nationalmannschaft stellen kann.



    In der Nationalmannschaft gibt es bis auf die Bayern Spieler keine eingespielten Paarungen, es wird seit 5 Jahren ständig hin und her experimentiert ohne das es eine Kernmannschaft gibt. Spieler die im Ausland spielen wurden jahrelang benachteiligt und Spieler des FCB wurden bevorzugt gegenüber formstärkeren Spielern. Etc. pp.



    Das ganze stinkt zu sehr nach Politik und Funktionärsgehabe als an eine Organisation die das sportliche und den Teamgeist ganz nach oben stellt. Die Verantwortung trägt einzig und allein der DFB.

    • @shalomsalamx:

      Gute Spieler haben wir genug. Eine Mannschaft daraus zu formen ist die Kunst.

  • Das letzte für mich wirklich "greifbare" Nationalteam spielte während der WM 1990. Was danach kam, ob mit WM-Titel oder nicht, war Nebensache.