Bundesweite Frauenhaus-Statistik: Jede vierte muss selbst bezahlen

In Deutschland fehlen rund 14.000 Frauenhaus-Plätze. Zudem sind die Kosten und die oft prekäre Situation gewaltbetroffener Personen hohe Hürden.

Ein Frau steht im Treppenhaus eines Frauenhauses

Bisher hat die Regierung ihre Versprechungen des Koalitionsvertrags nicht eingehalten Foto: Kokoska/Funke Foto Services/imago

BERLIN taz | Jede vierte Frau im Frauenhaus musste im vergangenen Jahr für ihren Aufenthalt anteilig oder vollständig bezahlen. Das ergibt eine Erhebung der Frauenhauskoordinierung e. V. (FHK), die die Daten von 179 Frauenhäusern auswertete. „Die seit Jahrzehnten prekäre und uneinheitliche Finanzierung von Frauenhäusern führt dazu, dass viele Frauen ihren eigenen Schutz selbst zahlen müssen oder gar keinen Zugang erhalten“, so Christiane Völz, Vorstandsvorsitzende der Dachorganisation Frauenhauskoordinierung.

Je nach Region müssen Frauen ohne Sozialleistungsansprüche laut FHK pro Tag zehn bis 150 Euro für ihren Aufenthalt bezahlen. Dies gelte beispielsweise auch für Studierende ohne Sozialleistungsansprüche. „Für diese Gruppe von Frauen können diese Finanzierungsregeln eine weitere Hürde für Schutz und Unterstützung im Frauenhaus darstellen“, heißt es in der Auswertung des FHK. Der Verein fordert eine „vollständige Kostenübernahme des Gewaltschutzes“.

Die Einkommenssituation der Frauen vor dem Frauenhausaufenthalt lässt sich laut FHK mehrheitlich als prekär beschreiben: „Ein eigenes Einkommen besaßen vor dem Frauenhausaufenthalt nur etwa ein Fünftel von ihnen.“ Die meisten von ihnen waren schon vor ihrem Aufenthalt armutsgefährdet. Der Aufenthalt im Frauenhaus könne allerdings dazu beitragen, die finanzielle Abhängigkeit von der_dem Partner_in zu beenden.

Fortbildung von Polizei und Justiz gefordert

Im vergangenen Jahr waren 6.444 Frauen und 7.460 Kinder in den 179 Frauenhäusern untergebracht. Laut Hochrechnung der FHK sind das etwa 14.400 Frauen und 16.670 Kinder in den insgesamt 400 Frauenhäusern in Deutschland. 49 Prozent der befragten Frauen erstatteten laut FHK weder zivil- noch strafrechtliche Anzeigen. Die Gründe dafür seien vielschichtig: fehlendes Vertrauen in die Justiz, persönliche wie taktische Erwägungen und fehlende Geldmittel gehören dazu. Die FHK fordert zentrale Anlaufstellen bei der Polizei und bei der Justiz auf, „konsequent und verpflichtend zu Partnerschaftsgewalt sowie Trauma-Sensibilisierung“ fortzubilden.

Des weiteren fehle es an Ressourcen für professionelle Sprachmittlung sowie einer Sensibilisierung für psychische Erkrankungen. Im Alltag würden dadurch oftmals Laien-Dolmetscher_innen einspringen und Suchterkrankungen stigmatisiert oder übersehen.

Über 14.000 Plätze fehlen

Die in Deutschland uneingeschränkt geltende Istanbul-Konvention sieht vor, dass pro 10.000 Einwohner_innen 2,5 Plätze im Frauenhaus bereitgestellt werden – für eine Frau sowie ihre Kinder. Es wären also insgesamt 21.100 Plätze nötig, allerdings sind derzeit nur 6.800 vorhanden. Es fehlen demnach 14.300 Plätze. Eine Recherche von Correctiv im Frühjahr diesen Jahres ergab, dass im Schnitt an 303 Tagen im vergangenen Jahr Frauenhäuser keine Kapazitäten für weitere Aufnahmen hätten.

„Wie viele Frauen aufgrund der zahlreichen Zugangshürden gar nicht erst den Weg ins Frauenhaus suchen oder abgewiesen werden müssen, wird statistisch nicht erfasst“, so Völz. Bei 40 Prozent der Bewohner_innen habe laut Völz vorab die Polizei eingegriffen, sodass die Polizei diese Fälle erfassen würde. „Das lässt im Gegenzug erahnen, wie viele gewaltbetroffene Frauen und Kinder in keiner offiziellen Statistik, weder bei Polizei noch Hilfesystem, sichtbar sind.“

Die derzeitige Bundesregierung hatte im Koalitionsvertrag festgehalten, dass „das Hilfesystem entsprechend bedarfsgerecht ausgebaut“ wird. Vereinbart wurde darin ebenfalls ein „bundeseinheitlicher Rechtsrahmen für eine verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern“. Derartiges ist bislang nicht geschehen.

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