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: Es ist nicht alles supergeil

Edeka will nicht mehr mit Kellogg’s-Produkten dealen, denn die sind einfach zu teuer und ohnehin als Nahrungsmittel völlig wertlos. Gute Sache, doch zum Robin Hood für Kunden macht das den Einzelhandelsriesen noch lange nicht

Von René Hamann

Das Entsetzen war groß: Meinte die Kindergartenleiterin das ernst? Montags sollte es Smacks geben? Für das Frühstück der Kleinkindgruppe?

Um ehrlich zu sein, habe ich selbst noch nie ein Produkt der Firma Kellogg’s gekauft. Beim fast täglichen Besuch bei meinem Edeka um die Ecke würde ich also gar nichts vermissen – Edeka hat mit viel Tamtam gerade die Produkte des Cornflakesriesen aussortiert, aus Gründen. Weil Kellogg’s einen Preisaufschlag von rund 45 Prozent, wie es heißt, verlangt hat und Edeka und andere Supermärkte inzwischen gerne in den Konflikt mit Markenherstellern gehen. Einerseits, weil Letztere der enorm gestiegenen Rohstoffpreise wegen ihre Preise exorbitant erhöht haben, was die Lebensmittelhändler nicht zu Unrecht als „Gierflation“ monieren; andererseits, weil Edeka und andere inzwischen verstärkt auf Eigenmarken setzen, die nicht mehr wie früher einfach Marken ohne Marken sind, also innen ist Omo, aber drauf steht „Ja!“. Sondern jetzt gilt eben: Können wir selbst, und zwar billiger.

Für Kunden wie mich ändert sich erst mal nichts. Die Bio-Fairtrade-Gesund-und-rund-Fraktion wird sich auch eher die Hände reiben. In Sachen Kellogg’s hat sie ja recht: Die Produkte sind zu teuer. Sie weisen viel zu hohe Salz-, Fett- und Zuckerwerte auf. In Sachen Ballast und Vitamine können sie nichts. Sie schmecken pappig, können nicht mal mit Babybrei mithalten und sind von der Konsistenz her so, dass der Magen seine Tätigkeit schon vorher einstellt, weil er denkt, er hätte das doch alles schon verdaut. Noch dazu, wie am Mittwoch in der FAZ zu lesen war, lösen hochlebensmitteltechnisch verarbeitete Produkte wie die von Kellogg’s auf Dauer Depressionen aus. Oder, laut anderen Quellen, sogar Krebs. Sie haben eben nichts, aber auch gar nichts mit echter Ernährung zu tun.

Also: Kellogg’s gibt es nicht mehr? Gut so, braucht man eh nicht. Und doch stellen sich hier Fragen. Erstens: Das Geile einer Sucht – das, was man Gewöhnungseffekt nennt. Seit Kleinkindgruppentagen ist man es gewohnt, Smacks auf den Teller zu bekommen, jedenfalls montags. Geht ja auch schnell, zweimal schütten, einmal die Smacks, dann die Milch dazu, fertig. Und jetzt nimmt der Dealer meines Vertrauens den Stoff aus dem Regal?! Darf der das?

Zweitens: der Klassismusvorwurf. Ich möchte mich gefälligst unterschichtig ernähren, solange ich will! Schon allein, um mich von der Bobo-Blase, in der ich mich bewege, ein wenig abzugrenzen. Und jetzt darf ich nicht mehr Kellogg’s? Was geht, Edeka??? Geh ich halt Lidl!

Und drittens, die Politik. Jetzt ist die korrupte Klöckner schon länger nicht mehr da, aber in Sachen Gesundheit und Ernährung tut sich politisch noch immer genau gar nichts. Ich soll zwar nicht mehr rauchen, durfte im ersten Lockdown nicht einmal auf einer Parkbank sitzen, aber Kellogg’s darf weiter für Übergewicht sorgen?

Am Ende relativiert sich vieles. Schließlich weiß man, dass Edeka auch nicht gerade ein Biomarkt außerhalb des Niedriglohnsektors ist. Sie tun auf gut – wollen sich sogar als „Robin Hood für die Kunden“ verkaufen – sind es aber auch nur, solange es opportun erscheint. Hinten heraus herrschen auch hier Verschwendung, Vermüllung, miese Arbeitsverhältnisse. Edeka wird zwar nicht zu den Discountern gezählt (Tochter Netto schon), aber die Grenzen sind da ohnehin fließend. Ob sie Kellogg’s im Sortiment führen oder nicht, macht im Grunde keinen großen Unterschied. Ihre Eigenmarkensmacks sind auch nicht gesünder.

Essen ist ein gesellschaftlich wichtiges Thema: Man kann sich vielleicht nicht gesund essen, krank essen aber schon. Händler dieser Welt, folgt Edeka! Weg mit Kellogg’s! Doch: So einfach läuft es leider nicht. Es wird ein bisschen verhandelt, am Ende steht Kellogg’s auch wieder da, wo es immer stand. Und wenn nicht, steht es beim Wettbewerber.

Als vor ein paar Monaten nirgendwo mehr Haribo-Sachen zu haben waren, aus denselben Gründen, musste ich hart schlucken. Bin dann auf eine Alternative ausgewichen. Auf Dauer war das aber nicht so das Wahre.

Dabei komme ich sogar aus der Katjes-Stadt.