piwik no script img

Politik in der KlimakriseDie EU-Komission fliegt Privatjet

Wie oft nutzen Kommissionschefin von der Leyen und ihr Team klimaschädliche Charterflüge? Dazu schweigt die EU-Kommission, trotz wiederholter Anfragen.

Steht nicht gerade für Transparenz: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Foto: Eloisa Lopez/reuters

Brüssel taz | Die EU-Kommission gerät wegen der Nutzung von Privatjets unter Druck. Das Europaparlament will wissen, wie oft Kommissionschefin Ursula von der Leyen und ihre 26 Kommissare die teuren und klimaschädlichen Charterflüge nutzen. Doch eine Anfrage der Linken-Fraktion hängt seit Monaten unbeantwortet in der Luft. Nun droht ein Eklat.

Flüge in Privatjets sorgen in Brüssel immer wieder für Schlagzeilen. Im April hatte das Magazin Politico enthüllt, dass EU-Ratspräsident Charles Michel mehrere Millionen Euro für gecharterte Flüge ausgegeben hat. Im Juni teilte die EU-Kommission dann mit, dass sie trotz der Klimakrise kein Verbot von Privatjets plane.

Nun erreicht der Skandal auch Kommissionschefin Ursula von der Leyen und ihre Behörde. Denn von der Leyens Team schiebt kritische Fragen auf die lange Bank. „Wie oft hat die EU-Kommission Privatjets genutzt. Und wie groß ist das entsprechende Budget?“ – das wollte der Linken-Politiker Martin Schirdewan bereits Ende 2022 wissen.

Doch die Antwort, die EU-Budgetkommissar Johannes Hahn fünf Monate später schickte, war unvollständig: Sie enthielt keine Details über die Flüge und keine Angaben zu den Kosten. Ein Affront, meint Schirdewan, der als Co-Vorsitzender die Linken-Fraktion im EU-Parlament leitet.

Was ist aus von der Leyens „Green Deal“ geworden?

Auch die Chefin des Haushaltskontrollausschusses, Monika Hohlmeier (CSU), sieht Klärungsbedarf. Schließlich werden Flüge der Kommissare aus dem EU-Budget bezahlt. Sie hakte nach und drohte, den Streit zum Thema im Ausschuss zu machen. Doch eine Deadline, die das Parlament der EU-Kommission setzte, verstrich letzte Woche ohne Ergebnis.

Ursula von der Leyen und ihre Kommissare fliegen für einzelne Besprechungen durch ganz Europa, während die Mehrheit umweltbewusster leben und möglichst gar nicht mehr fliegen soll

Martin Schirdewan, Linken-Politiker

Nun herrscht dicke Luft in Brüssel. Von der Leyen muss sich auf unbequeme Fragen einstellen, wenn sie am Mittwoch vor dem Europaparlament ihre jährliche Rede zur Lage der EU hält. Es ist ihre letzte Ansprache in dieser Legislatur. Das Parlament will wissen, was aus dem „Green Deal“ und anderen großen Plänen geworden ist.

Schirdewan zieht eine kritische Bilanz: „Ursula von der Leyen und ihre Kommissare fliegen für einzelne Besprechungen durch ganz Europa, während die Mehrheit umweltbewusster leben und möglichst gar nicht mehr fliegen soll“, kritisiert er. Die Kommission predige Wasser, trinke selbst aber Wein.

Wie groß das Problem ist, lässt sich nur ahnen. Allein Ratspräsident Michel soll seit Beginn seiner Amtszeit 2019 bis Ende 2022 nicht weniger als 72-mal in gecharterten Maschinen geflogen sein. Bei den 27 EU-Kommissaren dürften die Zahlen noch höher sein.

Mangelnde Transparenz der EU-Kommission

Schriftliche Anfragen von EU-Abgeordneten müssen normalerweise nach sechs, bei dringenden Fragen sogar schon nach drei Wochen beantwortet werden. Doch von der Leyens Team hält diese Regel kaum je ein.

Nicht nur Schirdewans Frage wurde auf die lange Bank geschoben. Abgeordnete aller Parteien klagen darüber, dass ihre Anfragen nicht oder verspätet beantwortet werden. Auch die EU-Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly kritisiert immer wieder die mangelnde Transparenz der EU-Kommission unter von der Leyen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Die Bundesregierung, insbesondere die Außenministerium, fliegt ebenfalls größtenteils nicht mit Linienmaschinen. Vielleicht sollte der Artikel darauf hinweisen.

    • @Nachtsonne:

      die Aussenministerin musste neulich das Auto nehmen um von der IAA wieder nach Berlin zu kommen, weil in München alle Züge ausfielen...

      Es ist ja OK, bestimmte PolitikerInnen nicht zu mögen, sich deshalb Anschuldigungen auszudenken und zu verbreiten ist nicht OK.

    • @Nachtsonne:

      Das ist nicht korrekt: Gerade das Außenminiterium prüft immer sehr genau ob alternativ eine Zugfahrt oder ein Linienflug möglich ist:



      "In der Antwort schreibt Baerbocks Staatssekretärin Susanne Baumann, für Auslandsreisen habe die Ministerin dreimal Linienflüge genutzt, bei neun Auslandsreisen sei sie mit dem Zug gefahren. „Grundsätzlich werden vor jeder Nutzung der Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung zunächst emissionsärmere Reisemöglichkeiten wie die Nutzung von Zugverbindungen oder Linienflügen geprüft“, heißt es in der Antwort der Regierung. „Limitierender Faktor“ sei jedoch oft die enge Abfolge von Terminen."



      www.welt.de/politi...-Linienfluege.html

  • Das EU-Parlament hat die Macht über den Haushalt. Es muss nur mit Strafzahlungen drohen, z.B. für jede Woche Verspätung bei der Beantwortung wird das Budget für das jeweilige Kommisionsmitglied um 100.000€

  • Tatsache ist: die Natur belohnt Anstrengung - nicht Luxus - mit Glück.

  • Soviel zur Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit.



    Klimaschutz ist nicht für die obere Riege gedacht.

  • Danke für die Infos. Wichtiges Thema!

    Nachfragen könnte man auch, warum (gewerblich genutztes) Flugbenzin immer noch in der gesamten EU vollkommen von Energiesteuer und Mehrwertsteuer befreit ist.

  • Ich habe eine ernst gemeinte Frage.



    Wenn es ein Gesetz gibt das vorschreibt Anfragen nach 6 Wochen zu beantworten, und dem einfach nicht nachgekommen wird, gerade bei einer so einfachen Anfrage, ist das dann nicht eine Straftat?



    Also könnten die Kommissare, Präsidenten und so dafür belangt werden?

    Die wissen doch ganz genau wieviel geflogen wurde und was das Ganze gekostet hat, das ist eine Behörde da wird alles genau abgerechnet.

    • @Jesus:

      Sie möchten das aber nicht öffentlich machen.



      Sie geniessen doch auch Immunität oder? Das müssten sie ja dann gegenseitig aufheben. Unwahrscheinlich