Verbrennung von Corona-Masken: Wo Prävention nichts wert ist
In Deutschland werden 755 Millionen medizinische Masken verbrannt. Doch der eigentliche Skandal ist, dass Gesundheitsvorsorge hier kaum etwas zählt.
M askenverbrennung? Klingt fast wie eine Querdenkeraktion. Und erinnert daran, wie im Frühjahr, zum Ende der Maskenpflicht in medizinischen Einrichtungen, Pflegepersonal an mehreren Orten in Deutschland Schutzmaterial beinahe ritualhaft verbrannt hat. Also ausgerechnet die Leute, die sich um besonders vulnerable Menschen kümmern: Jede_r zweite Coronatote lebte in einer Pflegeeinrichtung.
Dieses Mal will – oder muss – nun der Bund mindestens 755 Millionen Masken verbrennen. Der Grund ist ein technischer, ihre Haltbarkeit ist abgelaufen. Das ist bitter, denn sie hätten nützlich sein können, lebensrettend nützlich. Vor allem die 95 Millionen FFP2-Masken, aber durchaus auch die 660 Millionen OP-Masken – vorausgesetzt, man hätte sie getragen.
Dieses „hätte“ ist symbolisch für die deutsche Gesundheitspolitik. Die Mittel zur Prävention sind vorhanden, allein der Wille fehlt, sie zu einzusetzen. Ob Masken, Tests, Impfungen oder Luftfilter, die in Klassenzimmern stehen, aber nicht angeschaltet werden dürfen. Einwandfreie Masken wurden nicht an Bedürftige gegeben, obwohl die Pandemie tobte. Sie global gerechter zu verteilen war offenbar auch nicht drin. Deutschland hamstert lieber.
Da die nun abgelaufenen Masken wegen des Plastikanteils nicht verrotten, sollen sie verbrannt werden. „Energetisch verwertet“, wie das Gesundheitsministerium es nennt. Das wird Millionen kosten. Diese Verschwendung wird nun kritisiert, und nur ein Teil der Empörung kommt von denen, die von Schutzmaßnahmen eh nichts halten. Bereits 2021 wurde das damals von Jens Spahn geleitete Ministerium vom Bundesrechnungshof gerügt. Es hatte zu viel, zu unkoordiniert, zu teuer und teils schlechte Qualität eingekauft. Etliche Unionspolitiker_innen haben zudem sich und ihr Umfeld mit „Maskendeals“ bereichert.
Klar ist es im Zweifel besser, wenn zu viel Schutzmaterial da ist als zu wenig. Und selbstverständlich sollte die Regierung keine schlechten Masken verteilen, auch nicht ins Ausland. Nutzer_innen müssen sich auf die angegebene Filterwirkung verlassen können. Der Herstellerverband erklärt es gegenüber dem WDR so: Weil die elektrostatische Ladung des Filtermaterials der Masken mit der Zeit nachlasse, werde auch die Filterwirkung schwächer. Für den Privatgebrauch seien die meisten Masken aber auch nach Ablauf des Verfallsdatums weiterhin wirksam genug, sagt Professor Christopher Niehues von der FH Münster.
Und Gebrauchsanlässe gibt es ja noch immer – eigentlich. Dass aber selbst U-Bahn-Huster oder Krankenhausbesucherinnen keine Masken tragen wollen oder sollen, ist das eigentliche Problem. Denn Covid ist nicht verschwunden – und auch nicht die einzige ansteckende Krankheit. Prävention ist weiterhin das einzige echte Mittel, um Long Covid zu verhindern. Die von Long Covid schwer betroffene Podcasterin Visa Vie sagte zum Ende der Maskenpflicht in medizinischen Einrichtungen: „Menschen mit Vorerkrankungen aller Art gehen da hin, um das, was von ihrer Gesundheit noch übrig ist, zu schützen. Und die müssen gerade Gefahr laufen, da noch kränker wieder rauszukommen.“
Das Tragische ist daher nicht, dass genau jetzt diese 755 Millionen Masken verbrannt werden. Es sind die Versäumnisse dahinter. Deutschland lässt Vorsorge selbst in den empfindlichsten Bereichen schleifen. Wer sich schützen will, ist auf sich allein gestellt. Auch wer andere schützen will, aber die Mittel nicht hat, bekommt keine Angebote. Und die Masken? Warten derweil darauf, in Flammen aufzugehen. Das ist dann nur konsequent.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Steinmeiers Griechenland-Reise
Deutscher Starrsinn
Orbán und Schröder in Wien
Gäste zum Gruseln
Serpil Temiz-Unvar
„Seine Angriffe werden weitergehen“
Rechtsruck in den Niederlanden
„Wilders drückt der Regierung spürbar seinen Stempel auf“
Koalitionsverhandlungen in Potsdam
Bündnis fossiles Brandenburg
VW in der Krise
Schlicht nicht wettbewerbsfähig