BGH-Urteil im Dieselskandal: Hersteller wird es kaum treffen
Zwar haben Autokäufer nun Anspruch auf Schadensersatz. Doch der wird die Hersteller nicht zum Umdenken bringen. Das könnte nur der Vertrauensverlust.
E in wegweisendes Urteil hat der Bundesgerichtshof gesprochen: Wer ein Dieselfahrzeug fährt, dessen Motorsoftware die Abgasreinigung unzulässig abschaltet, hat grundsätzlich Anspruch auf Schadenersatz. Das sollte, möchte man meinen, selbstverständlich sein. War es aber nicht unbedingt. Mit dem Urteil ändern die Richter auch endlich ihre grundsätzliche Linie – zugunsten der Autobesitzer – auf Druck des Europäischen Gerichtshofs.
Jahrelang wurschtelten sich einige deutsche Autohersteller durch, letztlich mit Hilfe der Justiz. In Dieselmotoren bauten sie Abschalteinrichtungen ein, die nicht den EU-Regeln entsprachen. Die Hersteller konnten darauf setzen, dass deutsche Gerichte Klagen von Autofahrern abweisen, die ein solch fehlerhaftes Fahrzeug gekauft hatten.
Die rechtliche Grenze für Schadenersatz verlief zwischen fahrlässigem Handeln und bewusst sittenwidriger Täuschung. Wichtige juristische Feinheiten, die nichts daran änderten, dass eine Abschalteinrichtung unzulässig ist, aber die Hersteller vor Zahlungen schützten. Bereits im März hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, dass auch fahrlässiges Handeln Schadenersatz rechtfertigt.
Das gilt jetzt auch in Deutschland: Der Bundesgerichtshof legte gleich eine Spanne von 5 bis 15 Prozent des Kaufpreises fest. Das vereinfacht die noch ausstehenden Prozesse. Die Autohersteller müssen sich auf Kosten in sicher zweistelliger Millionenhöhe einstellen. Angesichts der Milliardengewinne werden etwa VW und Mercedes das sicher verschmerzen können. Zum Umdenken wird es sie eher nicht erziehen.
Viel schwerer wiegt der Vertrauensverlust. Denn die Autohersteller haben offenbar aus dem Dieselskandal mit manipulierten Motoren, der 2015 VW erschütterte, kaum etwas gelernt. Statt in der Folge sehr saubere Diesel zu bauen, haben einige in der Industrie weiter bei der Motorsoftware getrickst. Offenbar wog kurzfristiger Profit schwerer als langfristig bessere Luft. Ändert sich diese Haltung nicht, bekommen die Hersteller bald richtige Schwierigkeiten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers