Orientierungslosigkeit im Norden

Greifswald stimmt mit einem Bür­ge­r*in­nen­be­geh­ren gegen Containerdörfer für Geflüchtete. Die lokale CDU machte sich dort mit dem Anliegen von Rechten gemein und stimmte gegen ihren eigenen Landrat

Von Moritz Müllender

Im Norden hat das progressive Greifswald einen herben Rückschlag erlitten. Ein Bür­ge­r*in­nen­ent­scheid ergab dort am Sonntag, dass die Stadt dem Landkreis keine kommunalen Flächen für die Aufstellung von Containern für die Unterbringung von Geflüchteten verpachten darf. 65 Prozent stimmten gegen die entsprechende Flächennutzung, insgesamt gaben 45 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. CDU, AfD sowie die Initiatoren des Bür­ge­r*in­nen­ent­scheids stilisierten die Abstimmung als grundsätzliches Veto gegen die Unterbringung von Geflüchteten.

Nun stehen der ebenfalls CDU-regierte Landkreis und die grün-linke Ratsmehrheit in der Stadt vor der Frage, wo die Menschen untergebracht werden können – denn dass die Plätze in der Stadt benötigt werden, stand nie zur Debatte. Die drei Initiatoren des Bür­ge­r*in­nen­be­geh­rens bewarben ihr Anliegen im rechtsextremen Compact-Magazin. Einer von ihnen äußerte sich online antisemitisch, antidemokratisch und verschwörungsideologisch.

Der CDU-Fraktionschef aus der Greifswalder Bürgerschaft hatte in der Unterstützung der Abstimmung keine Zusammenarbeit mit Antidemokraten gesehen. Gegenüber der taz hatte Axel Hochschild angegeben, er wisse nichts von etwaigen Aussagen der Initiatoren. Eine andere CDUlerin bedankte sich bei einer Anhörung öffentlich bei den Initiatoren. Hochschild erwog auch explizit, in Zukunft AfD-Anträge zu unterstützen.

Gregor Kochhan hat sich mit der Initiative „Greifswald für alle“ für ein „Ja“ zu den Unterkünften eingesetzt. Ihn beschäftigt, dass über die Hälfte der Wahlberechtigten nicht abgestimmt hat. „Viele Leute scheint das Thema einfach nicht zu interessieren“, sagt Kochhan der taz. Man müsse aber festhalten, dass der Entscheid nichts damit zu tun habe, ob Geflüchtete in die Stadt kommen. „Jetzt befürchte ich, dass die Menschen in Turnhallen oder Zelten unterkommen müssen, da wären Container noch besser“, sagt Kochhan. Paradoxerweise hatten die rechten Initiatoren gegen eine Belegung von Turnhallen Stimmung gemacht – das Ergebnis des Bür­ge­r*in­nen­ent­scheids könnte nun genau dazu führen.

Der Greifswalder Bürgerentscheid wirft auch deshalb Fragen auf, weil sich die CDU in der städtischen Bürgerschaft mit ihrem Votum gegen den ebenfalls von der Union regierten Landkreis gestellt hat. Der CDU-Landrat des Kreises Vorpommern-Greifswald, Michael Sack, erklärte auf Anfrage, der Landkreis werde weiterhin die Pflicht haben, die durch das Land zugewiesenen Flüchtlinge unterzubringen. „Wie das Problem der Unterbringung gelöst werden kann, bleibt weiterhin offen“, so Sack. „Es werden ergebnisoffen andere Möglichkeiten für eine Unterbringung gesucht werden müssen.“

Zu der Frage, wie er das Vorgehen der CDU im Stadtparlament bewerte, die gegen die Flächenzuweisung mobilisiert hatte, wollte sich Sack nicht äußern.

Im Greifswalder Stadtparlament haben Grüne und Linke mit einem Sitz eine knappe Mehrheit. Die Grünen wollen sich nun verstärkt für eine dezentrale Unterbringung der Menschen in Wohnungen einsetzen.

Anne Wolf von der Initiative „Greifswald für alle“ sagte der taz: „Wir werden weiter daran arbeiten, die Stadt so weltoffen zu machen, wie sie es eigentlich auch ist.“