Gericht stoppt Hotelbau in Flensburg: Baustopp im Bahnhofswald

Umweltverbände und eine Bürgerinitiative sind vor Gericht gegen Hotel-Investoren und die Stadt Flensburg erfolgreich. Hauptverhandlung steht noch aus.

Polizisten und Demonstranten stehen vor dem abgesperrten Bahnhofswald in Flensburg

Protest vor und hinter dem Zaun: Bahnhofswald Flensburg Foto: Benjamin Noltel/dpa

RENDSBURG taz | Der Bau eines Hotels mit Parkhaus nahe am Flensburger Bahnhof ist zunächst gestoppt: Das Oberverwaltungsgericht in Schleswig gibt einer Klage mehrerer Umweltschutzverbände und einer örtlichen Bürgerinitiative recht. Denn der Neubau würde ein innerstädtisches Wäldchen mit einer Quelle gefährden – um dieses Biotop zu erhalten, hatten Ak­ti­vis­t*in­nen im Herbst 2020 das Gelände besetzt. Ob das Grundstück dauerhaft unbebaut bleibt, muss ein Hauptverfahren entscheiden.

„Nach umfänglicher Prüfung teilt das Gericht die natur- und artenschutzrechtlichen Bedenken der Kläger“, heißt es in einer Mitteilung des Oberverwaltungsgerichts. „Durchgreifende Zweifel“ bestünden insbesondere an der Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans der Stadt.

Geklagt hatte der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), unterstützt vom Naturschutzbund Nabu und der Bürgerinitiative Bahnhofsviertel. Sie hatten auf Quellen direkt neben der geplanten Baugrube sowie auf schützenswerte Vogel- und Fledermausarten in dem Stadtwäldchen hingewiesen.

Nun stellt das Gericht in Schleswig fest, dass die Baugenehmigung der Stadt „voraussichtlich gegen den gesetzlichen Biotopschutz verstoße“: Dem Hinweis auf die Quellen sei nicht ausreichend nachgegangen worden, und es fehle an ausreichenden Schutzvorkehrungen im Interesse des Artenschutzes.

140 Jahre alter Baumbestand

„Mehr geht kaum“, freut sich Ole Eggers, Geschäftsführer des BUND Schleswig-Holstein. „Richtungsweisend“ sei das Urteil, das eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom Sommer 2022 wiederholt. Die Naturschutz-Organisationen hatten damals auf einen einstweiligen Baustopp geklagt.

Damit wollten sie verhindern, dass die Investoren – die Flensburger Jara-Immobilien – hinter der die örtlichen Unternehmen Jan Duschkewitz und Ralf Hansen stehen, auf dem Gelände weitere Bäume fällen lassen und beginnen, die Baugrube auszuheben.

Eine endgültige Gerichtsentscheidung darüber, ob ein Hotelbau auf dem Gelände grundsätzlich zulässig ist, steht noch aus. Doch nach dem jetzigen Urteil, das „unsere Rechtszweifel vollumfänglich aufgenommen hat, sehen wir dem anstehenden Hauptverfahren nun mit einer gewissen Gelassenheit entgegen“, sagt Ole Eggers.

Der Streit um das Grundstück mit seinem rund 140 Jahre alten Baumbestand dauert bereits mehrere Jahre. Die Stadtverwaltung und eine Mehrheit der Ratsversammlung erhofft sich von dem Bau positive Effekte, unter anderem für die Verkehrswende – schließlich könnten dank des Parkhauses mehr Pend­le­r*in­nen in die Bahn umsteigen. Geplant ist ein Haus der Kette „Intercity Hotels“, die zur Deutschen Hospitality gehört, die wiederum Teil der chinesischen Huazhu Group ist.

Im Herbst 2020 besetzten Aktivisten das Wäldchen

und harrten in Baumhäusern aus

Eigentlich war die Eröffnung des Flensburger Hauses mit 152 Zimmern für 2020 geplant. Doch Gegner*innen, darunter die Mitglieder der BI Bahnhofsviertel, wiesen auf die Bedeutung des innerstädtischen Wäldchens für das Mikroklima, als Feinstaubfilter und Rückzugsort für Tiere hin. So besetzten im Herbst 2020 Ak­ti­vis­t*in­nen das Wäldchen und harrten in Baumhäusern auf dem Gelände aus. Im Februar ließen die Investoren ohne Genehmigung einen Bautrupp anrücken, erste Bäume wurden gefällt.

Zu diesem Zeitpunkt hatte der BUND bereits eine Klage eingereicht. Trotzdem „begann der Projektträger Jara Immobilien illegalerweise mit massiven Erdarbeiten“, erinnert sich Ole Eggers. Um weitere Maßnahmen zu stoppen, wandte sich der Umweltschutzverband ans Verwaltungsgericht. Das gab der Klage recht. Stadt und Jara legten Beschwerde ein. Diese hat nun das OVG abgewiesen.

Wie es weitergeht, ist noch unklar. Ein Sprecher der Stadt Flensburg teilt auf Anfrage mit, dass die Kommune zunächst mit den Investoren abklären will, „welche Pläne diese auf den betroffenen Flächen verfolgen“. Die Kritik an ihrer Bauleitplanung weist die Verwaltung zurück: „Der gesamte Planungsprozess erfolgte mit durchgehender fachlicher Beratung durch anerkannte Gutachter und in Abstimmung mit den zuständigen Landesbehörden.“

Christiane Schmitz-Strempel und Günter Strempel von der Bürgerinitiative Bahnhofsviertel hoffen, dass die Baupläne eingestampft werden. Sie möchten, dass „die Stadt Flensburg wirkungsvolle Maßnahmen ergreift, um das Quellgebiet und den ehemaligen Bach zu renaturieren und den für die Stadt so notwendigen Biotopverbund zu sichern“. Erleichtert ist die BI darüber, „dass nach den vielen Jahren Widerstands endlich auch gerichtlich Klarheit über die große Bedeutung des Biotops geschaffen wurde“.

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