+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Balten empört über China
In einem Interview stellt Chinas Botschafter die Souveränität von Estland, Lettland und Litauen infrage. „Inakzeptabel“, finden es die drei Staaten.
Baltenstaaten fordern Erklärung
Die baltischen Staaten haben mit Empörung auf Äußerungen des chinesischen Botschafters in Frankreich reagiert, wonach Ex-Sowjetrepubliken nicht notwendigerweise souverän seien. Wegen der „völlig inakzeptablen“ Bemerkungen habe er für Montag den Geschäftsträger der chinesischen Botschaft in Riga einbestellt, teilte Lettlands Außenminister Edgars Rinkevics am Samstagabend auf Twitter mit. Dieser Schritt sei mit Litauen und Estland abgestimmt. „Wir erwarten von chinesischer Seite eine Erklärung und eine vollständige Rücknahme dieser Aussage“, schrieb der Chefdiplomat des baltischen EU- und Nato-Land weiter.
In einem Interview im französischen Fernsehen hatte der chinesische Botschafter Lu Shaye zuvor die Souveränität von Staaten in Frage gestellt, die einst der Teil Sowjetunion waren. Auf die Frage, ob die Krim zur Ukraine gehöre, sagte der Diplomat, es hänge alles davon ab, wie man dieses Problem betrachte. Einer Intervention des Moderators, dass die von Russland seit 2014 besetzte Schwarzmeer-Halbinsel völkerrechtlich ein Teil der Ukraine sei, entgegnete Shaye: „Im Völkerrecht haben selbst diese Länder der ehemaligen Sowjetunion keinen effektiven Status, weil es kein internationales Abkommen gibt, um ihren Status als souveränes Land zu konkretisieren.“
„Die Äußerungen des chinesischen Diplomaten sind unverständlich, und wir verurteilen solche Äußerungen gegenüber einem unabhängigen und souveränen Land“, sagte Estlands Außenminister Margus Tsahkna. Sein litauischer Amtskollege Gabrielius Landsbergis schrieb auf Twitter über einen Mitschnitt des Interviews: „Sollte sich immer noch jemand fragen, warum die baltischen Staaten China nicht vertrauen, ‚Frieden in der Ukraine zu vermitteln‘, hier ist ein chinesischer Botschafter, der argumentiert, dass die Krim russisch ist und die Grenzen unserer Länder keine rechtliche Grundlage haben.“ (dpa)
Ukrainische Truppen in Cherson auf linkem Dnipro-Ufer
Die ukrainischen Truppen sind nach Analysen westlicher Experten im teilweise befreiten Gebiet Cherson nun auch auf die bisher von russischen Besatzern kontrollierte Uferseite des Flusses Dnipro vorgestoßen. Aus veröffentlichten Geodaten und Texten russischer Militärblogger gehe hervor, dass die ukrainischen Streitkräfte Positionen am linken oder Ostufer im Gebiet Cherson eingenommen hätten, teilte das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) mit. Unklar seien aber das Ausmaß und die Ziele dieser erstmals so registrierten Erfolge der Ukrainer.
Bei einer ukrainischen Offensive im Herbst hatten sich die russischen Militärs aus der Gebietshauptstadt Cherson und Teilen der Region komplett vom Westufer des Dnipro zurückgezogen. Ziel war es gewesen, einen Vorstoß der ukrainischen Truppen auf die andere Uferseite zu verhindern. Die neue Entwicklung würde auf einen Kontrollverlust der russischen Einheiten in der Region hinweisen. Demnach könnten sich die russischen Besatzer nur noch auf Städte konzentrieren. (dpa)
Großbritannien: Russland wirbt um „echte Männer“
Auf der Suche nach Freiwilligen für das Militär appelliert Russland nach Angaben der britischen Regierung an die „Männlichkeit“ möglicher Rekruten. Das Verteidigungsministerium in Moskau werbe mit einer allgegenwärtigen Kampagne in den sozialen Netzwerken sowie auf Werbetafeln und im Fernsehen um Freiwillige, teilte das britische Verteidigungsministerium am Sonntag in seinem regelmäßigen Geheimdienst-Update auf Twitter mit. Die neuen Anzeigen sprechen demnach den „maskulinen Stolz“ potenzieller Rekruten und „echte Männer“ an. Auch die finanziellen Vorteile einer Rekrutierung würden herausgestellt. (dpa)
G7 fordert Verlängerung von Getreideabkommen
Die Agrarminister der sieben führenden Industrienationen (G7) fordern die Verlängerung, vollständige Umsetzung und Ausweitung eines Abkommens über den Export ukrainischen Getreides durch das Schwarze Meer. „Wir verurteilen die Versuche Russlands, Nahrungsmittel als Mittel zur Destabilisierung und als geopolitisches Zwangsmittel einzusetzen und bekräftigen unsere Verpflichtung, solidarisch zu handeln und diejenigen zu unterstützen, die am meisten davon betroffen sind, dass Russland Nahrungsmittel als Waffe einsetzt“, heißt es in einer am Sonntag veröffentlichten Mitteilung, die nach einem zweitägigen Treffen der Minister im japanischen Miyazaki verfasst wurde.
Russland hatte nachdrücklich signalisiert, dass es eine Fortsetzung des Abkommens über den 18. Mai hinaus nicht zulassen will. Der russische Außenminister Sergei Lawrow wird kommende Woche in New York mit UN-Generalsekretär Antonio Guterres über das ukrainische Getreideexportgeschäft im Schwarzen Meer sprechen. (rtr)
Ukraine will das Zehnfache an Militärhilfe
Die Ukraine fordert im Kampf gegen die russische Invasion eine Verzehnfachung der westlichen Militärhilfe und härtere Sanktionen. „Wir sind unseren Verbündeten dankbar für ihre militärische Hilfe. Aber das ist nicht genug“, schrieb Vizeaußenminister Andrij Melnyk am Samstag auf Twitter. „Die Ukraine braucht zehnmal mehr, um die russische Aggression dieses Jahr zu beenden.“ Bisher hätten alle Verbündeten zusammen 55 Milliarden US-Dollar (50 Milliarden Euro) bereitgestellt. Es brauche aber das Zehnfache, betonte der Diplomat, der lange Botschafter in Deutschland gewesen war.
Vizeaußenminister Melnyk meinte, die Partner im Westen sollten endlich aufhören, künstliche rote Linien für ihre Unterstützung zu ziehen. Vielmehr sollten sie ein Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Waffenlieferungen an die Ukraine ausgeben, verlangte er. Das wären allein im Fall von Deutschland mehr als 35 Milliarden Euro. Der ukrainische Diplomat meinte, verglichen mit dem Zweiten Weltkrieg seien die Beträge gering. „Die Verbündeten sollten das Ausmaß dieses Krieges begreifen“, sagte Melnyk, der zu dem Thema auch in einer ukrainischen Fernsehtalkshow auftrat. Zur Militärhilfe kommen die Milliardenzahlungen westlicher Länder hinzu, mit denen die Ukraine ihren Staatshaushalt aufrechterhält. (dpa)
Ukraine fordert härte Sanktionen
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski verlangte schärfere Strafmaßnahmen sowie eine Durchsetzung der bestehenden Sanktionen gegen Russland. „Je härter die Sanktionen gegen Russland und gegen die gesamte russische Kriegswirtschaft sind, desto schneller wird der Krieg enden“, sagte er in seiner täglich verbreiteten Videobotschaft. Dagegen behauptet Russland immer wieder, dass die Sanktionen unwirksam seien und weder den Krieg beenden noch die Wirtschaft der Rohstoffgroßmacht zerstören würden.
Selenski beklagte einmal mehr, dass Russland die im Zuge des Kriegs verhängten Sanktionen des Westens umgehe. Es sei eine zentrale Aufgabe der Weltgemeinschaft, das zu verhindern. Russland führt etwa viele Güter über Parallelimporte und Drittstaaten ein. Zudem verdient das Land trotz der Blockaden des Westens weiter Milliarden mit Öl- und Gasexporten und hält seine Kriegswirtschaft so am Laufen.
Selenski teilte mit, dass er neue Sanktionsdekrete unterzeichnet habe, um Russland und insbesondere dem militärisch-industriellen Komplex zu schaden. Details zur möglichen Wirkung dieser Schritte nannte er nicht. (dpa)
Brasilien fordert erneut Ukraine-Friedensgespräche
Dagegen setzte sich Brasiliens linker Präsident Luiz Inácio Lula da Silva bei einem Besuch in Europa weiter für Friedensgespräche ein. Während eines Staatsbesuchs in Portugal kritisierte er am Samstag zwar erneut die Verletzung der staatlichen Integrität der Ukraine durch Russland. Daraus leitete er jedoch keine Forderung nach einem Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine ab, sondern forderte Friedensgespräche.
Indirekt setzte Lula Angreifer und Angegriffene auf eine Stufe. „Russland will nicht aufhören, und die Ukraine will nicht aufhören“, zitierte ihn die staatliche portugiesische Nachrichtenagentur Lusa. Brasilien wolle mit Partnern Frieden zwischen Russland und der Ukraine ermöglichen. Details zu diesem Vorhaben nannte er nicht.
Lulas Gastgeber in Portugal, Präsident Marcelo Rebelo de Sousa, betonte die Differenzen beider Länder in der Kriegsfrage. Die Ukraine habe das Recht, sich zu verteidigen und ihr von Russland besetztes Territorium zu befreien, betonte er. Nur auf dieser Grundlage sei ein dauerhafter Frieden möglich. (dpa)
Zypern setzt Sanktionen gegen Russen um
Zypern, ein beliebter Anlaufpunkt von Russen in der Europäischen Union, setzt nach eigenen Angaben die Sanktionen des Westens wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine entschieden um. Der zyprische Finanzkommissar Pavlos Ioannou sagte am Samstag dem öffentlich-rechtlichen Sender CyBC, die Vermögen der betroffenen Menschen und Einrichtungen seien eingefroren worden.
Es geht um die Umsetzung von Sanktionen, die Großbritannien und die USA gegen 13 Finanziers verhängt hatten. Diese sollen russischen Oligarchen dabei geholfen haben, die wegen des Ukrainekriegs verhängten Sanktionen des Westens zu umgehen und ihre Finanzguthaben zu verschleiern. Bei den 13 Beschuldigten handelt es sich um Zyprer oder um Menschen, die sowohl die zyprische als auch die russische Staatsbürgerschaft haben. (afp)
Sohn von Kremlsprecher Peskow kämpfte in Ukraine
Der Sohn von Kremlsprecher Dmitri Peskow hat im russischen Krieg gegen die Ukraine nach Angaben der Privatarmee Wagner an der Seite von deren Söldnern gekämpft. Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin teilte am Samstag mit, dass sich Peskow selbst an ihn gewandt habe wegen des Kriegseinsatzes. Er riet dem Vertrauten von Kremlchef Wladimir Putin demnach, seinen Sohn nicht in die regulären Truppen des Verteidigungsministeriums zu schicken. Der Wagner-Chef kritisiert immer wieder die schlechte Ausrüstung und mangelhafte Ausbildung und Führung der Soldaten.
Peskows Sohn Nikolai Choles, der lange in Großbritannien lebte und einen anderen Namen angenommen hatte, sagte der Boulevardzeitung KP in Moskau, dass er gedient habe, weil er das als seine Pflicht angesehen habe. Die Zeitung veröffentlichte auch ein Foto des 33-Jährigen in Uniform. Er soll zudem einen Orden erhalten haben. Kritische Beobachter meinten, dass damit der angebliche Einsatz nicht bewiesen sei.
Peskows Sohn habe nach einer Ausbildung von drei Wochen unter falschem Namen als Artillerist im umkämpften Gebiet Luhansk gedient, sagte Prigoschin, der den Einsatz als vorbildlich lobte. Die Kinder der meisten Vertreter der russischen Elite drückten sich vor dem Kriegseinsatz. „Die Eltern verstecken sie“, klagte der 61-Jährige. Die Söhne würden an die Uni geschickt, wo sie freigestellt seien vom Dienst an der Waffe. Dagegen würden die Kinder von Arbeitern in dem Krieg sterben. (dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei