Untreue-Prozess gegen Hamburger Grünen: Ein schwer zu kontrollierender Chef

Zeugen haben den Ex-Fraktionschef der Grünen in Hamburg-Mitte belastet. Dem ehemaligen Lebensgefährten der Justizsenatorin wird Untreue vorgeworfen.

Michael Osterburg mit seinem Anwalt Nils Fock im Hamburger Landgericht

Ein Mann phantasievoller Spesenabrechnungen: Michael Osterburg (l.) mit seinem Anwalt Nils Fock Foto: Marcus Brandt/dpa

Hamburg taz | Der wegen angeblicher Untreue angeklagte ehemalige Fraktionsvorsitzende der Grünen im Hamburger Bezirk Mitte scheint ein schwieriger Chef gewesen zu sein. „Es herrschte eine angespannte Stimmung, weil man nie wusste, wann er aus der Haut fährt“, sagte die ehemalige Fraktionsgeschäftsführerin Nina Fabricius am zweiten Prozesstag vor dem Hamburger Landgericht.

Für Fabricius muss das besonders heikel gewesen sein, denn sie musste die bisweilen skurril anmutenden Quittungen des Fraktionschefs Michael Osterburg verbuchen. Dabei will sie ihn immer wieder auf Merkwürdigkeiten hingewiesen haben – meist ohne Erfolg.

Osterburg war einmal der Lebensgefährte der heutigen Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) und hat mit ihr zusammen ein Kind. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, in 121 Fällen Restaurantbesuche, Reisen, Versandhausbestellungen und auch die Kinderbetreuung zu Unrecht auf Kosten der Fraktion abgerechnet zu haben. Auch Gallina soll davon profitiert haben – nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft allerdings unwissentlich. Unter anderem gab es wohl rote Rosen zum Muttertag.

Der ehemalige Politiker hatte beim ersten Prozesstag eine Erklärung verlesen lassen, in der er einräumte, falsche Angaben auf den Bewirtungsbelegen und Abrechnungen gemacht zu haben. Dabei sei es aber darum gegangen, Personen zu schützen, die „nicht genannt werden sollten“, im wesentlichen „Tipp­geber“.

Harry-Potter-Umhang auf Fraktionskosten

Am zweiten Prozesstag schilderte Osterburgs Amtsnachfolger Manuel Muja, wie ihm und seinen Kollegen vom neuen Fraktionsvorstand im Juni 2019 die Unregelmäßigkeiten aufgefallen seien: Zunächst hätten da kaum Ersparnisse auf dem Fraktionskonto gelegen, sagte Muja. Dann sei die schiere Menge an Abrechnungsbelegen aufgefallen. Und schließlich fanden sich Bewirtungsbelege mit den Namen von Muja und Co., „wo wir sicher nicht teilgenommen hatten“, wie Muja aussagte.

Er und seine Kollegen hätten einen Anwalt eingeschaltet, Osterburg mit den Vorwürfen konfrontiert und das aus ihrer Sicht veruntreute Geld samt der noch brauchbaren Gegenstände zurückgefordert. Die Grünen-Fraktion habe Interesse gehabt, den Fall einvernehmlich beizulegen. „Ich habe nicht erwartet, dass es eine logische Erklärung gibt, aber dass man eine Erstattung an die Fraktion vorschlägt“, sagte Muja. Letztlich seien sich die beiden Parteien nicht über das Ausmaß des Schadens einig geworden.

Weil Osterburg die gefälschten Bewirtungsbelege und mindestens eine falsche Reisekostenabrechnung bereits eingeräumt hat, ging es bei der Verhandlung en détail darum, ob die von Osterburg beschafften Gegenstände der Fraktion oder ihm selbst zugute kamen. Das Bild, das sich nach den zwei ersten Zeugenaussagen und dem Vortrag der Staatsanwaltschaft ergibt, ist uneinheitlich: einige wohl ja, einige auch nicht.

Sie habe auf ihre Bitte hin einen neuen Rechner bekommen, sagte die ehemalige Fraktionsgeschäftsführerin Fabricius, und Osterburg einen Laptop, um in seiner Elternzeit von zu Hause arbeiten zu können. Dass ein Rechner gestohlen worden sei und ersetzt hätte werden müssen, davon habe sie nichts gehört.

Bei einem Harry-Potter-Umhang auf Fraktionskosten habe sie mit Osterburg nicht lange diskutieren müssen, sagte Fabricius. Anders sei es bei einer Spielekonsole gewesen, von der Osterburg vorgeschlagen habe, sie für den Aufenhaltsraum der Fraktion vorzuhalten. Fabricius’ Rückfragen liefen häufig ins Leere: „Wenn ich eine Erläuterung bekommen hatte, habe ich mich nicht in der Position gesehen, da zu widersprechen.“

Allerdings scheinen auch Osterburg selbst Bedenken zu seiner Abrechnungspraxis gekommen zu sein. Als eine Aufstellung zu den Fraktionsausgaben gemacht wurde, habe der Fraktionschef darum gebeten, den Posten „Bewirtungskosten Osterburg“ in „Bewirtungskosten“ umzubennen, sagte Fabricius.

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