Untreue-Prozess gegen Grünen in Hamburg: Der spendable Herr Osterburg

Vor dem Hamburger Landgericht muss sich der Ex-Vorsitzende der Grünen-Bezirksfraktion Mitte verantworten. Er soll Fraktionsgelder veruntreut haben.

Hummer

Verspeist auf Kosten des Steuerzahlers: Hummer Foto: Nigel Roddis/dpa

HAMBURG taz | Michael Osterburg schien ein umtriebiger Politiker zu sein. Dutzende Bewirtungsbelege, auf denen das Who-is-Who der Hamburger Landespolitik verzeichnet ist, reichte der damalige Fraktionschef der Grünen in der Bezirksversammlung Mitte zur Erstattung ein. Allein: Die angegebenen Gesprächspartner – Senatoren, Abgeordnete, hohe Beamte, Journalisten – waren frei erfunden. Das hat Osterburg am Mittwoch vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht eingeräumt – und es dabei zugleich relativiert: „Die Bewirtungen haben stattgefunden, aber nicht mit den genannten Personen sondern mit Tippgebern“, ließ Osterburg seinen Anwalt erklären.

Dem ehemaligen Grünen-Politiker wird vorgeworfen, seine Fraktion in den Jahren 2015 bis 2019 um 33.000 Euro erleichtert zu haben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm in 121 Fällen „gewerbsmäßige Untreue, teilweise in Tateinheit mit Betrug und Urkundenfälschung vor“. Dabei geht es nicht nur um Gaststättenbesuche, sondern auch um EDV-Technik, Gebrauchsgegengstände – vom Milchaufschäumer bis zum „Kinderkopfhörer pink-blau“ –, um Kinderbetreuung und sogar Knöllchen im Wert von 66,50 Euro.

Besonderes Interesse zieht der Fall auf sich, weil Osterburg damals mit der heutigen Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) liiert war und mit ihr ein Kind hat. Gallina soll von Osterburgs Taten profitiert haben, nach Auffassung der Staatsanwaltschaft jedoch unwissentlich. Die Staatsanwaltschaft hat die Justizsenatorin mehrfach vernommen, aber „keinen zureichend tatsächlichen Anhaltspunkt“ für eine Beteiligung gefunden.

Blumen für den „US-Konsul“

Mehrfach hatte Osterburg etwa zum Muttertag oder zu Gallinas Geburtstag Blumen abgerechnet, die offensichtlich Gallina zugute kommen sollten, aber auf Adressaten ausgestellt waren wie „US-Konsul“. Osterburg stritt das nicht ab.

Vor Prozessbeginn öffentlich geworden war bereits eine Malta-Reise Osterburgs und Gallinas, bei der es angeblich um die Flüchtlingsrettung gehen sollte und die Osterburg ebenfalls der Fraktion in Rechnung gestellt hatte. Öffentliches Ärgernis erregte dabei besonders ein Hummer-Essen für 230 Euro. „Das war eine private Reise“, räumte Osterburg in der Erklärung seines Anwalts ein, um anzufügen: „Es gab Treffen mit Personen, die nicht genannt werden dürfen.“

Das gleiche Argument führte Osterburg beim Thema Kinderbetreuung an. 9.000 Euro soll er hierfür geltend gemacht haben, obwohl Gallina die Kosten beglichen habe. Osterburg soll dabei auch die Unterschrift der Kinderfrau gefälscht haben. Zuweilen ließ er die Unterschrift ganz weg.

Die Betreuungsleistungen seien alle erbracht worden, rechtfertigte sich der Ex-Fraktionschef – bloß nicht alle von der angegebenen Kinderfrau, sondern wiederum „von Personen, die nicht genannt werden sollten“. Was die Geheimniskrämerei bei der Kinderbetreuung nötig machen sollte, blieb offen. Osterburg sagte, er habe die Beträge für die Kinderbetreuung „vorkontiert“, und kündigte an, die Originalbelege vorlegen zu wollen.

Die Namen der „Tippgeber“, mit denen er sich getroffen haben will, verschleiert Osterburg ebenso wie den seiner Babysitterin

Mehr als 6.000 Euro gab Osterburg im Namen der Fraktion für Computer und Zubehör aus. Die Geschäftsstelle habe auf Mac umgestellt werden sollen, ließ Osterburg erklären. Er habe die in die Fraktion bestellten Sachen mit nach Hause ­genommen, um sie einzurichten, weil das sonst niemand gemacht hätte. Manches fand der Erklärung nach nicht den Weg zurück in die Fraktion, ein Handy wurde entwendet, ein Tablet-Computer „verschwand“, beides musste neu beschafft werden.

Unter den Gebrauchsgegenständen, für die Osterburg mehr als 4.000 Euro ausgab, finden sich doppelt und dreifach beschaffte Sachen: ein halbes Dutzend Fahrradschlösser, angeblich um das Lastenrad der Fraktion und Werbeaufsteller zu sichern; zwei Wasserkocher, was nur dadurch zu erklären sei, dass einer offenbar zurückgesandt worden sei; zwei USB-Stirnlampen, um nächtens Wahlplakataufsteller reparieren zu können, aber auch eine Nintendo-Tasche, ein Blaupunkt-Radiowecker und ein Uhrenradio.

Er habe ein privates Amazon-Konto und daneben eines für die Fraktion gehabt, ließ Osterburg seinen Anwalt erklären. Das sei ihm wohl bisweilen durcheinander geraten, sodass er das falsche Konto benutzt habe.

Mehr als 4.000 Euro überwies sich Osterburg vom Fraktionskonto direkt aufs eigene Konto, in mehreren Raten unter dem Stichwort „Handkasse“. Damit will Osterburg einen Mitarbeiter bezahlt haben, ohne dass dessen Entgelt den anderen Mitarbeitern bekannt würde. Er habe eine „Neiddebatte“ befürchtet. Die entsprechenden Belege seien von einer Steuerberaterin geprüft worden.

Osterburg bedauerte in der Erklärung, dass er Ausgaben zum Teil falsch abgerechnet habe und dadurch „ein negatives Bild über Politiker entstanden ist“. Er sei auch bereit, den Schaden auszugleichen. Rückblickend hätte er sich mehr um seine Familie und sein Privatleben kümmern sollen, statt sich so viele ehrenamtliche Verpflichtungen aufzubürden, dass sie ihn letztlich überfordert hätten.

Der Prozess wird am heutigen Donnerstag fortgesetzt. Es sollen Vertreter der Bezirksfraktion aussagen, die Osterburg angezeigt hatten, nachdem ihnen Unregelmäßigkeiten in der Kasse aufgefallen waren.

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