Klage beim Europäischen Gericht: Greenpeace gegen Greenwashing

Verbände klagen dagegen, dass Atom- und Gaskraft laut EU-Taxonomie „nachhaltig“ sind. Der Streit könnte vor dem Europäischen Gerichtshof weitergehen.

Eine junge Frau trägt ein grünes Hütchen auf der Nase und schaut in die Kamera

Demo gegen die EU-Taxonomie im Mai 2022 in Rom Foto: Matteo Nardone/Pacific Press/Sipa USA/ddp

FREIBURG taz | Atom- und Erdgaskraftwerke sollen von der EU nicht als „ökologisch nachhaltig“ eingestuft werden. Das wollen Greenpeace und andere Umweltverbände mit zwei Klagen beim Europäischen Gericht (EuG) in Luxemburg erreichen. Das Gericht bearbeitet schon eine ähnliche Klage von Österreich.

Damit die EU bis 2050 klimaneutral wirtschaften kann, ist ein Umbau der gesamten Wirtschaft und Gesellschaft erforderlich. Damit das erforderliche private Kapital in die richtigen, das heißt ökologisch nachhaltigen Kanäle fließt, gibt die EU vor, welche Investitionen als „nachhaltig“ beworben werden dürfen.

Die zugrundeliegende Taxonomie-Verordnung stammt von 2020. Doch damals war vieles offen geblieben, zum Beispiel ob auch AKWs und Gaskraftwerke als nachhaltig gelten sollen. Dies holte die EU-Kommission in einer „delegierten Verordnung“ im März 2022 nach.

Das Ergebnis: Bei Atom- und Gaskraftwerken handele es sich um wichtige Übergangstechnologien – auf dem Weg zu einer Energieversorgung, die vor allem auf erneuerbaren Energien beruht.

Atom- und Gaskraft keine Übergangstechnologie

Die EU-Staaten akzeptierten diesen Rechtsakt der EU-Kommission überwiegend. Nur eine Handvoll Staaten, inklusive Deutschland und Österreich, stimmte dagegen. Spannender war die Abstimmung im Europäischen Parlament. Doch auch dort fand die EU-Kommission im Juli 2022 mehrheitlich Unterstützung.

Nun will Greenpeace den delegierten Rechtsakt vor dem EuG in Luxemburg stoppen. Die Aufwertung von AKWs und Gaskraftwerken verstoße ganz fundamental gegen die zugrundeliegende Taxonomie-Verordnung: „Die EU wollte Greenwashing verhindern und betreibt es nun selbst“, erklärt die deutsche Greenpeace-Geschäftsführerin Nina Treu.

Die Atomkraft könne schon deshalb keine Übergangstechnologie zur klimaneutralen Energieversorgung sein, weil der Bau neuer AKWs viel zu lange dauere, so das juristische Hauptargument von Greenpeace. Von der Planung bis zur Lieferung von Strom dauere es 10 bis 19 Jahre, also viel zu lange, um bei einer schnellen Energiewende wesentlich zu helfen.

Erdgas sei selbst ein fossiler Brennstoff, also gar keine echte Alternative, heißt es von Greenpeace. Die Umweltorganisation konnte sich dabei auch auf den Einspruch der sogenannten Plattform für nachhaltige Finanzen stützen. Die Plattform ist ein Expertengremium, das durch die Taxonomie-Verordnung erst eingerichtet worden war.

Zweite Klage vom BUND

„Statt auf die Wissenschaft zu hören, wie es die Verordnung vorsieht, handelt die EU-Kommission gegen die Ratschläge der Wissenschaft“, betont Anaïs Berthier von der NGO Client Earth, die gemeinsam mit dem BUND eine zweite Klage erhoben hat – allerdings nur zu den Gaskraftwerken.

Die Verbände konnten erst ein halbes Jahr nach Österreich klagen, weil sie zunächst ein Vorverfahren bei der EU-Kommission durchlaufen mussten. Dass sie überhaupt gegen EU-Rechtsakte klagen können, ist erst seit einer Reform der Aarhus-Konvention von 2022 möglich. Die Konvention regelt unter anderem den Zugang zu Gerichten in Umweltfragen.

Nach einer Entscheidung des EuG, vermutlich 2024, wird die jeweils unterliegende Seite sicher vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) ziehen.

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