Arabische Schriftzeichen: Wer hat Angst vorm Straßenschild?

In der Ellerstraße in Düsseldorf leben viele Menschen mit arabischen Wurzeln. Nun gibt es auch ein arabisches Straßenschild.

Blick in die Ellerstraße in Düsseldorf-Oberbilk, das Viertel wird auch "Klein-Marokko" genannt

Die Ellerstraße in Düsseldorf-Oberbilk hat jetzt auch ein arabisches Straßenschild Foto: imago/Oliver Ring

DÜSSELDORF taz | In den 1990er Jahren entschied der Londoner Stadtteil Tower Hamlets zu Ehren seiner bengalischen Community, eine Handvoll Straßenschilder in Bengali unter den englischen Schildern anzubringen. Die Geste schaffte es bis in die internationale Presse, okay, bis in die indische Presse, aus der ich davon erfuhr und Pilgerreisen zur Brick Lane machte, nur um die schwarz-weißen Plaketten mit ihren geschwungenen Schriftzeichen, die von der Linie herabhängen wie von einer Wäscheleine, anstatt darauf zu stehen, zu fotografieren, und sie kommen in meinem nächsten Roman vor.

Deshalb ist es so wunderbar, dass Düsseldorf, mein Düsseldorf, das nun ebenfalls macht. Seit letzter Woche hängen bei mir um die Ecke zwei Schilder mit der Aufschrift Ellerstraße, einmal in Deutsch und einmal in Arabisch. Und obwohl ich kein Arabisch spreche, wärmt es mir das Herz, jedes Mal, wenn ich daran vorbeigehe. Dieses Schild ist wie eine öffentliche Anerkennung dafür, dass Menschen wie wir hier … existieren.

Denn obwohl wir mehr als ein Viertel der Bevölkerung ausmachen, sind wir in der Architektur des öffentlichen Raums … nahezu gar nicht gespiegelt. Wie viele Statuen von nichtweißen Deutschen kennen Sie? Wie viele Straßen sind nach uns benannt? Richtig, mir fallen auch nur das May-Ayim-Ufer in Berlin und der Hilarius-Gilges-Platz – unfassbarerweise ebenfalls in Düsseldorf – ein. Da könnte ich beinahe zum ersten Mal stolz auf meine Heimatstadt werden.

Eine Menge Menschen sehen das höflich ausgedrückt sehr anders. In sozialen Medien wird das Schild als „Symbol der Unterwerfung“ gedeutet und als unglaublicher „Kotau“. Vor wem? Dem Gott der Straßenverkehrsordnung?

Doch ist die Erklärung natürlich nur absurd xenophob. Die nächsten 700 Posts sind Versionen von: „Wir leben in Deutschland. Wer arabische Schilder will, sollte nach Arabien gehen.“ Und es gibt sogar eine Petition, die die Entfernung des Schilds fordert, weil Deutsch unsere Sprache und Kultur bleiben muss – allerdings mit so vielen Rechtschreibfehlern, dass sie genauso gut eine Satire sein könnte.

Tiefgreifende Ängste, durch Shitstürme geschürt

Der Psychologe Ahmad Mansour erklärt auf Twitter, dass die Ablehnung „symptomatisch für die tiefgreifenden Ängste und Unsicherheiten in der Bevölkerung“ sei. Da ist bestimmt etwas dran. Allerdings kommen diese Ängste und Unsicherheiten ja nicht von irgendwoher, sondern werden nicht zuletzt durch Shitstürme wie die gegen das Straßenschild geschürt.

Denn das Schild auf der Ellerstraße ist ja keineswegs das einzige. Da Düsseldorf die größte japanische Community außerhalb Japans hat, wurde vor zwei Jahren auf der Immermannstraße – besser bekannt als „Little Tokyo“ – ein japanisches Straßenschild angebracht, ohne dass irgendjemand Angst hatte, demnächst würde die Sonnenwappenflagge über Deutschland wehen. Die Glasbläserstraße im Stadtteil Gerresheim, wo Tausende Ita­lie­ne­r*in­nen in den Glashütten gearbeitet haben, heißt jetzt zusätzlich: Via della Vetreria. Sieben weitere sind in Planung. Wird Gerhard Papke, der Ex-Fraktionschef der Landtags-FDP, das ebenfalls als „kulturelle Selbstaufgabe“ bezeichnen? Natürlich nicht. Oder halt, es soll auch ein türkisches Schild dabei sein.

Die Reaktionen zeigen, wie wichtig diese Schilder sind, um im öffentlichen Raum zu markieren, dass wir dazugehören. Aber der öffentliche Raum ist immer ein Ort von Aushandlungen, und vielleicht ist es deshalb auch in Ordnung, dass Menschen mit diesem Marker Probleme haben, die ich so gar nicht verstehen kann. Sie verstehen ja auch nicht meine Probleme mit Schildern, die nach hohen Kolonialbeamten aka Kolonialmördern benannt sind.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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