Reform der Ersatzfreiheitsstrafe: Kürzere Haft
Wer Geldstrafen nicht bezahlen kann, soll nicht mehr so lange ins Gefängnis wie bisher. Die Bundesregierung will die Ersatzfreiheitsstrafe halbieren.
Am vorigen Donnerstag diskutierte der Bundestag erstmals über das Vorhaben. Die Mehrheit der selbsternannten Fortschrittskoalition aus SPD, Grünen und FDP steht, der Vorschlag von Justizminister Marco Buschmann (FDP) wird breit getragen. Dass Innenministerin Nancy Faeser (SPD) im Herbst das Vorhaben monatelang blockierte, ist kein Thema mehr. „Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist wichtig für die soziale Gerechtigkeit“, sagte die SPD-Rechtspolitikerin Zanda Martens im Bundestag.
Anlass der Debatte war ein Antrag der Linken, die die Ersatzfreiheitsstrafe nicht nur reformieren, sondern ganz abschaffen will. „Sie benachteiligt überproportional die Armen dieser Gesellschaft“, sagte Berlins Justizsenatorin Lena Kreck (Linke). Doch für Katrin Helling-Plahr, rechtspolitische Sprecherin der FDP, wäre eine Abschaffung das „Signal in eine ganz falsche Richtung“. Die Ersatzfreiheitsstrafe bleibe wichtig als Druckmittel, damit Geldstrafen bezahlt werden.
Tatsächlich werden in rund der Hälfte der Fälle die Geldstrafen nach Beginn der Ersatzhaft doch noch beglichen, oft auch aus eigenen Mitteln. Anders als CDU und CSU meinen, ist das aber kein Zeichen für anfängliche Zahlungsunwilligkeit, sondern eher für die Verpeiltheit einer Klientel, die keine Briefe mehr öffnet.
Geldstrafe: zentrales Instrument des deutschen Strafrechts
Die Ersatzfreiheitsstrafe betrifft nur einen kleinen, aber sozialpolitisch bedeutsamen Anteil der Kriminalität. Pro Jahr schließen die Staatsanwaltschaften rund fünf Millionen Ermittlungsverfahren ab. Meist enden sie mit einer Einstellung, mit und ohne Auflagen.
Am Ende kommt es in rund 650.000 Fällen zu einer Verurteilung, davon in etwa 600.000 Fällen nach Erwachsenen-Strafrecht. Nur bei rund 15 Prozent der Verurteilungen verhängen die Gerichte Freiheitsstrafen, die aber überwiegend zur Bewährung ausgesetzt werden. Bei 85 Prozent der Verurteilungen gibt es Geldstrafen.
Die Geldstrafe ist also das zentrale Instrument des deutschen Strafrechts. Dabei wird die Höhe sozial gestaffelt. Wer viel verdient, zahlt einen entsprechend höheren Tagessatz als eine Bürgergeld-Empfänger:in. Maßstab für den Tagessatz ist das Netto-Einkommen pro Tag.
Wer seine Geldstrafe nicht bezahlt, muss dann aber doch ins Gefängnis. Tatsächlich bezahlen rund 90 Prozent der Verurteilten ihre Geldstrafe. Etwa vier Prozent leisten ersatzweise gemeinnützige Arbeit. Drei Prozent der Verurteilten bezahlen nach Beginn der Ersatzhaft die Strafe doch noch und nur drei Prozent sitzen die gesamte Ersatzfreiheitsstrafe ab, im Schnitt je nach Bundesland 30 bis 60 Tage. Betroffen sind aber mehrere zehntausend Menschen pro Jahr.
Kostenersparnis und Gerechtigkeit
Schon seit den 1990er Jahren wird darüber diskutiert, wie Zahl und Dauer der Ersatzfreiheitsstrafen reduziert werden kann. Bereits 1998 hatte der Bundesrat einen Gesetzentwurf beschlossen, der den Umrechnungsschlüssel halbieren sollte, so wie es jetzt Minister Buschmann vorschlägt.
Der Gesetzentwurf wurde damals aber ebenso wenig beschlossen wie zwei Initiativen der rot-grünen Bundesregierung 2002 und 2004, wonach die Verpflichtung zu gemeinnütziger Arbeit Vorrang haben sollte vor der Ersatzhaft. Neuen Schwung in die Diskussion brachte 2018 eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die erneut vorschlug, den Umrechnungsschlüssel zu halbieren. Ihr Ansatz wird nun von der Ampelkoalition umgesetzt.
Dabei geht es nicht nur um Kostenersparnis für den Strafvollzug der Länder, sondern auch um mehr Gerechtigkeit. Ein Tag im Gefängnis sei ungleich belastender als die Abgabe eines Tagesverdienstes, betonte der Justizminister.
Ein weiterer Ansatz könnte die Entkriminalisierung des „Schwarzfahrens“ sein, weil dies viele uneinbringliche Geldstrafen vermeiden würde. Darüber will Buschmann in diesem Jahr auch sprechen, im Rahmen einer Initiative zur Modernisierung des Strafrechts.
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