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Rechtsextreme im Ukraine-KriegDer Neonazi an der Front

Der Rechtsextreme Stephan K. aus Solingen kämpft in der Ukraine gegen Russland. Die Behörden versuchen das zu verhindern, aber er ist kein Einzelfall.

Ein Armeefahrzeug patrouilliert in der Nähe der Front in der Region Donezk Foto: Celestino Arce/imago

Berlin taz | Der Rechtsextreme lässt sich in Militäruniform ablichten, gibt sich markig. „Stephan“ heiße er, 36 Jahre, aus Solingen und seit einigen Monaten nun im Verteidigungskampf für die Ukrai­ne gegen Russland. So zitiert ihn jedenfalls die rechtsextreme Kleinpartei „Der III. Weg“ in einem Interview. Als „Nationalist“ sei es seine Pflicht, „Putin und seinen Neo-Bolschewismus zu bekämpfen“, erklärt er. Er wolle nicht zusehen, wie die „rote Pest“ Europa „verseucht“. Für ihn sei es die wichtigste Entscheidung seines Lebens, „hier zu kämpfen“.

Der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen bestätigt der taz, dass ihm der Fall bekannt sei: Es handele sich um den Solinger Stephan K. Dieser sei derzeit der wohl einzige Rechtsextremist aus NRW, der sich in der Ukraine an Kampfhandlungen beteilige, so ein Sprecher. Die Entwicklung seines Falls werde „aufmerksam verfolgt und es wird fortlaufend geprüft, ob die betreffende Person möglicherweise Straftaten verübt“. Auch die Polizei und Staatsanwaltschaft Wuppertal prüfen den Fall, unter anderem, weil K. auf einem Foto mit einem Hakenkreuz abgelichtet gewesen sein soll.

Eigentlich sollten genau solche Fälle verhindert werden. Zum Kriegsausbruch hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärt, die Sicherheitsbehörden wollten verhindern, dass sich deutsche Extremisten an Kämpfen in der Ukraine beteiligten. Laut Ministerium gab es bisher dennoch 38 Ausreisen von Extremisten, davon 28 aus dem rechtsextremen Spektrum. 16 sollen gezielt versucht haben, sich an Kämpfen zu beteiligen – 5 sei dies wohl auch gelungen. Aktuell seien von den 38 Personen wohl nur noch 6 in der Ukraine. „Der überwiegende Teil dieser Personen sympathisiert für die ukrainische Seite“, so das Ministerium.

Die rechtsextreme Szene ist über den Krieg in der Ukraine zerstritten. Während NPD, das Magazin Compact und andere zu Russland halten, stellt sich der „III. Weg“ auf die Seite der Ukraine, organisierte Spendentransporte – wegen Kontakten zu dortigen Nationalisten.

Flixbus nach Kyjiw

Stephan K. ging nun einen Schritt weiter. Auch er gehört zum Umfeld des „III. Wegs“. Nach taz-Informationen beteiligte er sich im September 2022 an einer Kundgebung der Partei, dem „Tag der Heimattreue“, in Hilchenbach. Dort hält der „III. Weg“ ein Parteibüro, die Stadt will die Immobilie aber übernehmen.

Stephan K. selbst erklärt, er sei über den deutschrussischen Kampfsportler Denis „Nikitin“ Kapustin in die Ukraine gelangt. Dieser lebte früher in Köln und zuletzt in Kyjiw, wo er seit Kriegsbeginn mit einem Freiwilligenbataillon für die Ukraine kämpft und über seinen Telegramkanal international Rechtsextreme zu mobilisieren versucht.

Er sei schlicht mit einem Flixbus nach Kyjiw gefahren und habe zunächst für Kapustins Freiwilligenbataillon gekämpft, später dann für die ukrainischen Streitkräfte, erklärt Stephan K. Die Einsätze seien direkt an der Front gewesen, unter anderem in der Region Donezk. Zuletzt habe er durch eine Explosion eine schwere Beinverletzung erlitten.

Eine Beteiligung an den Kämpfen in der Ukraine ist erst mal völkerrechtlich nicht verboten, sofern die Betroffenen als Kombattanten von Streitkräften, Milizen oder Freiwilligenkorps aufgenommen werden und keine Kriegsverbrechen begehen. Das Bundesinnenministerium betonte aber, dass im Falle von Extremisten, die ausreisen wollen, Sicherheitsbehörden „unverzüglich“ Maßnahmen ergreifen würden, um das zu verhindern. Dazu gehörten Fahndungsnotierungen, Ausreiseuntersagungen, Passentzüge oder Meldeauflagen. Bei sechs Personen sei so eine geplante Ausreise auch tatsächlich verhindert worden, so eine Ministeriumssprecherin zur taz. Und auch Rückkehrer würden nach ihrer Wiedereinreise in Deutschland von den Sicherheitsbehörden beobachtet.

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15 Kommentare

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  • Ehrlicherweise verstehe ich das Problem hier nicht so ganz.

    Wir sind die Nazis los mit einer guten Chance, dass sie auch nicht wieder zurückkommen. Gleichzeitig tun sie noch etwas Gutes, indem sie sich dem verbrecherisch-imperialistischen Putin-Regime entgegenstellen.

    Da bin ich recht zynisch und denke mir: Win-Win-Situation.

    • @Kriebs:

      Das dachte ich mir auch zuerst. Es gibt aber vermutlich auch eine Reihe von Rechtsextremisten, die für Putin kämpfen wollen und die könnten in der Ukraine unschöne Dinge anrichten, also läßt man lieber gar keine in die Kampfgebiete ausreisen.



      Im übrigen wäre ein für die Ukraine kämpfender Rechtsextremist, wenn er in russische Kriegsgefangenschaft gerät, eine Steilvorlage für die russische Propaganda.

      • @Dschou:

        Haben Sie das Gefühl, dass die Putin-Propaganda (auch die Propagandisten in DE) eine Vorlage brauchen?

        Ich jedenfalls nicht. Der Krieg begann mit der Aussage, man müsse die Ukraine entnazifizieren, was sich schnell wandelte zu entukrainisieren.

  • Es ist ja nicht das primäre Problem, das der für die Ukraine kämpft (daran habe ich nichts auszusetzen, solange er keine Kriegsverbrechen begeht oder sich daran beteiligt), sondern das er u.U. mit Waffen- und Kampferfahrung nach Deutschland zurückkommt

  • Nur eine Überlegung:

    Die Bundesregierung liefert Waffen an den Verbündeten und will gleichzeitig verhindern, dass sich Privatpersonen an den Kämpfen beteiligen, was völkerrechtlich zulässig ist?

    Warum und auf welcher Grundlage?

    • @DiMa:

      Im Falle des Nazis verständlich. Mittelfristig wäre die Ausbildung einer freiwilligen Legion aber keine dumme Idee.

      • @Machiavelli:

        Die gibt es ja in der Ukraine.

        Verboten ist nach deutschem Recht übrigens die Anwerbung deutscher Staatsangehöriger in Deutschland für den Dienst in einer fremden Streitmacht. Der Dienst selbst ist aber nicht direkt illegal - außer, diese Streitmacht kaempft gegen Deutschland. Dann verliert der betreffende deutsche Kombattant sogar seine deutsche Staatsangehörigkeit.

        • @Suryo:

          "Dann verliert der betreffende deutsche Kombattant sogar seine deutsche Staatsangehörigkeit." --> Das stimmt so nicht. Jedenfalls nicht vollständig.

          Zwar kann die deutsche Staatsangehörigkeit durch den bewaffneten Kampf gegen Deutschland im Dienst einer fremden Macht verloren gehen. Aber nur dann, wenn der Kombattant auch die ausländische Staatsangehörigkeit besitzt.

          Wer nur und ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, verliert diese niemals. Alles Andere wäre verfassungswidrig:

          Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG



          "Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur [...] dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird."

          Der weggeschnittene Teil bezieht sich nur auf die Modalitäten des Verlusts, nicht auf das Verbot des Verlustes.

  • "Als „Nationalist“ sei es seine Pflicht, „Putin und seinen Neo-Bolschewismus zu bekämpfen“, erklärt er. Er wolle nicht zusehen, wie die „rote Pest“ Europa „verseucht“. Für ihn sei es die wichtigste Entscheidung seines Lebens, „hier zu kämpfen“"

    Es bleibt für mich unverständlich, mit was für einem Fantasie-Weltbild solche Leute unterwegs sind. Putin ist weder Bolschewist noch "rot", er und seine Regierung sind Neo-Imperialisten, die von einem Russland in den Grenzen VOR der Revolution von 1917 träumen. Putins Agenda hat mehr mit der des III. Weges zu tun, als mit der der Bolschewisten.

    • @Jan Berger:

      Ob so ein deutscher Neonazi denn auch gegen einen verurteilten kriminellen Wagnersoldaten bestehen kann, der frisch aus dem Knast rekrutiert wurde? Jetzt ist es schon soweit, dass ich mir Sorgen um Nazis mache... was für eine verrückte Welt!

    • @Jan Berger:

      Bei einem Nazi kann uns doch ein solches "Fantasie-Weltbild" nicht verwundern, solch alternative Wirklichkeiten sind doch gerade konstitutiv für seine Überzeugungen. Viel verwunderlicher ist es doch, dass auch viele Leute mit linker Sozialisation bis heute nicht erkennen können, dass Russland nicht die Sowjetunion und Putin (als vermeintlicher Gegner der USA) kein Antiimperialist ist.

    • @Jan Berger:

      Richtig. Der Nazi übernimmt hier absurderweise die Sichtweise eines Teils der deutschen Linken, die in Russland so etwas wie eine linke Macht sehen, die es dem verhassten westlichen Kapitalismus mal so richtig zeigt.

  • Nazis werden stets von Zerstörung angezogen.



    Es ist ihr Leben.

  • Interessanter Artikel.

    • @Sandor Krasna:

      Und witzige Komentare