Reaktion auf mögliches Ende von §218: Bayern droht mit Verfassungsklage

Bayern will vor dem Verfassungsgericht klagen, falls die Ampelkoalition den Abtreibungsparagrafen 218 kippt. Dass es so weit kommt, ist unwahrscheinlich.

Eine Demonstration

Ein langer Weg: Protest gegen das geltende Abtreibungsrecht 1973 in Bonn Foto: Klaus Rose/imago

FREIBURG taz | Die bayerische Staatsregierung würde beim Bundesverfassungsgericht klagen, sollte die Ampelkoalition den Abtreibungsparagrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch streichen. Das kündigte die bayerische Sozial- und Familienministerin Ulrike Scharf (CSU) an diesem Mittwoch an. Eine Aufhebung des strafrechtlichen Abtreibungsverbots sei mit dem Schutz des ungeborenen Lebens nicht vereinbar und damit verfassungswidrig, so Scharf.

Anlass der Drohung waren Äußerungen von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne), die eine Abschaffung von Paragraf 218 befürwortete. „Wer anders als die Schwangeren selbst sollten entscheiden, ob sie ein Kind austragen möchten oder können?“, fragte Paus.

Sollte die Ampelkoalition das Strafgesetzbuch entsprechend ändern, könnte ein Viertel der Bundestagsabgeordneten oder jede Landesregierung das Bundesverfassungsgericht zur Prüfung auffordern. Das Verfahren nennt sich „abstrakte Normenkontrolle“. Bisher sieht es aber nicht danach aus, dass die Ampel den Schwangerschaftsabbruch entkriminalisiert.

Im Koalitionsvertrag wird nur eine Kommission angekündigt, die Regelungen für Schwangerschaftsabbrüche jenseits des Strafrechts prüfen soll. Diese ist aber bis heute nicht eingesetzt. Der zuständige Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte jüngst, es gebe noch Abstimmungsbedarf.

Liberalisierung schon zweimal in Karlsruhe gescheitert

Vor allem die FDP bremst. Sie befürchtet, dass eine Abschaffung von Paragraf 218 vom Bundesverfassungsgericht gestoppt würde. Tatsächlich hat Karlsruhe schon zwei Mal fortschrittliche Reformen beim Abtreibungsrecht beanstandet.

So hatte die sozialliberale Koalition 1974 eine Fristenlösung beschlossen und Abbrüche in den ersten zwölf Wochen nach Befruchtung erlaubt. Dieses Gesetz stoppte das Bundesverfassungsgericht 1975 auf Antrag der baden-württembergischen CDU-Landesregierung: Das Recht auf Leben gelte von Anfang an, also auch für das ungeborene Leben.

Nach der Wiedervereinigung beschloss der Bundestag 1992 auf Vorschlag der CDU-Politikerin Rita Süssmuth eine Beratungslösung: Abtreibungen waren danach in den ersten zwölf Wochen erlaubt, wenn die Frau sich im Sinne des Lebensschutzes beraten lässt.

1993 blockierte das Bundesverfassungsgericht auf Antrag der bayerischen CSU-Landesregierung auch diese Reform. Abbrüche nach der Beratungslösung dürfen zwar „straflos“ bleiben, müssen aber formal als „rechtswidrig“ eingestuft werden, so die Karlsruher Vorgabe. 1995 beschloss der Bundestag eine entsprechend angepasste Beratungslösung, die bis heute gilt.

Wie das Bundesverfassungsgericht heute – 30 Jahre später – urteilen würde, weiß niemand. Im zuständigen Zweiten Senat sind inzwischen immerhin fünf von acht Rich­te­r:in­nen Frauen.

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