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Festnahme französischer UmweltaktivistenNachtragende Staatsmacht

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Der französische Staat kriminalisiert friedliche Um­welt­ak­ti­ve als „Ökoterroristen“. Die Frage ist nur: Wer terrorisiert da wen?

Proteste in Sainte-Soline gegen ein landwirtschaftliches Wasserreservoir am 29. Okober Foto: Pascal Lachenaud/afp/dpa

W er sich mit Polizisten prügelt, muss mit einer Strafe rechnen, und dies nicht nur in Frankreich. Doch wie steht es für jene, die nur danebenstanden, allenfalls mit der Faust in der Hosentasche? Mitgegangen – mitgehangen, meint dazu die Staatsanwaltschaft im westfranzösischen Niort, wo fünf Teil­neh­me­r*in­nen aufgrund ihrer bloßen Anwesenheit bei einer Kundgebung gegen ein Megaprojekt landwirtschaftlicher Wasserreservoirs vor Gericht standen.

Der Versuch der Justiz, im direkten Auftrag der Regierung einen zivilgesellschaftlichen Widerstand in pauschaler Weise zu kriminalisieren, war in diesem Fall offensichtlich. Wer die Autorität des französischen Staats herausfordert und dabei Schwächen der Staatsmacht aufdeckt, muss sich über scharfe Reaktionen nicht wundern. Ganz besonders nachtragend ist der französische Innenminister Gérald Darmanin, denn er musste den Verlauf der fraglichen Demonstration als persönliche Niederlage seines gewaltigen Aufgebots an Polizeibeamten hinnehmen.

Darmanin hat sich zudem verbal weit aus dem Fenster gelehnt, indem er die Aktivist*innen, die mit ungewohnten oder manchmal schockierenden Aktionsformen gegen Umweltzerstörungen protestieren, als „Ökoterroristen“ verunglimpft. Die Frage ist nur: Wer terrorisiert da wen? Die Demonstrierenden, die das Interesse der Medien und der Bevölkerung auf sich und ihre Anliegen lenken wollen, sind in der Regel unbewaffnet. Vielleicht verletzten sie bei ihren Aktionen den ein oder anderen Gesetzesartikel, aber der Vergleich mit Terroristen, die Bomben legen oder auf Menschen schießen, ist unerträglich und alles andere als verhältnismäßig.

Prozesse wie in Niort, wie sie der französische Staat mit großem Eifer anstrengt, sind Teil einer Repressionspolitik, die auf Abschreckung setzt. Das hatte allerdings schon bei der beabsichtigten Einschüchterung der „Gelbwesten“-Protestbewegung nicht funktioniert. Nun dürfte auch der Versuch, hartnäckige Klima- und Um­welt­schüt­ze­r*in­nen mittels Strafverfolgung zu diskreditieren, nicht klappen.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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6 Kommentare

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  • Ich fürchte, es ist ein Vorgeschmack dessen, was wir EU-weit erleben werden, auch in Deutschland. Da die Regierungen sich entschlossen haben, de facto den Klimawandel laufen zu lassen und sich lediglich vorbereiten wollen (auf Kosten der anderen, von denen sie sich abschotten), wird sich vermutlich verstärkter Widerstand bilden, auf den dann mit Repression reagiert werden wird.

  • Das erinnert aber ganz stark an Polizeikessel oder auch an Hamburg G7 oder auch an Hambi oder an Kurdendemos wo einer eine kleine PKK Fahne hochhält.



    Da werden ganz schnell ganze (linke!) Veranstaltungen von der Polizei kriminalisiert.



    ...gibt es sonst nur im Gästeblock im Stadion. Pfefferspray auf Kinder, wg. ein bisschen Pyro: selber schuld.

  • Wenn das Wort "kriminalisieren" verwendet wird. lohnt das Lesen meist nicht. So auch hier.

    Was soll "kriminalisieren" sein?

    Vom Wort sind her, würde ich denken, umschreibt es einen Vorgang, bei dem legales Verhalten nachträglich in ein kriminelles Verhalten von irgendwem, der etwas zu sagen hat, der Macht hat, umgedeutet wird. Tatsächlich wird es immer dann verwendet, wenn kriminelles Verhalten entschuldigt wird.

    Der Vorgang ist genau andersherum. Irgendwer verstößt gegen Regeln, will aber die Konsequenzen vermeiden.

    • @Erwin Schiebulski:

      Diese Sichtweise ist wohl der beste Beleg dafür, dass die Kriminalisierung von ehemals legitimem, demokratischem Protest bereits erfolgreich war. Wenn es nun auch noch gelingt die Klimaaktivisten zu Terroristen zu stempeln wird man wohl demnächst beobachten können wie solche Protestaktionen mit Kampfdrohnen und Hellfire-Raketen 'aufgelöst' werden.

    • @Erwin Schiebulski:

      mal wieder jemand, der den Artikel nicht gelesen hat ("Doch wie steht es für jene, die nur danebenstanden") bzw. keine Ahnung von der politischen Realität hat. Oder nur trollt.

  • Na, das ist doch mal europäische Eintracht. Wie bei uns werden die Überbringer der Botschaft kriminalisiert damit Wirtschaftinteressen gewahrt bleiben. Scheiß auf die Klimakatastrophe und andere Umweltprobleme.



    Dass die Verursacher der Problem mal von der Polizei angegangen würden, möchte ich zu gerne mal erleben!