Straßenlicht auf Bestellung: Knopf drücken, Licht an

Mit der App eines Flensburger IT-Entwicklers lassen sich Laternen anschalten, wenn man sie wirklich braucht. Das hilft auch gegen Lichtverschmutzung.

Eine Straßenlaterne ist in der Morgendämmerung zu sehen

Die Idee: das Licht anknipsen, wenn man Licht braucht Foto: picture alliance/dpa/Friso Gentsch

FLENSBURG taz | Straßenlaternen nur dann anschalten, wenn sie gebraucht werden? Kein Problem: Ein Flensburger IT-Entwickler hat dafür eine App namens „Knoop“, plattdeutsch für „Knopf“, auf den Markt gebracht. Das Interesse war groß, doch die Umsetzung mühsamer als gedacht. Die Idee landete so wieder in der Schublade. Die aktuelle Energiekrise könnte eine zweite Chance bedeuten.

In Simon Hansens Büro im Technologiezentrum in Flensburg steht er noch, der grüne Button, mit dem das „Knoop“-Projekt begann. Hansen, gelernter Elektromechaniker, arbeitet bei der Softwarefirma Sourceboat, das Team entwickelt Lösungen für Internetprobleme und schreibt Programme für Firmen. Bei einem internen Hackathon vor ein paar Jahren „wollten wir mal was mit Hardware machen“, erinnert sich Hansen. „Und haben mit dem einfachsten begonnen: auf einen Knopf drücken, Licht anschalten.“

Hansen stammt aus dem nordfriesischen Dorf Löwenstedt und wohnt inzwischen auch wieder dort. Im Ort leben rund 700 Menschen. Sie engagieren sich in der Freiwilligen Feuerwehr, spielen Theater bei den „Jungen Lüüd ut Löwenstedt“ und feiern in der Ortsgaststätte Friedensburg, wenn es dort einen Pächter gibt – aber nachts sind die Straßen meist unbelebt. „Ich war kurz vorher spät abends im Dunklen nach Hause gelaufen“, berichtet Hansen. Mit dieser Erinnerung im Kopf fragte sich die Runde beim Hackathon, ob es nicht möglich sei, die Laternen nach Bedarf zu schalten.

Sie erfanden eine App, die sich auf einem Smartphone installieren lässt. Damit wird der Server angefunkt, der den Befehl an die Laternen im Umkreis weiterleitet: Klick, die Lampen gehen an. „Wir haben uns dafür entschieden, dass sie sich an-, aber nicht ausschalten lassen, um zu vermeiden, dass mehrere Leute gleichzeitig gegensätzliche Befehle geben“, sagt Hansen. Die Laternen brennen eine vorher bestimmte Zeit und schalten sich automatisch wieder aus. Dass jemand nur aus Jux mit der App spielt, sei denkbar, aber nicht sehr wahrscheinlich, glaubt Hansen: „Jaja, die jungen Leute, die die ganze Nacht das Licht anmachen – das Argument haben wir oft zu hören bekommen. Aber wir geben nun mal den Bürgern ein Stück Verantwortung zurück und denken, dass sie damit umgehen können.“

Nachdem die technische Lösung stand, begannen die Verhandlungen mit den Gemeinden. Das Interesse war riesig, auch weil die App 2018 und 2019 mit Preisen ausgezeichnet wurde. Aber eingesetzt wurde sie nur in wenigen Orten, darunter Löwenstedt, wo Hansen den Gemeinderat von dem Experiment überzeugen konnte. Gespräche führten er und seine Mit­strei­te­r*in­nen auch in anderen Dörfern, doch es dauerte meist lange, bis eine Entscheidung fiel. „Wir kamen mit Highspeed an und trafen auf ehrenamtliche Gemeinderäte“, sagt Hansen. Er hat Verständnis dafür, frustrierend war die Erfahrung dennoch.

In jedem Ort ging es um dieselben Fragen: Was tun Menschen ohne Smartphone? Ist es möglich, Tou­ris­t*in­nen Zugang zu gewähren? Und: Lohnt sich der Aufwand überhaupt?

Auf diese Frage antwortet Hansen ehrlich: „Jein.“ Damit die Laternen das häufige An- und Ausschalten besser vertragen, sind LED-Lampen sinnvoll. Die verbrauchen eh weniger Strom als herkömmliche Glühbirnen. In einer kleinen Gemeinde – und nur für die ist die App bisher konzipiert – bringt es aufs Jahr gerechnet daher kaum eine Geldersparnis, schließlich muss die Gemeinde auch für die App etwas zahlen, erst für die Installation, in den Folgejahren für Wartung und Updates.

Licht zählt zu den großen Eingriffen des Menschen in die Umwelt: Es macht Menschen krank und stört Tiere

„Wir haben daher angefangen, neben dem Sparaspekt auf die Lichtverschmutzung hinzuweisen“, sagt Hansen. Denn Licht zählt zu den großen Eingriffen des Menschen in die Umwelt: Es macht Menschen krank und stört Tiere. Einige Insekten schwirren so lange um eine Laterne, bis sie vor Erschöpfung sterben. „Aber das Tolle ist: Während es aufwändig ist, Wasser- oder Bodenverschmutzung zu beheben, reicht es, die Lampen auszuschalten, und die Lichtverschmutzung ist beendet“, sagt Hansen. Bloß: „In den meisten Gemeinden ist das kein Thema.“

Erst die aktuelle Debatte um Energiesparen gibt dem „Knoop“ neuen Schub. Ein Neustart, ein zweites Pilotprojekt sind in Vorbereitung. Simon Hansen hofft nun auf den Durchbruch seiner Idee: „Jetzt ist das Thema schließlich aktueller denn je.“

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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