Steigende Heizkosten: Gut gerüstet in den Energiekrieg

Unser Autor lebt im Exil in Estland. Auch dort steigen Gas- und Strompreise gerade rasant. Er hat jetzt erst mal Brennholz bestellt.

Skyline von Tallin im Winter

Könnte kalt werden: Tallinn im Winter Foto: Madis Veltman/imago

Ukraine, Inflation und Energiekrise. Drei Themen, die in Tallinn sogar Menschen, die sich gar nicht kennen, untereinander diskutieren, statt wie früher übers Wetter zu sprechen. „Putins Energiekrieg“ nennt die estnische Premierministerin Kaja Kallas das, was gerade passiert. Und es fällt schwer, ihr zu widersprechen.

Чтобы как можно больше людей смогли прочитать о последствиях войны в Украине, taz также опубликовал этот текст на русском языке: here.

Ich lebe in einer Einzimmerwohnung in einem Holzhaus im Zentrum von Tallinn, die Heizung ist abgeschaltet, nur das Wasser zum Duschen und in der Küche wird mit Gas erhitzt. Und trotzdem ist der Abschlag für Strom zwischen Juni und September von 14 auf monatlich 68 Euro gestiegen. Mit Beginn der Heizperiode drohen die Nebenkosten in Tallinn die Höhe der Wohnungsmiete zu erreichen.

In einem dringenden Appell anlässlich des Beginns der Teilmobilisierung in Russland warnte Kaja Kallas, dass künftig auch Estland von Stromausfällen betroffen sein könne, die von seinem östlichen Nachbarn verursacht werden. Obwohl die Zusammenarbeit zwischen Estland und Russland fast vollständig beendet ist, haben sie noch ein gemeinsames Stromnetz. Die russischen Behörden versichern, dass es keine Pläne gebe, dieses gemeinsame System zu unterbrechen, aber man traut ihnen nicht. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass die aktuelle Energiesituation auch ohne Stromausfälle schon bald einen kritischen Zustand erreichen könnte.

Staatliche Maßnahmen angekündigt, aber umstritten

„Der billigste Strom ist der, der nicht verwendet wird“, das ist noch so eine populäre Aussage, der man nur zustimmen kann. Staatliche Maßnahmen wurden zwar angekündigt, doch wie wirksam sie sein werden, ist noch umstritten. Und woher der Staatshaushalt die zusätzlichen Mittel für diese Maßnahmen nehmen soll, ist ebenfalls ungeklärt.

In meinem Hof gibt es jetzt Material für den Energiekrieg – ein Berg Brennholz unter einer Plastikfolie. Auch der Brennholzpreis hat sich in diesem Jahr verdreifacht, aber Ofenheizung ist immer noch am billigsten. Espenholz, das im vergangenen Jahr 47 Euro pro Kubikmeter gekostet hat, wird jetzt für 120 Euro verkauft. Birkenholz lag 2021 bei 55 Euro, jetzt sind 130 Euro fällig. Ich hatte Glück und habe für einen Kubikmeterpreis von 90 Euro kleingesägte Holzpaletten gekauft. „Ich habe nicht mal mehr versucht zu bestellen. Das sind ja Blockadepreise“, lacht meine estnische Nachbarin Kristin, während sie mich dabei beobachtet, wie ich die wertvolle Fracht vom Hof in den Schuppen schleppe.

Die Energiekrise ist ein Grund zur Sorge, aber nicht zur Entmutigung. Estland unterstützt die Ukraine sehr stark. Zwar sind einige russischsprachige Einwohner Estlands für die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland, jedoch kaum die Esten selbst. Nicht umsonst ist „hakkama saama“ eine wichtige Redewendung, um den estnischen Geist zu verstehen – „wir werden es schaffen“, „irgendwie werden wir überleben“.

Aus dem Russischen Gaby Coldewey

Finanziert wird das Projekt von der taz Panter Stiftung.

Einen Sammelband mit den Tagebüchern hat der Verlag edition.fotoTAPETA im September herausgegeben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist Journalist beim Petersburger Zweig des alternativen russischen Nachrichtenportals Bumaga, das mit Beginn des Krieges gegen die Ukraine von der russischen Zensur gesperrt wurde. Er hat Russland verlassen.

Eine Illustration. Ein riesiger Stift, der in ein aufgeschlagenes Buch schreibt.

Diese Kolumne ist nur möglich dank Ihrer finanziellen Hilfe. Spenden Sie der taz Panter Stiftung und sorgen Sie damit für unabhängige Berichterstattung von Jour­na­lis­t:in­nen vor Ort.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.