Bundeskanzler in Saudi-Arabien: Scholz von Kronprinz empfangen
Olaf Scholz befindet sich auf einer diplomatisch heiklen Reise in der Golfregion. Es geht um Energiekooperationen. Auch der Mord an Khashoggi wurde angesprochen.
Im Laufe des Tages wird Scholz unter anderem mit einer Gruppe saudi-arabischer Frauen zusammentreffen, bevor er am Abend weiter in die Vereinigten Arabischen Emirate und am Sonntag nach Katar fliegt. Der Bundeskanzler hofft auf neue Energiekooperationen mit den Golfstaaten, die alle drei über große Öl- und Gasvorkommen verfügen.
Laut Regierungssprecher Steffen Hebestreit geht es bei der Tour „um unseren Einsatz für eine regelbasierte internationale Ordnung und den Ausbau der Wirtschafts- und Energiekooperation“.
Dabei dürfte die Reise für Scholz angesichts der Menschenrechtssituation in den Gastgeberländern zu einem diplomatischen Balanceakt werden. Insbesondere das Treffen mit dem Kronprinzen Mohammed gilt als heikel.
Mord an Journalist Khashoggi
Bundeskanzler Olaf Scholz hat bei seinem Treffen mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman auch den Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi angesprochen. „Wir haben alle Fragen besprochen, die sich um Fragen von Bürger- und Menschenrechten drehen“, sagte er am Samstag nach dem Gespräch in der Hafenstadt Dschidda auf eine entsprechende Journalisten-Frage. „Das gehört sich so. Und da können Sie von ausgehen, dass nichts unbesprochen geblieben ist, was zu sagen ist.“
Der Kronprinz wird vom US-Geheimdienst für den brutalen Mord an dem saudischen Regierungskritiker und Journalisten Khashoggi im saudischen Generalkonsulat in Istanbul vor vier Jahren verantwortlich gemacht. Der Thronfolger bestreitet, Drahtzieher der Tat zu sein. Der Mord hatte zu einer internationalen Isolierung Mohammeds geführt und die deutsch-saudischen Beziehungen in eine jahrelange Krise gestürzt.
Die Bundesregierung verurteilte den Mord scharf und werde diese Position auch nicht „redigieren“, hieß es im Vorfeld der Reise. Saudi-Arabiens Bedeutung als Exporteur fossiler Brennstoffe und regionale Ordnungsmacht mache eine „solide Arbeitsbeziehung“ mit dem Kronprinzen jedoch unabdingbar, verlautete aus Regierungskreisen. Prinz Mohammed werde das Land wahrscheinlich die „nächsten zehn, 20 oder 30 Jahre“ lenken.
Gespräch unter Porträt des Königs
Der Kronprinz empfing den Kanzler im königlichen Palast des Friedens (Al-Salam-Palast) mit kräftigem Handschlag. Zu einem ersten Gespräch nahmen beide unter einem Porträt des Königs Salman Platz. Mit seinem Besuch setzt Scholz ein Zeichen der Normalisierung. Mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, dem inzwischen zurückgetretenen britischen Premier Boris Johnson und US-Präsident Joe Biden waren vor ihm schon die wichtigsten Bündnispartner Deutschlands in Saudi-Arabien. Der Kronprinz war im Juli erstmals seit dem Mord auch wieder zu offiziellen Treffen in die EU gereist.
Scholz knüpft daran an und will auch mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und seine Folgen den Gesprächsfaden wieder aufnehmen. Für ihn geht es darum, auch mit schwierigen Partnern im Dialog zu bleiben, um sie nicht an Länder wie Russland oder China zu verlieren.
Biden hatte den Kronprinzen bei seinem Besuch im Juli in Dschidda ebenfalls auf den Mord an Khashoggi angesprochen. Er sagte damals nach dem Gespräch, dass der Kronprinz die Verantwortung für die Tat erneut zurückgewiesen habe. „Er sagte im Grunde, dass er nicht persönlich dafür verantwortlich sei. Ich deutete an, dass ich glaube, er ist es“, sagte Biden.
Menschenrechtsorganisationen fordern klare Worte
Das streng konservative Königreich Saudi-Arabien steht trotz einiger Reformen wegen der Lage der Menschenrechte in der Kritik. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International verlangte vor der Reise klare Worte des Kanzlers an den Kronprinzen: „Auch in Anbetracht aller geopolitischen und energiepolitischen Sachzwänge sollte der Bundeskanzler bei seiner Reise nach Saudi-Arabien nicht zu den Menschenrechtsverletzungen im Land schweigen.“
Reporter ohne Grenzen (ROG) forderte Scholz auf, die Pressefreiheit zu thematisieren. „Wenn er mit diesen Regierungen Geschäfte machen will, sollte er aber eine Bedingung stellen: dass deren Herrscher aufhören, die Medien als grundlegende Säule des Rechtsstaats mit Füßen zu treten“, sagte der Geschäftsführer von ROG Deutschland, Christian Mihr, der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ).
Zusammenarbeit beim Wasserstoff
Scholz hob hervor, dass es bei den Wirtschaftsthemen vor allem um die Zusammenarbeit bei Produktion und Transport von Wasserstoff ging. Die Frage, ob der Kronprinz eine Lockerung der Rüstungsexportregeln von ihm verlangt habe, beantwortete Scholz nicht. „Alle wissen, dass wir hier eine sehr strikte Politik verfolgen. Und entlang dieser Regeln ist es in den letzten Jahren ja auch zu Entscheidungen gekommen, die gut abgewogen waren. Und wir werden weiter gut abgewogene Entscheidungen treffen“, sagte er.
Das Königreich zählt nach Recherchen des Friedensforschungsinstituts Sipri zu den fünf größten Rüstungsimporteuren weltweit, Deutschland zu den fünf größten Exporteuren. Unter der Ampel-Regierung ist aber kein einziger Rüstungsexport mehr an das Königreich genehmigt worden. Grund ist ein Exportstopp, der wegen der Beteiligung Saudi-Arabiens am Krieg im Nachbarland Jemen und wegen des Khashoggi-Mords bereits seit November 2018 gilt. Kanzler Scholz und seine Regierung machten bisher aber auch von einer Ausnahmeregel für europäische Gemeinschaftsprojekte keinen Gebrauch mehr.
Weitere Treffen in den Emiraten und Katar
Am Samstagabend sollte Scholz in die Vereinigten Arabische Emirate und dann nach Katar weiterreisen. Beide Länder sind wie Saudi-Arabien wichtige Energie-Exporteure. Welche Verträge über die Lieferung von Gas oder – mittel- und langfristig – Wasserstoff aus der Region nach Deutschland abgeschlossen werden, blieb vor der Reise noch unklar.
Aus dem Umfeld des Kanzlers hieß es: „Wir werden ambitionierte Vorschläge zum Abschluss bringen.“ Die Reise solle aber nicht zu einer reinen „Energie-Einkaufstour“ werden. Scholz wird von elf Top-Managern begleitet. Unter anderen sind Airbus, Thyssenkrupp und Siemens Energy in der Wirtschaftsdelegation vertreten. Die Energiewirtschaft erhofft sich von der Reise nicht nur kurzfristige Gas-Exporte aus der Golfregion.
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