Konferenz der Innenminister:innen: Zehn Milliarden in zehn Jahren
Auch wegen des Kriegs wollen die Innenminister:innen mehr für den Bevölkerungsschutz tun. Beim Einsatz gegen Kindesmissbrauch wird es kontrovers.
Bereits tags zuvor hatten sich Faeser und die Innenminister:innen auf ein neues Gemeinsames Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz geeinigt, das beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe in Bonn angesiedelt werden soll. In Katastrophenfällen sollen sich die Länder in dem Zentrum künftig enger austauschen und unterstützen. Expert:innen sollen dort Risikoszenarien und Lagebilder erarbeiten. Geplant sind vorerst zehn Mitarbeitende und eine elfköpfige Geschäftsstelle.
Faeser nannte das Zentrum und den 10-Milliarden-Euro-Plan „echte Meilensteine“. Der Bevölkerungsschutz bekomme damit endlich die Priorität, „die er schon längst hätte haben müssen“. Man werde hier weiter „massiv investieren“. Sowohl der russische Angriffskrieg als auch die Flutkatastrophe 2021 in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zeige, wie nötig dies sei. Auch IMK-Gastgeber Joachim Herrmann, CSU-Innenminister von Bayern, nannte den Zivilschutz „eines der grundlegenden Schutzversprechen des Staates gegenüber seinen Bürgern“.
Faeser lehnte die 10 Milliarden zunächst ab
Bei der Forderung nach 10 Milliarden für den Zivilschutz war Faeser allerdings zunächst skeptisch und sprach von einer „sehr hohen Summe“. Gestreckt auf zehn Jahre stimmte die Sozialdemokratin nun aber zu. Das Geld soll etwa in den Wiederausbau des Sirenenwarnnetzes, Containerunterkünfte für Notfälle oder in den Cellbroadcast investiert werden, mit dem Warnmeldungen auf Handys verschickt werden können. Offen bleibt, ob am Ende auch die Ampelkoalitionäre und Finanzminister Christian Lindner (FDP) die Summe mittragen. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) kündigte an, dass auch die Länder zusätzlich „ordentlich“ in den Zivilschutz investieren würden.
Zudem soll auch ein „Aktionsplan gegen Desinformation“ erarbeitet werden. Bund, Länder und Kommunen sollen sich in einem Netzwerk zusammentun, um Desinformationskampagnen künftig schneller zu erkennen und kommunikativ zu beantworten.
Mehr Einsatz auch gegen Kindesmissbrauch
Faeser und die anderen Innenminister:innen kündigten auch einen stärkeren Kampf gegen Kindesmissbrauch und Hassbeiträge im Internet an. Erst vor wenigen Tagen wurde ein jahrelanger Missbrauchskomplex in Wermelskirchen mit mehr als 30 Opfern und millionenfachem Bildmaterial aufgedeckt. Faeser sprach von „entsetzlicher Gewalt“, deren Bekämpfung oberste Priorität habe. „Wir brauchen einen maximalen Ermittlungsdruck.“
Die Konferenz forderte Polizei und Justiz auf, zu klären, wie Missbrauchsbilder schneller aus dem Internet gelöscht werden können – oftmals scheitert dies bisher an unklaren Zuständigkeiten. Das BKA soll nun koordinieren. Einig war sich die IMK auch, dass es eine längere Speicherung von IP-Adressen braucht, um Täter:innen zu identifizieren. Dies sei „unbedingt erforderlich“, erklärte Faeser. Wie genau und für wie lange gespeichert werden soll, ließ die Runde zunächst offen. Dies solle bis zum Herbst geprüft werden.
Das Thema ist heikel: Denn die Vorratsdatenspeicherung etwa liegt wegen eines Rechtsstreits seit Jahren auf Eis – und in der Ampel lehnen FDP und Grüne diese ab und betonen den Datenschutz. Gleiches gilt die Identifizierungspflicht, welche die Innenminister:innen ebenfalls beschlossen und mit der Nutzer:innen bei Anbietern künftig ihre Identität nachweisen sollen. Faeser aber betonte, sie sei zuversichtlich, bei diesen Fragen in der Koalition Zustimmung zu erhalten.
Den Vorschlag der EU-Kommission nach einer Chatkontrolle, mit der Messengerdienste verpflichtet werden könnten, ihre Kommunikationsinhalte nach Darstellungen sexualisierter Gewalt zu durchscannen, erteilten die Innenminister:innen dagegen eine Absage. Das gehe zu weit und wäre so, als wenn man in jeden Brief schauen würde, erklärte Faeser. „Ich habe hier bisher auch keinen gehört, der das möchte.“ Selbst CSU-Mann Herrmann sprach von einem „extremen Eingriff“, der so nicht umsetzbar sei.
Protest von Geflüchtetenorganisationen
Gegen die Innenministerkonferenz hatten mehrere Geflüchtetenorganisationen protestiert. Sie forderten eine schnellere Aufnahme von Afghan:innen in Deutschland, die von der Taliban bedroht würden. Auch müsse die Ampel endlich die von ihr angekündigten Verbesserungen beim Bleiberecht für die gut 240.000 Geflüchteten mit Duldung umsetzen, etwa mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht. Weil dies noch nicht geschehen sei, würden bislang weiter Betroffene abgeschoben, die künftig einen Schutzstatus erhielten, klagten die Vereine.
Auf der IMK waren das diesmal allerdings nur Randthemen. Angesprochen auf die Kritik kündigte Faeser am Freitag an, dass sie demnächst ein Migrationspaket inklusive des Chancenaufenthaltrechts vorlegen werde.
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