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Die "Chatkontrolle" schösse nicht (nur) übers Ziel hinaus, sie schösse auch grob daneben, weil ja jetzt schon kaum entsprechende Inhalte über Messenger (oder E-Mail oder was noch alles unter die Vorschläge fällt) verbreitet werden. Wenn überhaupt, laufen darüber einfach Links zu den Inhalten bei irgendwelchen Cloud-Diensten (die das idR gern und schnell löschen, so man sie denn informiert, was die deutschen Behörden bekanntermaßen bisher nicht taten).
Vielleicht sollte man beim Berichten das Framing entsprechend anpassen. Das Ganze ist nicht nur eventuell ein bisschen übertrieben (was sich von interessierter Seite mit "aber denkt doch bitte an die Kinder!1!" wegargumentieren ließe) – die Technik wäre auch überhaupt nicht in der Lage, etwas Sinnvolles beizutragen.
Vgl. netzpolitik.org/20...rundrechte-bedroht , netzpolitik.org/20...ind-minderjaehrig/
-- "Wenn man die Privatsphäre kriminalisiert, haben nur noch Kriminelle eine Privatsphäre."
Auch der Bundespräsident macht mit bei den Rufen nach mehr Abschottung. Bei ihm ist die „Belastungsgrenze“ schnell erreicht – siehe Murat Kurnaz.
Kampf gegen sexualisierte Gewalt: Es gibt keine Wunderwaffe
Gut, dass mehr gegen Missbrauch im Internet getan wird. Die Überwachung von Messenger-Chats schießt allerdings über das Ziel hinaus.
Holger Münch, BKA-Präsident, und Kerstin Claus, unabhängige Beauftragte für sexuellen Missbrauch Foto: Wolfgang Kumm/dpa
Es sind unerträgliche Zahlen, es sind unerträgliche Fälle. Im Schnitt 49 Kinder in Deutschland werden täglich Opfer sexualisierter Gewalt. In 39.000 Fällen wurden im vergangenen Jahr Missbrauchsdarstellungen angezeigt – eine Verdoppelung zum Vorjahr. Und klar ist: Das Dunkelfeld ist in diesem Feld noch viel, viel größer.
Es ist daher richtig, dass die Missbrauchsbeauftragte Kerstin Claus fordert, dieses Dunkelfeld aufzuhellen. Und es ist auch richtig, wenn SPD-Bundesinnenministerin Nancy Faeser mehr Personal in den Sicherheitsbehörden für Ermittlungen ankündigt. Bis heute ist ein Hauptproblem, dass die Ermittler:innen in diesem Feld mit riesigen Datenmengen kämpfen. Viel zu lange dauert es, bis solche Daten bearbeitet und gelöscht werden.
Dass dazu auch das Instrument der Chatkontrolle in Anschlag gebracht wird, mit dem Messenger-Beiträge nach Schlagworten gescannt werden sollen, schießt dagegen über das Ziel hinaus. Denn dieses Instrument würde sich plötzlich nicht nur gegen Hunderte Millionen Nutzer von Messengerdiensten richten, es stellt auch verschlüsselte Kommunikation grundsätzlich infrage.
Zwar wird deren Schutz von der EU-Kommission weiter betont, aber wie genau soll der Massenfilter sonst funktionieren? Und wie genau soll er strafbare Inhalte von harmlosen oder privaten unterscheiden? Schon jetzt ist klar: Die Chatkontrolle ist zu grob, zu weitgehend, sie zieht zu viele Unbeteiligte mit in Verdacht.
Es braucht mehr als die Hoffnung auf eine technische Wunderwaffe: Es braucht ein ganzes Bündel an Maßnahmen. Mehr und geschultes Personal in den Ermittlungsbehörden, das nicht in privaten Chats, sondern in einschlägigen Foren und Plattformen forscht. Einen engeren Austausch der Behörden mit Hilfenetzwerken. Oder Aufklärung für Schulen und Eltern, um stärker für Missbrauchsfälle zu sensibilisieren – auch für Jugendliche, die vielfach strafbare Inhalte online teilen, ohne zu begreifen, was sie da tun.
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Kommentar von
Konrad Litschko
Redaktion Inland
Redakteur für Themen der "Inneren Sicherheit" und stellvertretender Ressortleiter Inland. Seit 2010 in der taz, anfangs im Berlin-Ressort. Seit 2014 Redakteur in der Inlands-Redaktion. Studium der Publizistik und Soziologie.
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