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USA lockern Sanktionen gegen KubaErster Schritt zurück zu Obama

Nach 16 Monaten im Amt erfüllt die US-Regierung von Joe Biden einen Teil des Wahlversprechens, die verschärften Sanktionen gegen Kuba zurückzunehmen.

Vor der US-Botschaft in Havanna Foto: Alexandre Meneghini/reuters

Berlin taz | Die USA haben am Montag mehrere Restriktionen gegen Kuba aufgehoben, die in der Amtszeit des Präsidenten Donald Trump verhängt worden waren. In einer Erklärung des Außenministeriums heißt es: Im Einklang mit den nationalen Interessen der USA ergreife man eine Reihe von Maßnahmen, um die Kubaner*innen, die mit einer beispiellosen humanitären Krise zu kämpfen hätten, dabei zu unterstützen, eine Zukunft ohne Repression und wirtschaftliche Not aufzubauen.

Im einzelnen wird angekündigt, das eingefrorene Familienzusammenführungsprogramm wieder einzuführen, das die legale Einreise von Ku­ba­ne­r*in­nen in die USA erleichtert. Außerdem soll die Deckelung der Überweisungen von Exil­ku­ba­ne­r*in­nen an ihre Verwandten auf der Insel von derzeit 1.000 US-Dollar pro Vierteljahr aufgehoben werden. Ohne irgendwelche Restriktionen gegen kubanische Finanzinstitutionen zu lockern, sollen Wege der direkten Geldüberweisung gefunden werden – und es soll auch möglich sein, kubanische Pri­vat­un­ter­neh­me­r*in­nen direkt mit Kapital zu unterstützen.

Zudem sollen wieder Direktflüge aus den USA auch in andere kubanische Städte außer der Hauptstadt Havanna möglich werden. Gruppenreisen von US-Amerikaner*innen zu Bildungszwecken werden erlaubt.

Die US-Botschaft in Havanna, deren Personal 2017 nach den bis heute ominösen Fällen plötzlicher Erkrankungen mehrerer Bot­schafts­mit­ar­bei­te­r*in­nen fast vollkommen abgezogen worden war, hat schon vor zwei Wochen wieder mit der Bearbeitung von Visa-Anträgen begonnen. Die Konsulabteilung soll wieder aufgestockt werden, wenngleich das State Department betont, dass weiterhin der Großteil der Anträge am US-Konsulat in Georgetown, Guyana, gestellt werden soll.

Zurück zur Obama-Politik?

Mit den Maßnahmen erfüllt die Bidenregierung erstmals seit ihrem Amtsantritt wenigstens einen Teil des Wahlversprechens, die von Trump verhängten Maßnahmen aufzuheben und zur Lockerungspolitik der Obama-Regierung zurückzukehren.

Präsident Barack Obama hatte 2014 die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit der damals noch von Raúl Castro geführten kubanischen Regierung vereinbart, hatte an Restriktionen gelockert, was er ohne Kongressbeschluss lockern konnte und schließlich selbst als erster US-Präsident seit mehr als einem halben Jahrhundert die Insel besucht.

Seine Botschaft damals: Sechs Jahrzehnte Sanktionspolitik sind gescheitert, die US-Regierung suche nunmehr Wandel durch Annäherung. In Kuba war dieser Kurs durch einen drastischen Anstieg der Zahl US-amerikanischer Tou­ris­t*in­nen und im Hafen von Havanna anlandenden Kreuzfahrtschiffen sichtbar geworden. Die Rolling Stones spielten vor fast einer Million Menschen ein Konzert, Havannas berühmte Uferpromenade Malecón war tagelang Drehort für eine Folge von „Fast & Furious“, die Insel veränderte sich.

All das nahm mit der Präsidentschaft Donald Trumps ein jähes Ende. Zwar beendete er offiziell die diplomatischen Beziehungen nicht wieder, nahm jedoch alle sonstigen Änderungen zurück und ergriff noch eine Reihe verschärfter Maßnahmen.

Floridas Latinos und Kubas Repression erschweren die Lockerung

Joe Biden hatte im Wahlkampf versprochen, zur Obama-Politik zurückzukehren, die er selbst als Vizepräsident mit verantwortet hatte. Aber nach einer krachenden Wahlniederlage im wichtigen Swing State Florida, wo Trump 2020 insbesondere unter exilkubanischen und venezolanischen Wäh­le­r*in­nen überdurchschnittlich gut abgeschnitten hatte, verschoben sich die Prioritäten.

Eine interne Auswertung des State Department zog sich hin. Dann kam der Juli 2021, die Demonstrationen in Kuba samt ihrer Niederschlagung mit Massenverhaftungen und politischen Schauprozessen. Und wiederum gab es für die Bidenregierung keinen Anlass, irgendwelche Lockerungen zu verkünden.

Der Zeitpunkt jetzt geht auch nicht einher mit kubanischen Menschenrechtsverbesserungen, im Gegenteil. Er dürfte einem anderen Faktor zu schulden sein: Einwanderungsdruck. Seit das von Daniel Ortega diktatorisch regierte und mit Kuba eng verbündete Nicaragua im vergangenen Jahr die Visapflicht für Ku­ba­ne­r*in­nen aufgehoben hat, gelangten zehntausende zehntausende Ku­ba­ne­r*in­nen über das mittelamerikanische Land in die USA. Dort sind sie wieder eine der größten Gruppen, die über die mexikanische Grenze ins Land kommen. Schon vor einigen Wochen hatten über das Migrationsthema erstmals seit langer Zeit wieder US-kubanische Regierungsgespräche stattgefunden.

Innenpolitisch bleibt es für Biden ein gewagter Schritt, mit den Lockerungen wieder bei Obama anzuknüpfen. Scharfe Kritik kam umgehend von Robert Menendez. Der demokratische Senator mit exilkubanischen Wurzeln ist einflussreicher Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses und erklärte: „Die heutige Ankündigung läuft Gefahr, die falsche Message an die falschen Leute zu schicken, zur falschen Zeit und aus vollkommen falschen Gründen.“

Er sei erschüttert darüber, dass der Tourismus wieder erlaubt werde. „Um ganz deutlich zu sein: Wer immer noch glaubt, dass verstärktes Reisen die Demokratie in Kuba hervorbringen könnte, verleugnet die Realität.“

Und Marco Rubio, ebenfalls kubanischstämmiger republikanischer Senator aus Florida, schrieb auf Twitter: „Das Regime in Kuba hat Biden mit Masseneinwanderung gedroht und hat Sympathisanten innerhalb der Regierung. Im Ergebnis sehen wir heute die ersten Schritte zurück zur gescheiterten Obama-Politik in Kuba.“

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1 Kommentar

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  • Gute Darstellung. Die Kubaner:innen wird's freuen.



    Macht auch deutlich, in welchem Minenfeld von freundlichen und feindlichen Senator:innen und 'Parteifreund:innen' Biden seine politischen Schritte abwägen muss. Dazu noch die Grabenkämpfe bei den Demokraten. Und die mit Idiotie bewaffnete Reps-Horde für die Schlachten bei der nächsten Wahl taucht bereits am Horizont auf ...