Ukraine in der Gegenoffensive: Soldat soll vor Gericht

Ukraine kündigt Prozess gegen russischen Kriegsgefangenen an. UN-Menschenrechtsrat hält Sondersitzung über russische Kriegsverbrechen ab.

Menschen stehen und sitzen in einer Warteschlange, die Gesichtsausdrücke wirken erschöpft. Das Bild ist eindrucksvoll nah dran und hat krasse Farben

Menschen in einer Warteschlange für humanitäre Hilfe in Charkiw, am 11. Mai 2022 Foto: Aziz Karimov/imago

BERLIN afp, rtr, taz | Die Ukraine hat einen ersten Kriegsverbrecherprozess gegen einen russischen Soldaten angekündigt. Der 21-jährige Wadim Schischimarin wird beschuldigt, aus einem gestohlenen Auto heraus einen Zivilisten erschossen zu haben.

Das Büro der ukrainischen Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa in Kiew veröffentlichte ein unscharfes Foto des Beschuldigten. Der 21-jährige Soldat wollte den Angaben zufolge nach einem Angriff auf seinen Konvoi in der nordukrainischen Region Sumy am 28. Februar mit vier Kameraden in einem gestohlenen Auto fliehen. Das Opfer, ein 62-jähriger unbewaffneter Zivilist, war demnach mit seinem Fahrrad unweit seines Hauses im Dorf Tschupachiwka unterwegs. Laut Staatsanwaltschaft schoss der russische Soldat auf Befehl eines seiner Kameraden auf den Mann, da dieser Zeuge des Autodiebstahls geworden war. Schischimarin droht eine lebenslange Haftstrafe wegen Kriegsverbrechen und Mord.

Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft machte keine Angaben zu den Umständen seiner Gefangennahme sowie dem Schicksal der übrigen vier russischen Soldaten. Ein Termin für den Beginn des Prozesses wurde nicht genannt.

Die ukrainische Vize-Außenministerin Emine Dschaparowa schaltete sich am Donnerstag per Video zu einer Sondersitzung des UN-Menschenrechtsrates in Genf dazu. „Tausende haben in meinem Land ihr Leben verloren. Die Bombardements und der russische Beschuss sind Teil unseres täglichen Lebens geworden“, sagte Dschaparowa. „Folter, Verschleppungen, sexuelle Gewalt – die Liste der russischen Verbrechen ist endlos.“

Die ukrainische Gegenoffensive geht weiter

UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet erklärte, allein in der Region um Kiew seien bislang rund 1.000 Leichen geborgen worden. Es gebe mittlerweile Informationen über rund 300 extralegale Hinrichtungen. Viele der überprüften Menschenrechtsverletzungen könnten als Kriegsverbrechen eingestuft werden. „Das Ausmaß illegaler Hinrichtungen einschließlich der Hinweise auf Massenexekutionen in den Gebieten nördlich von Kiew ist schockierend“, sagte Bachelet.

Der UN-Menschenrechtsrat hielt seine Sondersitzung auf Antrag Kiews ab. Am Ende sollte in einer Erklärung der 47 Mitgliedstaaten eine internationale Untersuchung zu den ab Ende Februar und im März verübten Gewalttaten in den Regionen von Kiew, Tschernihiw, Charkiw und Sumy gefordert werden. Der UN-Menschenrechtsrat vollzieht bereits eine Untersuchung durch eine Expertenkommission, die vergangene Woche vierzehn Orte in den zeitweise russisch besetzten Gebieten der Nordukraine besuchte.

Derweil ging nördlich der Millionenstadt Charkiw die ukrainische Gegenoffensive weiter. Die ist mittlerweile der Grenze zu Russland so nahe gekommen, dass der Gouverneur der russischen Grenzregion Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, ukrainischen Einheiten den Beschuss des Dorfes Solochi nahe der Grenze vorwarf.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.