Erfolg von Petitionen: Geht lieber auf die Straße

Unser Autor hält nicht viel von Petitionen, bisher waren all seine Unterschriften umsonst. Für ihn gibt es viel effektivere Wege, sich zu engagieren.

Eine Hand hält einen Kugelschreiber

Wieviel bewirkt eine Unterschrift? Foto: imago

An Petitionen glaube ich nicht. Das ist in progressiven Kreisen eine schwierige Aussage. Auch weil sehr viele Menschen diesen Weg der Partizipation gehen und mir gerne Links zu Online-Petitionen schicken. Deswegen muss ich mich an dieser Stelle erklären.

Ich habe selbst Petitionen unterschrieben, obwohl ich als investigativer Journalist eine objektive Aura aufrechterhalten muss. Jedes Mal, wenn ich meinen Namen druntergesetzt habe, egal ob online oder offline, habe ich mich gefragt, was das bringt. Zumindest jene Petitionen, die ich unterstützt habe (in Bereichen Pressefreiheit, Ökologie oder Antirassismus), waren umsonst.

Ich bin natürlich NICHT GEGEN Petitionen. Ich glaube nur nicht an ihre Kraft, so wie sie manchmal von entsprechenden Plattformen angepriesen werden. Wie oft habe ich schon erlebt, dass Petitionen die Runde gemacht haben, damit Menschen nicht ins Kriegsgebiet abgeschoben werden. In einigen wenigen Fällen hat das vielleicht geklappt, meistens haben aber lautstarke Demos, Engagement in Vereinen oder NGOs, journalistische Berichterstattung oder andere Fluggäste, die den Abflug schlicht blockiert haben, dafür gesorgt, dass die Betroffenen vor der Abschiebung gerettet wurden. Petitionen sind höchstens ein kleiner Baustein im solidarischen Haus.

Sie verleihen, das ist aus meiner Sicht am fatalsten, oft das Gefühl, dass man genug gemacht hat – weil man seine Unterschrift unter eine wichtige Forderung an die Politik, ein Unternehmen oder eine mächtige Person gesetzt hat. Natürlich kann man unterschreiben und trotzdem noch andere Wege des Engagements gehen, aber seien wir mal ehrlich: Viele begnügen sich mit dem Klick und teilen höchstens den Link auf sozialen Medien.

Neben informellen Petitionen gibt es auch jene, die einem Parlament vorgeben, was zu debattieren ist. Der Bundestag organisiert solche Formen der Partizipation über den Petitionsausschuss: Auf der Seite des Ausschusses dümpeln die meisten Petitionen mit zehn bis hundert Unterschriften auf den Servern herum. Auch jene, die mehr Unterschriften auf sich vereinen können, aktuell zum Beispiel zum Thema energetische Unabhängigkeit vom Putin-Regime, haben nicht viel zu bedeuten:

Der Ausschuss muss sich bei Erreichung des Quorums damit beschäftigen, mehr nicht. Die politische Willensbildung geschieht in den Parteien. Ich habe den Verdacht, Petitionen werden von politischen Ent­schei­dungs­trä­ge­r*in­nen gerne als Ventile genutzt. Auf die Straße gehen, in Abgeordnetenbüros anrufen oder im Wahlkampf progressive Politik einfordern, sind viel effektiver. Für Querdenker und Nazis gilt natürlich: Petitionen sind toll.

Fazit: Wenn durch eine Petition der Kapitalismus oder die grassierende Polizeigewalt abgeschafft, Dieter Nuhr oder Mario Barth abgesetzt werden, lasse ich mich gerne umstimmen.

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Mohamed Amjahid ist freier Journalist und Buchautor. Bei Twitter schreibt er unter dem Handle @mamjahid, bei Instagram @m_amjahid. Seine Bücher "Der weiße Fleck. Eine Anleitung zu antirassistischem Denken" und "Let's Talk About Sex, Habibi" sind bei Piper erschienen.

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