Urteil gegen Initiator des Ibiza-Videos: Auffällig intensive Ermittlungen

Julian Hessenthaler, Drahtzieher des Ibiza-Videos, wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Mit dem Video habe das nichts zu tun, so der Richter.

Eine Person in Handschellen wird von Personen in Uniform durch eine Holztür geleitet

Ibiza-Video-Macher Julian Hessenthaler im Landgericht von St. Pölten am Mittwoch Foto: Georges Schneider/imago images

WIEN taz | Dreieinhalb Jahre Haft wegen Kokainhandels. Dieses noch nicht rechtskräftige Urteil eines Schöffengerichts in St. Pölten in Niederösterreich am Mittwoch hätte wohl kaum internationale Schlagzeilen gemacht, wäre der Verurteilte nicht über die Landesgrenzen hinaus bekannt.

Julian Hessenthaler hat sich als Drahtzieher des inzwischen berühmten Ibiza-Videos einen Namen gemacht. Das im Sommer 2017 in einer Villa auf der Baleareninsel aufgenommene Video hat 2019 in Österreich die erste Regierung von Sebastian Kurz (ÖVP) zu Fall gebracht und die politische Karriere des Rechtspopulisten Heinz-Christian Strache (FPÖ) beendet. Strache verspricht da einer falschen russischen Oligarchin die halbe Republik, wenn sie ihn durch verdeckte Parteispenden in die Regierung bringe.

Hessenthaler wird deswegen von vielen als Held, von anderen als Schurke gesehen. Mit dem Ibiza-Video habe der Strafprozess nichts zu tun, versicherten immer wieder Richter und Staatsanwalt. Verteidiger und Menschenrechtsanwälte wollen das nicht so recht glauben. Für die heimliche Herstellung des enthüllenden Videos kann der Mann nämlich nicht belangt werden. Strache und seine Getreuen haben es aber verstanden, die öffentlichen Wahrnehmung mit dem Spin zu beeinflussen, dass der eigentliche Skandal nicht der Inhalt der Aufnahme, sondern deren Inszenierung sei. Hessenthaler, ein wenig glorioser Detektiv, war vor fast anderthalb Jahren in Deutschland festgenommen und bald darauf an Österreich ausgeliefert worden.

Corpus Delicti und Ursache für die Anklage ist ein Staubsaugerbeutel, der nicht mit Staub, sondern mit Kokain gefüllt war und sich im Keller einer späteren Belastungszeugin fand. Laut Staatsanwaltschaft hat diese Frau eine „Lebensbeichte“ abgelegt und den 41-jährigen Detektiv als Lieferanten belastet. Hessenthaler wurde schuldig gesprochen, 2017 und 2018 insgesamt 1,25 Kilo Kokain in Niederösterreich, Salzburg und Oberösterreich zu einem Grammpreis von 40 Euro an einen Bekannten übergeben zu haben.

17 Beamte in „Soko Tape“

Außerdem wurde ihm Dokumentenfälschung zur Last gelegt, weil er 2019 bei einer Polizeikontrolle in Wien einen gefälschten slowenischen Führerschein vorgewiesen hatte.

Schon die sehr lange Untersuchungshaft von 16 Monaten hatte zu Diskussionen in Juristenkreisen geführt. Verteidiger Wolfgang Auer stellte in seinem Schlussplädoyer einen Zusammenhang mit dem Ibiza-Video her: „Das politische System in Österreich ist sehr korruptionsanfällig.“ Man verfolge Whistleblower, um „ein Exempel zu statuieren“.

Hessenthaler, der vor der Urteilsverkündung noch einmal zu Wort kam, fand es „bemerkenswert“, dass trotz ressourcenintensiver Ermittlungen sowie eigener Sonderkommission „nicht ein einziger Sachbeweis“ vorliege: „Das ist mehr als ungewöhnlich.“ 17 Beamte einer eigens geschaffenen „Soko Tape“ hatten monatelang geschnüffelt, abgehört, Wohnungen und Büros durchsucht. Kein Standard bei gewöhnlichen Drogenhändlern.

Hessentahter sah sich daher als Opfer einer „einseitig ermittelnden Soko und Staatsanwaltschaft“. Bei den angeblichen Fehlern in den Ermittlungen gegen ihn handle es sich nicht um „reine Schlampigkeit, sondern Einseitigkeit“. Beamte hätten der Hauptbelastungszeugin eingeflüstert, was sie zu sagen habe. Die Zeugen hätten ihre Aussagen aneinander angepasst.

Letztes Kapitel nicht geschrieben

Mangels Sachbeweisen stützte sich das Gericht ausschließlich auf Zeugenaussagen. Diese, so Verteidiger Auer, enthielten „so viele Widersprüche, dass einfach gar nichts mehr übrig bleibt“. Das sah der Richter anders. Er gab zwar zu, dass bei der Beweisführung einiges „sehr suspekt“ sei, gerade die Widersprüchlichkeit der Zeugenaussagen überzeugte ihn aber, dass sich die Zeugen nicht abgesprochen hätten.

Als Belastungszeugen traten Hessenthalers ehemaliger Geschäftspartner Slaven K., dessen Ex-Freundin Katharina H. und Edis S. auf, die einander bei den Vernehmungen gegenseitig der Lüge bezichtigten und sich „Wahnvorstellungen“ vorwarfen. Alle drei gaben außerdem an, vom FPÖ-nahen Betreiber der rechtslastigen Plattform eu-infothek, Gert Schmidt, insgesamt 55.000 Euro für Informationen über Hessenthaler bekommen zu haben. Laut der Wochenzeitung Falter hat Schmidt außerdem Slaven K. 10.000 Euro für einen Anwalt in einem Drogenprozess bezahlt und Edi S. einen Job verschafft.

Auch der renommierte Verfassungs- und Menschenrechtsprofessor Manfred Nowak fand jüngst im ORF, es sei naiv, keine Zusammenhänge mit dem Ibiza-Video zu sehen: „Da muss man dann schon objektiv sagen: Okay, was sind die Interessen, die hier eine Rolle spielen, wenn die Staatsanwaltschaft hier viel, viel mehr Augenmerk auf den Herrn Hessenthaler richtet, also auf den Whistleblower, wenn man so will, als auf denjenigen, der sich in diesem Video klar als jemand zu erkennen gegeben hat, der gerne viele Dinge der Republik Österreich – es war ja noch viel mehr – verkaufen würde. Da ging es schon um sehr viel Korruption. Und das kann man nicht völlig voneinander trennen.“

Das letzte Kapitel in der Affäre Hessenthaler ist jedenfalls noch nicht geschrieben. Der Verteidiger hat wegen Verfahrensfehlern Nichtigkeitsbeschwerde angekündigt. Die Causa geht in die nächste Runde.

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