Folgen des Ukrainekriegs in Ostafrika: Ferner Krieg so nah

Krieg in der Kornkammer der Welt: Brechen Exporte aus der Ukraine und Russland ein, wird die Ernährungslage in Ostafrika noch schwieriger.

Ein Mann steht in einm Feld mit einem Büschel Weizen in der Hand

Ein Bauer bei der Weizenernte in Äthiopien: Wegen der Dürre ist das Land auf Importe angewiesen Foto: Stefan Trappe/imago

KAMPALA taz | Der Krieg in der Ukraine kann die Lebensmittelkrise vor allem in Ostafrika weiter verstärken. Davor warnt jetzt das UN-Welternährungsprogramm (WFP). „Konflikte sind eine der Haupt­ursachen für Hunger und Ernährungsunsicherheit in der Welt“, erklärt WFP-Direktor David Beasley: „Wir haben jetzt 283 Millionen Menschen, die in Richtung Hunger marschieren, und 45 Millionen klopfen an die Tür der Hungersnot.“

Das Problem: Die Region um das Schwarze Meer, wo die Ukraine liegt, ist quasi die Kornkammer der Welt. 18 Prozent des globalen Weizenexports, 40 Prozent des weltweiten Sonnenblumenöl-Exports und 14 Prozent der globalen Mais-Exporte stammen dorther. Eine Unterbrechung dieser Lebensmittelexporte auf den Weltmarkt werde die Preise extrem ansteigen lassen. Bereits jetzt hat der globale Weizenpreis ein Rekordhoch erreicht.

Hauptsächlich betroffen wären laut WFP die Länder am Horn von Afrika und in Ostafrika: Sudan, Südsudan, Kenia, Äthiopien. Diese Länder sind aufgrund klimatischer Veränderungen ohnehin am Rande einer Hungerkrise: wenig Regen, lange Trockenzeiten. WFP warnt: Die Zahl der Menschen, die weltweit möglicherweise verhungern, war bereits in den vier Jahren vor der russischen Invasion von 80 Millionen auf 276 Millionen gestiegen. Am schlimmsten betroffen seien die Menschen am Horn von Afrika: 13 Millionen leiden bereits dort an Hunger.

„Die Weizenmärkte in der Region Ostafrika sind derzeit gut versorgt“, so WFP. Wenn sich allerdings die Lagerbestände verringern und Handelsstörungen eintreten, „besteht Potenzial für steigende Preise von Weizenprodukten“, so eine WFP-Analyse für die Region Ostafrika. „Das Ausmaß wird davon abhängen, wie schnell sich die Importeure und Händler der Region anpassen werden und neue Getreidequellen finden.“

Weizen aus der Ukraine, Dünger aus Russland

Weizen macht ein Drittel des durchschnittlichen Getreideverbrauchs in der Region Ostafrika aus, vor allem in Dschibuti, Eritrea und Sudan. 84 Prozent der Weizennachfrage werden durch Importe gedeckt. Russland und die Ukraine liefern gemeinsam rund 90 Prozent des Weizens – versiegen diese Quellen, wird es problematisch. Am schlimmsten betroffen wäre Eritrea. Das kleine, wirtschaftlich fast ganz isolierte Land bezieht fast 100 Prozent des Weizens aus Russland. Das berühmte fermentierte Injera-Brot gehört zu den Hauptlebensmitteln in dem bettelarmen Land.

Selbst Südsudan, das keinerlei Weizen aus Russland und der Ukraine bezieht, wäre indirekt betroffen. Es bezieht Getreide vor allem aus den Nachbarländern Uganda und Kenia, die wiederum aus Russland und der Ukraine einkaufen. Die Süd­sudanesen bauen aufgrund ihres Bürgerkrieges kaum eigene Lebensmittel an. Sie sind fast komplett von Importen abhängig, um zu überleben.

Ein zusätzliches Problem: Russland ist der größte Lieferant von Düngemitteln für die landwirtschaftlich geprägten Länder Ostafrikas. Wenn diese Lieferungen aufgrund der Sanktio­nen ebenso eingestellt werden, könne dies ebenso negative Auswirkungen auf die Lebensmittelproduktion haben.

Die ostafrikanischen Länder befinden sich derzeit wirtschaftlich ohnehin in einer desolaten Lage. Die Langzeitfolgen der Coronapandemie machen sich überall bemerkbar: hohe Inflationsraten und niedriges Wirtschaftswachstum. Hinzu kommen wochenlange Streiks der Lastwagenfahrer aufgrund der teuren Coronatests an den Grenzen. Diese haben jüngst die Benzinpreise auf Rekordniveau hochschnellen lassen.

„Gerade wenn du denkst, die Hölle auf Erden kann nicht schlimmer werden, tut sie es“, schlussfolgert WFP-Direktor Beas­ley. Eine jüngste Umfrage der Universität Cambridge gemeinsam mit Ugandas Makerere-Universität ergab, „dass die Lebensgrundlage von 76 Prozent der Befragten im vergangenen Jahr ohnehin durch Umweltveränderungen beeinträchtigt wurde“. Kommen nun noch erhöhte Preise und knappe Liefermengen hinzu, steigt diese Zahl gewaltig an.

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