Afrika und Russlands Ukraine-Invasion: Alte Solidarität und neue Bande

Nicht alle Länder schlossen sich jüngst in der UN-Vollversammlung der Verurteilung Russlands an. Viele von ihnen liegen in Afrika. Warum?

Ein großes Gebäude wird in blau-gelbem Licht angestrahlt

Blaugelbes Licht am Rathaus von Kapstadt – doch in der Generalversammlung enthielt sich Südafrika Foto: reuters

KAPSTADT taz | Als die UN-Generalversammlung am 2. März gegen die Invasion Russlands in der Ukraine abstimmte, unterstützte eine überwältigende Mehrheit von 141 Ländern den Antrag, fünf waren dagegen und 35 enthielten sich der Stimme.

Fast die Hälfte der Enthaltungen, 17 Staaten, waren vom afrikanischen Kontinent.

Diese 17 Staaten, darunter auch Südafrika, stellen fast ein Drittel der 54 Länder Afrikas. Woher kommt diese scheinbar schwache Haltung bei extremen Verstößen nicht nur gegen Menschenrechte, sondern auch gegen internationale Abkommen, die für das Ende des Kolonialismus einmal so bedeutsam waren? Rechtfertigt die historische Unterstützung vieler Befreiungsbewegungen in Afrika durch die damalige Sowjetunion ein Wegsehen bei Kriegsverbrechen von Putin gegen die Bevölkerung der Ukraine heute?

Immerhin – wichtige und bevölkerungsreiche Staaten wie Nigeria, Kenia oder Ghana, das als erstes Land Afrikas 1957 unabhängig wurde, stimmten für die eindeutige Verurteilung Russlands. Unvergessen ist auch die bewegende Rede zur Unverletzlichkeit der Grenzen aller Länder von Kenias UN-Botschafter Martin Kimani kurz vor Beginn der russischen Invasion.

Im ANC gibt es Streit über die richtige Position

Afrikanische Staaten jedoch wie Mosambik, Namibia und Südafrika, in dessen Verfassung die Achtung von Menschenrechten und internationalen Abkommen an erster Stelle steht, enthielten sich. Als einziges Land Afrikas votierte das kleine Eritrea sogar gegen die Verurteilung – gemeinsam nur mit Russland, Belarus, Syrien und Nordkorea.

Selbstverständlich rechtfertigte die Botschafterin Südafrikas bei den Vereinten Nationen, Mathu Joyini, noch am gleichen Tag diese Entscheidung: „Wir finden, dass der zur Abstimmung vorgelegte Antrag mehr dazu hätte sagen müssen, wie beide Seiten – Russland und die Ukraine – näher zu einem Dialog gebracht werden können.“ Und darum Schweigen zur Verletzung der Souveränität eines Landes sowie nachweislichen Bombenangriffen auf die Zivilbevölkerung?

Dass die politische Opposition Südafrikas, wie die Democratic Alliance (DA), sich umgehend empörte, war zu erwarten. Jedoch auch innerhalb der Regierungspartei African National Congress (ANC) kam es zu Widerspruch. In einer Petition, die nicht nur von Ver­tre­te­r*in­nen von Kirchen und zahlreichen Menschenrechtsorganisationen wie dem Black Sash, sondern auch von ANC-Mitgliedern unterzeichnet war, stand zu lesen: „Südafrika muss sich deutlich gegen den Krieg in der Ukraine aussprechen. Alle russischen Soldaten müssen heimkehren. Dies muss klar und unmissverständlich gesagt werden.“

Noch deutlicher äußerte sich die Nelson-Mandela-Stiftung in Johannesburg am Wochenende: „Wir fordern die Regierung Südafrikas dringend auf, Verantwortung zu zeigen und sich für einen sofortigen Waffenstillstand einzusetzen … Wenn (internationale) Gesetze nicht mehr gelten und Gewaltstrategien akzeptiert werden, sind es immer die schwächeren Länder, die am meisten leiden.“

Die Enthaltungen hatten unterschiedliche Gründe

Im Falle Südafrikas sind es nicht allein historische motivierte Gründe, die zu scheinbarer Vorsicht gegenüber Moskau führen: Es bedeutete der südafrikanischen Regierung viel, nachträglich als Mitglied von BRIC aufgenommen zu werden – einem Zusammenschluss der Länder Brasilien, Russland, Indien und China, die seit 2009 mit ihren Rohstoffen und relativ niedrigen Lohnkosten als Alternative zu den Treffen der wirtschaftlich stärksten Nationen (G7+) gelten. Und doch gibt es hier keinen Gruppenzwang: Zwar haben sich auch Indien und China bei der UN-Abstimmung enthalten, Brasilien jedoch stimmte gegen Russland.

Nach langem Schweigen begründete Präsident Cyril Ramaphosa am Montag Südafrikas Position mit der Aussage: „Südafrika hat sich enthalten, da die UN-Resolution nicht ernsthafte Verhandlungen an die erste Stelle setzte. Unsere Erfahrungen mit dem Ende der Apartheid und unsere Rolle bei Friedensverhandlungen auf unserem Kontinent haben gezeigt, dass selbst extrem unlösbar erscheinende Probleme letztlich nur am Verhandlungstisch gelöst werden können.“

Nicht allen afrikanischen Ländern, die sich enthielten, kann diese Haltung attestiert werden. Einige wie Mali, Simbabwe, Sudan oder Uganda nehmen Menschenrechte nachweislich selbst nicht ernst.

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