Umgang mit depressiven Menschen: Es braucht viel Geduld

Wer mit einem depressiven Menschen zu tun hat, stößt unweigerlich an seine Grenzen, denn der Umgang mit Ihnen ist anstrengend.

Eine Person bedeckt ihr Gesicht mit einem Kopfkissen

So eine depressive Episode zieht sich hin – und geht vorüber Foto: Science Photo Library/imago images

Depressive Menschen sind anstrengend. Zumindest der Umgang mit ihnen ist es. Ich weiß das, schließlich bin ich eine von ihnen. Während einer depressiven Episode bin ich oft gereizt, außerdem klage und schwarzmale ich – wenn ich denn überhaupt spreche. Meist ziehe ich mich zurück, sage Verabredungen ab und antworte nicht – oder nur einsilbig – auf Nachrichten. Das erfordert bei den Menschen in meinem Umfeld vor allem eines: Geduld. Geduld ist die Kernkompetenz im Umgang mit Depressionen. Das gilt fürs Umfeld ebenso wie für die Betroffenen selbst. Denn so eine depressive Episode zieht sich je nach Intensität hin.

Ein bisschen ist es wie mit der Pandemie: Irgendwann will keiner mehr darüber reden, geschweige denn daran denken. Alles soll einfach wieder „normal“ sein – was auch immer das bedeutet. Dem Coronavirus ist es aber egal, ob wir noch Bock auf es haben. Und so ist es eben auch mit einer Depression: Die richtet sich nicht nach dem eigenen Lustempfinden und schon gar nicht nach dem anderer.

Wer mit einem depressiven Menschen zu tun hat, stößt unweigerlich an seine Grenzen: mal früher, mal später, aber in jedem Fall irgendwann. Und das ist auch gut so. Schließlich kann niemand das alleine auffangen. „Es gibt den schönen Satz: Der Gesunde muss darauf achten, dass er gesund bleibt“, sagte die Moderatorin Britta Nothnagel in einem Interview mit dem Zeit Magazin Online. Darin sprechen Nothnagel und ihre ehemalige Partnerin Sonja Koppitz über deren Depression – und wie sich diese auf die gemeinsame Beziehung ausgewirkt hat. Von Trauer ist dort die Rede, ebenso von Hilflosigkeit und Schuldgefühlen. All das belastet eine Beziehung, egal ob amourös, familiär oder freundschaftlich.

Während meiner bisher schwersten depressiven Episode Anfang zwanzig lebte ich gerade mit einer Freundin zusammen. Wir hatten zusammen Abi gemacht, waren gemeinsam in eine andere Stadt, in ein anderes Land gezogen, verkehrten in denselben Kreisen und arbeiteten zeitweise sogar miteinander. Als ich an einer Depression erkrankte und mich irgendwann so gut wie nicht mehr aus dem Bett bewegte, zog sich meine Freundin zurück. Mich verletzte das und ich verstand es nicht. Mit meinem heutigen Wissen denke ich, dass sie sich mindestens hilflos, wenn nicht gar maßlos überfordert gefühlt haben muss. Vermutlich wusste sie nicht, wie sie mir hätte helfen können. Ich wusste es ja selber nicht.

„Wir haben Anna einen Psychiater und eine Therapie gesucht und reden viel. Wenn Anna nicht schlafen kann, kommt sie zu mir […]. Mehr kann ich nicht tun. Ich kann das nicht heilen“, schreibt Sarah Kuttner in ihrem Roman „Mängelexemplar“ von 2009. Ich wünschte, ich hätte es damals schon gelesen gehabt. Dann hätte ich es meiner Freundin geben können. In dem Buch steckt alles, was man als Laie im Umgang mit einer depressiven Person braucht.

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Sophia Zessnik ist seit 2019 bei der taz und arbeitet in den Bereichen Kultur und Social Media. Sie schreibt am liebsten über Alltägliches, toxische Männlichkeit und Menschen im Allgemeinen. In ihrer Kolumne „Great Depression“ beschäftigt sie sich außerdem mit dem Thema psychische Gesundheit.

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