Kunstzentrum in Berlin-Spandau: Die Tiefe der Bilder

Im ZAK in der Zitadelle Spandau lotet die Ausstellung „Figure. No Figure. X“ verschiedene Strategien des malerischen Erzählens aus.

Blick in einen Saal der Ausstellung „Figure. No Figure“ mit Objekten von Salome Haettenschweiler und Bildern von Verena Schirz-Jahn

Die Ausstellung „Figure. No Figure“ mit Arbeiten von Salome Haettenschweiler und Verena Schirz-Jahn Foto: ZAK-Zentrum-fuer-Aktuelle-Kunst-copyright-VG-Bild-Kunst

Am Eingang der Zitadelle Spandau erhält man ein kleines Faltblatt zur Information. Man kann in einen Fledermauskeller hinabsteigen, im ehemaligen Proviantmagazin abgestellte Berliner Denkmäler besuchen, durchweg männlich, – Lenins Kopf gilt als besondere Attraktion -, sich mit der Geschichte der Festung Spandau beschäftigen oder in der ehemaligen Exerzierhalle Prunkgeschütze aus dem 17. Jahrhundert anstaunen. Ganz unten auf dem Faltblatt ist auch ein Hinweis auf das ZAK.

Tatsächlich ist das Zentrum für Aktuelle Kunst eine kleine Sensation in diesem geschichtssatten Ambiente. Nicht nur weil die Säle mit 2.500 Quadratmetern Ausstellungsfläche in einer ehemaligen Kaserne die größte kommunale Galerie Berlins bieten. Sondern auch, weil hier Ralf Hartmann, der 2017 Kulturamtsleiter von Spandau wurde und das Zentrum für Aktuelle Kunst initiiert hat, seitdem vor allem mit vielen Künstlerinnen aus Berlin großzügige Ausstellungen auf den Weg gebracht hat. Auch in dem Wissen, wie schwer es gerade oft ältere Künstlerinnen haben, gesehen zu werden, zumal dann, wenn ihre künstlerische Biografie von längeren Lehrtätigkeiten oder sozialen Kunstprojekten unterbrochen war.

Drei Ausstellungen sind derzeit zu sehen: eine davon „Figure. No Figure. X.“ arbeitet mit vier Künstlerinnen aus Berlin, die zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit unterschiedliche Positionen einnehmen und sich auf verschiedene Art ins Verhältnis setzen zur Geschichte der Malerei.

Streifenbilder oder sich überlagernde farbige Kreise von Verena Schirz-Jahn erinnern zwar an Hardedge-Malerei und konkrete Kunst, doch ist ihr Farbauftrag durchlässiger und leichter. Horizontale und vertikale Ordnungen und geometrische Formen erzählen zunächst zwar von der Arbeit der Reduktion und der Konzentration. Die Transparenz der Farben aber und ihr Leuchten mildern die strenge Ausstrahlung. Ein persönlicher Malduktus ist getilgt, aber die Zusammenklänge der Farben sind vielstimmig und bringen jeweils einen sehr eigenen Akkord in die Ausstellungsräume.

ZAK in der Zitadelle Spandau, „Figure. No Figure. X“, Fr – Mi 10 bis 17 Uhr, Do 13 – 20 Uhr, bis 18. April. Am 3. März, 18 Uhr, findet ein Ausstellungsrundgang mit den Künstlerinnen statt.

Verena Schirz-Jahn, 1944 geboren, ist die älteste der vier Malerinnen. Anja Billing, Jahrgang 1967, ist die jüngste. Auf großen Leinwänden wird bei ihr zuerst die Farbe selbst zum Ereignis, expressiv, explosiv und mit malerischen Gesten in Bewegung, die emotional aufgeladen wirken. Ihr Bildgefüge lässt sich nicht so schnell erfassen, die Augen sortieren noch, wo es in die Tiefe geht, wo etwas heraussticht, und nehmen dabei erst allmählich wahr, dass da noch mehr ist.

Suchen und Entdecken

Aus Flecken, Schemen, Linien schält sich Figürliches, Vegetatives, Innen- oder Außenräume. Eine zweite narrative Struktur verbindet sich mit der Ereignishaftigkeit des malerischen Aktes selbst; was erst abstrakt schien, wird von Erinnerungen an Anderes durchdrungen. Das regt in der Ausstellung an, immer wieder von einem zum anderen Bild zu laufen und zu suchen, was man noch entdecken kann.

Nicht wenige von Anja Billings Motiven in der Zitadelle verweisen auf ältere Kunst, Figurenkonstellationen aus den Darstellungen von Heiligen und Marien mit Kind etwa. Als ob am Grund der Bilder, bevor sie sich in der Gegenwart entfalten, immer auch ein Weg nach rückwärts, in die Geschichte der Kunst wiese und ohne das Wissen um diese Geschichte nicht gut zu erzählen wäre, was sich jetzt in der Gegenwart ereignet.

Ein Gemälde von Anja Billing, die Farben sehr bewegt, teils kann man Pflanzen und eine Figur im Spiegel ahnen

Anja Billing, „Salon Proust“, 2019 Foto: Anja Billing

Zwischen Billings und Schirz-Jahns Bildern bewegen sich einige Objekte von Salome Haettenschweiler. Nun, ganz konkret bewegen sie sich nicht, aber nicht nur, weil sie teils auf kleine Rollen gesetzt sind, muten sie wie beweglichen Einheiten an, kleine Schwärme in Weiß oder Schwarz, die in Fußhöhe Grüppchen am Boden bilden.

Auch Salome Haettenschweiler versteht sich als Malerin, bei der die Farbe freilich nicht immer auf der Fläche bleibt, sondern mittels bemalter Leinwandstreifen Objekte formt. Oder Objekte aus Papier werden übermalt. Manchmal bildet auch ein malerischer Stoffdruck die Haut der Dinge.

Wie Tänzer im Raum

Es gibt gleich am Eingang der Ausstellung ein hohes, stuhlähnliches Objekt in Rot, dem seine Lehne etwas Stolzes verleiht, während die Umwicklung mit roten Leinwandstreifen auch etwas Verletzbares und Gebrochenes erzählt. Im Raum der Ausstellung nehmen Haettenschweilers Objekte Rollen an, die sich den Raum wie Tänzer aneignen.

Aber von Haettenschweiler sind auch große Papierarbeiten zu sehen, in denen sie zum Beispiel mit nebeneinander gesetzen Kreisformen dem Werk von Verena Schirz-Jahn nahekommt. So stellen sich Verbindungen zwischen den Künstlerinnen her, die sich vorher nicht kannten und erst vom Kurator hier zusammengebracht wurden.

Die vierte Malerin ist Paola Neumann, die das Malerische jenseits des Erzählerischen auslotet. Auf ihren Bildern gibt es farbige Wolken, die aber wie unscharf und auf dem Rückzug wirken. Gerade noch, dass sie einen malerischen Raum andeuten, auf dem sie aber schon in weite Ferne davon geschwebt sind.

Oberflächlich werden Abstraktion und Gegenständlichkeit teils noch immer als Gegensätze behandelt; was sie aber nur in Teilabschnitten der Geschichte waren, die die Begriffe kulturpolitisch aufheizte. Die Malerei lebt hingegen oft vom Spannungsfeld zwischen diesen Polen. Und das lässt sich in „Figure. No Figure. X“ gut nachvollziehen.

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