Ausstellung zu Berliner Denkmälern: Hello again, Lenin!
In der Zitadelle Spandau ist in einer neuen Ausstellung der frisch ausgegrabene Kopf des Lenindenkmals zu sehen. Eine berührende Begegnung.
Fast wirkt er zufrieden, der Kopf von Lenin, wie er da liegt mit seinen vier Schrauben im Kopf. Und irgendwie hat er ja auch recht, der Lenin, denn hier in der Zitadelle Spandau ist es, als sei die bewegte und manchmal auch ein wenig absurde Geschichte des Denkmals, zu dem der Kopf gehörte, doch noch zu einem guten Ende gekommen. Unter dem Titel „Enthüllt. Eine andere Sicht auf Denkmäler“ ist der berühmte Kopf nun zu bewundern – zusammen mit rund 100 anderen Denkmälern vom Beginn des 18. Jahrhunderts bis heute, die irgendwann, meist nach politischen Umbrüchen, nicht mehr gern gesehen waren, ausrangiert, beiseitegeschafft oder gar verscharrt wurden.
Wahrscheinlich werden die meisten Besucher die anderen Denkmäler eher links liegen lassen und sich gleich zum Leninkopf durchschlagen – allein schon wegen des international beliebten Films „Goodbye Lenin“, in den dokumentarische Aufnahmen der Demontage des Denkmals eingespielt sind.
So plakativ der Film an manchen Stellen sein mag, so schön fängt er doch das Lebensgefühl vor allem jener OstberlinerInnen ein, die noch jung waren beim Mauerfall und für die das Zersägen der monumentalen, fast 19 Meter hohen Statue, das die DDR-Regierung zum 100. Geburtstag des Revolutionsführers im Jahr 1970 direkt am Volkspark Friedrichshain hatte aufstellen lassen, ein symbolischer Akt war. Sie fühlten sich gewaltsam ihrer Kindheit beraubt – denn die DDR war ja nicht nur ein diktatorisches Regime, sondern auch ganz viel harmloser Alltag.
„Bei Zeitenwenden werden halt immer Denkmäler geschliffen“, sagt mit einem Achselzucken Historiker Andreas Nachama, Direktor der Stiftung Topographie des Terrors und wissenschaftlicher Beirat der Ausstellung, als er auf dem Podium der Pressekonferenz am Mittwochvormittag sitzt und den zahlreich erschienenen JournalistInnen Rede und Antwort steht.
Der Kopf wirkt kleiner als erwartet. Sein roter Granit funkelt in der Sonne
Es ist, als hätte all das, was mit dem Denkmal geschehen ist, geschehen müssen, bevor es hier nun andocken und normal werden durfte. Es war gut, dass es Streit gab in der Stadt, als das Denkmal beseitigt wurde – für viel Geld und unter großem technischen Aufwand in 125 Portionen zerlegt und anschließend auf Geheiß von Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer (CDU) im Wald verbuddelt, irgendwo zwischen Müggelheim und der Landesgrenze. Es war auch gut, dass es viel Aufmerksamkeit gab in dieser Stadt, als Andrea Theissen, Leiterin des Kunstamtes in Spandau, zum ersten Mal von den Plänen zu ihrer „Enthüllt“-Ausstellung berichtete und davon, dass sie Lenin wieder ausgraben wolle. Dass es damit weiter ging, als die Stadtentwicklungsverwaltung dies nicht erlauben wollte. Und als schließlich noch Piraten und Grüne in Treptow-Köpenick die Zauneidechsen entdeckten, die ergo sachte vertrieben werden mussten, bevor das Ausgraben beginnen durfte.
Es ist fast ein bisschen rührend, nun leibhaftig diesem 1,70 Meter großen und 3,9 Tonnen schweren Kopf, der viel kleiner wirkt als erwartet, gegenüberzustehen. Man tritt ein bisschen näher. Der rote Granit aus der Ukraine, den der russische Bildhauer Nikolai Tomski in Form brachte, funkelt ein wenig in der einfallenden Sonne. Die Schrauben, die man brauchte, um Lenin per Kran zu enthaupten, sind rostig. Man muss auch den eigenen Kopf schräg legen, um dem Arbeiterführer ins Gesicht zu sehen, denn er liegt genauso schief da, wie er im Boden gefunden wurde.
„Enthüllt. Eine andere Sicht auf Denkmäler“ zeigt Berliner Denkmäler, die aus dem Stadtraum verschwunden sind, wie zum Beispiel den Leninkopf, aber auch an die 30 Figurengruppen der Siegesallee, die Wilhelm II. im Tiergarten aufstellen ließ.
Öffnungszeiten: Eröffnung ist am Freitag, 29. 4., um 10 Uhr. Danach immer offen von Montag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr
Eintritt: Inklusive Zitadelle, Juliusturm und Ausstellungen 4,50 Euro, ermäßigt 2,50 Euro
Adresse: Zitadelle Spandau, Am Juliusturm 64, 13599 Berlin
Sogar die Hand legen darf man auf seine kühle Stirn – denn anfassen ist hier ausdrücklich erwünscht.
„Hello again, Lenin!“, würde man ihm am liebsten zuflüstern. „War es die viele Aufregung wert?“ Und schließlich: „Wär’s nicht auch okay gewesen, unter der Erde zu bleiben?“
Leser*innenkommentare
Trabantus
Die unbesiegbare Inschrift
(Bertolt Brecht)
Zur Zeit des Weltkriegs
In einer Zelle des italienischen Gefängnisses San Carlo
Voll von verhafteten Soldaten, Betrunkenen und Dieben
Kratzte ein sozialistischer Soldat mit Kopierstift in die Wand:
Hoch Lenin!
Ganz oben, in der halbdunklen Zelle, kaum sichtbar, aber
Mit ungeheuren Buchstaben geschrieben.
Als die Wärter es sahen, schickten sie einen Maler mit einem Eimer Kalk.
Und mit einem langstieligen Pinsel übertünchte er die drohende Inschrift.
Da er aber mit seinem Kalk nur die Schriftzüge nachfuhr
Stand oben in der Zelle nun in Kalk:
Hoch Lenin!
Erst ein zweiter Maler überstrich das Ganze mit breitem Pinsel
So daß es für Stunden weg war, aber gegen Morgen
Als der Kalk trocknete, trat darunter die Inschrift wieder hervor:
Hoch Lenin!
Da schickten die Wärter einen Maurer mit einem Messer gegen die Inschrift vor.
Und er kratzte Buchstabe für Buchstabe aus, eine Stunde lang.
Und als er fertig war, stand oben in der Zelle, jetzt farblos
Aber tief in die Mauer geritzt, die unbesiegliche Inschrift:
Hoch Lenin!
Jetzt entfernt die Mauer! sagte der Soldat.
571 (Profil gelöscht)
Gast
„Bei Zeitenwenden werden halt immer Denkmäler geschliffen“, sagt mit einem Achselzucken Historiker Andreas Nachama ...
Nett, aber im Ernst?
Muss es nicht heißen "geschleift"?
571 (Profil gelöscht)
Gast
@taz
Nachtrag:
"Das Verb schleifen wird in diesem Zusammenhang regelmäßig gebeugt: geschleift, nie geschliffen."
Quelle Wikipedia Suchwort "Schleifung"