Mit Kindern auf dem Spielplatz: Unruhe im Biotop

Wenn man Kinder hat, trifft man ständig neue Leute. Doch Freunde finden ist gar nicht so leicht: Elternsein ist einfach nicht ausreichend Gemeinsamkeit.

Kinderspielplatz mit roten bunten Klettergrüst im städischen Umfeld

Auf dem Spielplatz sitzen die meisten Eltern müde auf Bänken und halten ihre Augenringe in die Sonne Foto: Stefan Zeitz/imago

Vincent ist ein armes Schwein. Sein Vater macht ihn von der ersten Sekunde an runter. Wieso er nicht weiterfährt auf seinem kleinen blauen Roller. Der Ton gefällt mir nicht, die Haltung, die Wortwahl. Alles daran ist mies und alles daran schreit, dass hier jemand mit seinem Kind redet, wie mit ihm selbst als Kind geredet wurde. So, wie er denkt, dass Eltern reden müssen. Vielleicht ist der Vater das arme Schwein. Was tut man da, ich weiß es nicht. Mischt man sich ein? Er wirkt nicht gewalttätig, außer verbal. Er ist Ende 30, Anfang 40. Typ cooler Papa mit Skateboard. Leider aber gar nicht so cool.

Vincent ist drei Jahre alt, vielleicht vier. Er zuckt nicht mal mit der Wimper. Er dürfte das schon kennen. Es scheint, er macht alles falsch. Wie er fährt, was er sagt, was er nicht sagt. Ich würde ihn am liebsten in den Arm nehmen. Vincent und sein Vater haben vor uns den zwischen Häusern und einer hohen Metallwand versteckten Spielplatz betreten. Eine Oase mitten in der Großstadt. Oder vielleicht eher ein Biotop. Die kleinste Einheit der städtischen Lebensgemeinschaft.

Auf engem Raum kommen ganz unterschiedliche Menschen zusammen, die alle das Gleiche wollen: die Kinder müde machen. Da führt man auch mal Smalltalk mit dem Elternteil, das Dinge erzählt, die einen überhaupt nicht interessieren. Hauptsache die Kinder spielen. Es war ein Trugschluss, dass ich dachte, man findet ganz leicht Eltern-Freunde, wenn man Kinder hat. Ja, man lernt viele Leute kennen, die auch Kinder haben, weil man ständig in diesen Biotopen hockt. Aber Freundschaften, das kommt nicht so oft vor. Kinderhaben ist einfach nicht ausreichend Gemeinsamkeit. Die Trefferquote auf dem Spielplatz ist etwa so hoch, als würde man irgendwelche Leute im Supermarkt anquatschen – weil hey, wir sind beide einkaufen, da haben wir doch was gemeinsam. Funktioniert nicht.

Auf dem Spielplatz sitzen die meisten Eltern erschöpft auf Parkbänken und halten ihre Augenringe in die Sonne. Andere tippen eifrig in ihr Handy und erledigen da, zwischen Schaukel und Rutsche, bezahlte oder unbezahlte Arbeit. Und niemand wird jemals wissen, wie diszipliniert sie funktionieren in ihrem engen Organisationskorsett. Den tippenden Eltern schaue ich am liebsten zu. Alle paar Minuten schrecken sie hoch, als hätten sie kurz vergessen, wo sie sind. In ihrem Blick steht: „Mist, ich hab ja zwei Kinder, wo sind die Kinder …“ Dann schweift der Blick über den Platz, bis die vertrauten Köpfe ins Visier geraten. Aufatmen. Weitertippen.

Vincent muss nach Hause. Als er mit dem Roller losfährt, macht sein Vater ihn runter. Er solle die Zunge drin lassen beim Fahren. Sonst müsse er gleich zu Fuß nach Hause, dann bleibt der Roller hier. Vincent reagiert nicht. „Ich erwarte mir sofort eine Antwort, wenn ich mit dir rede!“ Aus dem Biotop erheben sich die Elternköpfe. Keiner tippt mehr. Mischt man sich da ein? Ich weiß es nicht.

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Schreibt über Gesellschaft, Politik, Medien und manchmal über Österreich. Kolumne "Kinderspiel". War 2013 Volontärin der taz panter-Stiftung, dann taz-Redakteurin. Von 2019 bis 2022 Ressortleiterin des Gesellschafts- und Medienressorts taz zwei. Lebt und arbeitet in Wien.

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