Gescheiterte Gespräche in Antalya: Am Ende der Illusionen

Die gescheiterten Gespräche in Antalya beenden die Hoffnung auf einen Waffenstillstand. In Kiew könnte es jetzt weitergehen wie einst in Grosnij.

Dmytro Kuleba

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba am 10. März in Antalya Foto: ap

Wieder eine Hoffnung weniger und eine Eskalation mehr. Das Treffen zwischen dem russischen und dem ukrainischen Außenminister in Antalya war ein Versuch, eine weitere Eskalation in diesem Krieg zu verhindern. Er ist gescheitert.

Vorbei sind die ersten Tage des Krieges, in denen tatsächlich noch manche UkrainerInnen der russischen Propaganda geglaubt hatten, die russischen Truppen würden nur militärische Ziele beschießen. Ich habe in Kiew selbst den Beschuss von Wohnsiedlungen gehört, weiß durch Freunde von Mord und Vergewaltigung durch russische Soldaten in Kiewer Vororten.

Vorbei sind die Tage, in denen es „nur“ Mariupol und Charkiw und Sumy und Gostomel und Irpin betraf. Vorbei auch die Zeit, in der die Opferzahlen im dreistelligen Bereich lagen.

Warum nur hat man sich nicht dafür interessiert, was um die Jahrtausendwende in Tschetschenien passiert ist, wie dort ganze Städte dem Erdboden gleichgemacht wurden? Und begonnen hat dieses Massaker damals ausgerechnet ein guter Freund von Helmut Kohl, Boris Jelzin.

Vorbei ist die Zeit, in der man hoffen konnte, dass den Kriegern ein Waffenstillstand wichtiger als ein Sieg um jeden Preis ist. Nun heißt das Ziel Sieg und nicht Waffenstillstand. Und wer es immer noch nicht getan hat, sollte jetzt mal Bilder mit den Stichworten „Grosnij“ und „Erdboden gleichgemacht“ googeln. Dann weiß man, was auf uns zukommt, wenn nicht …

Mir fehlt die Hoffnung, irgendetwas nach diesem „wenn nicht ….“ zu schreiben.

Letztendlich werden die UkrainerInnen gewinnen. Sie verteidigen ihr Land, sie sind motivierter als die Angreifer, ihre Message ist konkreter als die abstrakte Botschaft der Invasoren. Doch was nützt ein Sieg, wenn ihn zehntausende, hunderttausende, Millionen nicht mehr erleben werden?

Ich bin versucht, alle Freunde von meiner Facebook-Seite zu werfen, die in diesen Tagen die russische Invasion rechtfertigen. Doch was habe ich davon? Vielleicht schreibe ich ihnen besser, schicke ihnen Bilder der Opfer der Gewalt des russischen Militärs. Wenn schon die Politiker nicht miteinander reden können, können das vielleicht wir. Auch mit denen, die immer noch an Putin glauben.

Sprachlosigkeit aber, wie in einem Wachsfigurenkabinett, ist Gift.

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Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und nd. 1980-1986 Russisch-Studium an der Universität Heidelberg. Gute Ukrainisch-Kenntnisse. Schreibt seit 1993 für die taz.

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