Ende von Russlands Europarat-Mitarbeit: Desaster für Putins Kritiker

Der Europarat galt selbst im Tschetschenienkrieg als Gesprächskanal. Jetzt will sich Russland zurückziehen – auch aus der Menschenrechtskonvention.

Eine Gruppe Menschen, eingehakt zum Protest

Auch in Russland demonstrieren Menschen gegen die Invasion in der Ukraine Foto: Dimitri Lovetesky/ap

Wohl denen, die weiter auf Verhandlungen mit Russland setzen. Das Moskauer Außenministerium hat jetzt angekündigt, sich von den Sitzungen des Europarates zurückzuziehen und die Institution zum Jahresende ganz zu verlassen. Damit fühlt sich Moskau auch nicht mehr an die Europäische Menschenrechtskonvention gebunden.

Die Begründung ist hanebüchen. Russland könne die „subversiven Aktionen der unfreundlichen EU- und Nato-Staaten nicht mehr mittragen, die die Organisation sowie den gemeinsamen humanitären und rechtlichen Raum zerstören“, heißt es in der Erklärung.

Aber hat der Europarat Russland nicht gerade erst die Vertretungsrechte im Ministerrat und der Parlamentarischen Versammlung entzogen? Stimmt. Nur war das die einzig mögliche Reaktion auf Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine, der schon jetzt viele Zi­vi­lis­t*in­nen das Leben gekostet und über zwei Millionen Menschen zu Flüchtlingen gemacht hat. Andernfalls hätte sich der „Hüter von Demokratie“ vollends lächerlich gemacht.

Dabei war der Geduldsfaden des Europarates lang. 1996, noch während des ersten Tschetschenienkrieges, wurde Russland aufgenommen. Be­für­wor­te­r*in­nen argumentierten, über die Straßburger Organisation könne man auf Russlands Entwicklung Einfluss nehmen und das Land einhegen. Von wegen. Nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und dem Ausbruch des Krieges in der Ostukraine 2014 wurde Russland das Stimmrecht in der Parlamentarischen Versammlung entzogen – eine Entscheidung, die 2019 wieder rückgängig gemacht wurde. Die Türen blieben offen.

Doch nun könnten sie bald ganz zu sein. Das ist ein Desaster – vor allem für Putin-kritische Rus­s*in­nen, deren Menschenrechte massiv verletzt werden. Ihnen wird der Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte künftig versperrt sein. Dabei wäre diese Option gerade jetzt so wichtig, wo Wladimir Putin auch dem eigenen Volk den „Krieg“ erklärt hat. Derzeit häufen sich Berichte, der Geheimdienst FSB mache auch vor Jugendlichen nicht Halt, die den Ukrainekrieg infrage stellen.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

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