Blockade-Aktionen der Letzten Generation: Das reicht nicht

Die Letzte Generation stellt eine vorgeblich 12-Jährige bei der A100-Blockade nach vorn. Das gibt Aufmerksamkeit, aber eine Strategie ist es nicht.

Ak­ti­vis­t*in­nen der „Letzten Generation“ bei einer Blockadeaktion auf der Berliner Stadtautobahn Foto: picture alliance/dpa | Paul Zinken

„Aus Verzweiflung und Mut“, schreiben die Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen der Letzten Generation in einer Pressemitteilung am Montag, sitze „heute die 12-jährige Lilli auf der meistbefahrenen Autobahn Deutschlands, um am Ort des zivilen Widerstands nicht mehr überhört zu werden“. Ein (angebliches) Kind auf der A100 und, so die Botschaft, wenn etwas passiert (ist es nicht, die Polizei räumte am Vormittag die Blockade recht schnell), dann ist die Politik Schuld!

Die Währung öffentliche Aufmerksamkeit ist eine harte, und sie ist deshalb auch gar nicht so leicht zu bekommen. Insofern sind die Klima-Aktivist*innen der Letzten Generation gerade recht erfolgreich mit ihrer Kampagne für ein Essen-retten-Gesetz. Die Spitzen der Ampel-Koalition haben sich geäußert, von zustimmend bis ablehnend natürlich, und die Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) kündigte eine härtere Gangart gegen die Autobahnblockaden an: schneller räumen, schnellere Gerichtsverfahren. Und auch die angeblich 12-jährige Lilli generiert wieder Aufmerksamkeit, wie eben diesen Kommentar.

Aber Aufmerksamkeit ist auch kein Selbstzweck. Insofern ist die Frage, ob der Druck durch die öffentliche Aufmerksamkeit für die Autobahnaktionen hoch genug ist, dass der Erpressungsversuch in Richtung Politik Erfolg haben kann: Wenn ihr uns kein Gesetz versprecht (ja, ein Versprechen würde den Ak­ti­vis­t*in­nen erstmal reichen, sagen sie im taz-Interview), stören wir weiterhin den Betriebsablauf im morgendlichen Berufsverkehr.

Die Antwort dürfte sein: Nein, dieses Druckmoment reicht nicht. Selbst der tatsächlich sehr lange durchgehaltene Hungerstreik der Letzten Generation im vergangenen Jahr vor dem Kanzleramt hatte letztlich nicht das erhoffte Gespräch mit den Spit­zen­kan­di­da­t*in­nen im Bundestagwahlkampf gebracht (Kanzler Olaf Scholz traf sich erst im November mit den Ex-Hungerstreikenden).

Die Ak­ti­vis­t*in­nen wollen nun als Zwischenziel erreichen, dass unter anderem die Grünen-Politikerin Renate Künast, die im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft sitzt, am Mittwoch zur Übergabe eines Offenen Briefs vor dem Reichstagsgebäude erscheint. Ansonsten werde man „weitere Schritte“ ankündigen.

Eskalation muss sich steigern lassen

Was bleibt den Ak­ti­vis­t*in­nen auch anderes übrig? Eskalation muss sich immer noch steigern lassen, wenn man seinen Willen nicht bekommt, sonst hat man verloren. Das begreift, im wahrsten Sinne des Wortes, schon jedes schreiende Kleinkind.

Allerdings schließen die Ak­ti­vis­t*in­nen bisher zum Beispiel Gewalt gegen Dinge, also Sabotageakte, aus. Viel Eskalationsspielraum haben sie also gar nicht mehr.

Vielleicht muss sich die Letzte Generation bald entscheiden: Wollen sie die radikale Flanke der Klimabewegung sein, und wenn nicht, was wollen sie dann sein? Denn wenn man das Druckmoment nicht über Radikalität erhöht, dann muss man – wie die Fridays-Bewegung einst – viele sein. Das sind sie bisher nicht, bei den Protesten auf den Autobahnen sind in Berlin mal gerade zwei Handvoll aktiv.

Pressemitteilungen über Kinder, die die A100 blockieren müssen, dürften dem nicht zuträglich sein, weil sie von vielen als genau das gesehen werden, was sie sind: ein Haschen um Aufmerksamkeit, das zudem einen schalen Nachgeschmack hinterlässt, weil eine vermeintlich oder tatsächlich 12-Jährige dafür benutzt wird, genau diese Aufmerksamkeit zu bekommen.

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Seit 2011 bei der taz. Leitet gemeinsam mit Sunny Riedel das Ressort taz.eins. Hier entstehen die ersten fünf Seiten der Tageszeitung, inklusive der Nahaufnahme - der täglichen Reportage-Doppelseite in der taz. Davor Ressortleiterin, CvD und Redakteurin in der Berliner Lokalredaktion. Themenschwerpunkte: Bildungs- und Familienpolitik.

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