Konflikt mit Algerien: Marokko rüstet auf
König Mohamed VI. will sein Land zur regionalen Militärmacht ausbauen. Der nordafrikanische Staat investiert so viel in Rüstung wie nie zuvor.
Die Einkaufstour der Armee von König Mohammed VI. hat einen Grund: der Konflikt um die von Marokko seit 1975 besetzte ehemalige spanische Kolonie Westsahara. Dort brach die Befreiungsbewegung Polisario im November 2020 nach Provokationen der marokkanischen Armee den Waffenstillstand. Seither wird in der Wüste wieder geschossen.
Der Streit um das phosphatreiche Land ist nicht ungefährlich. Denn die Polisario wird von der regionalen Militärmacht Algerien unterstützt. Algeriens Streitkräfte stehen auf dem Global Firepower Ranking weltweit auf Platz 31, Marokkos Armee auf Platz 55. Diese Liste basiert auf der „potenziellen Fähigkeit zur Kriegsführung“ jedes Landes. In die Bewertung fließen etwa die Zahl der Soldat*innen, Finanzstärke und Ausrüstung ein.
Marokko versucht, diesen Vorsprung zu verringern. 2021 stieg der Militärhaushalt um 30 Prozent, 2022 um weitere knapp zwölf Prozent. Insgesamt wird Marokko im laufenden Jahr für seine Streitkräfte 4,8 Milliarden Euro ausgeben. Das Militärbudget beläuft sich so auf etwas mehr als vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts und macht mehr als 12 Prozent der gesamten öffentlichen Ausgaben des Landes aus. Marokko hat ein jährliches Pro-Kopf-Einkommen von nur 2.500 Euro.
Im Kampf gegen die Polisario in der Westsahara zeigt Marokkos Armee, was sie an neuester Waffentechnologie zu bieten hat. Mindestens ein Dutzend Zivilisten kamen – nach Angaben der Polisario – seit Ende der Waffenruhe durch Drohnenangriffe ums Leben. Unter den Toten befanden sich auch drei algerische LKW-Fahrer. Algier reagierte mit dem Abbruch aller Beziehungen mit Rabat.
Auch der Chef der sahrauischen Nationalgarde der Bewegung, Addah Al-Bendir, fiel Anfang April 2021 einem Drohnenangriff zum Opfer. Marokkos Presse, sowie auf Rüstung und Kriegstechnik spezialisierte Internetmedien gehen von israelischen Waffensystemen in den Händen der Marokkaner aus.
Abbruch der Beziehungen zu Deutschland
Ein Artikel der israelischen Tageszeitung Ha'aretz bekräftigt diesen Verdacht. Demnach hat das Unternehmen Israel Aerospace Industries (IAI) in einem Geschäftsbericht an die Börsenaufsicht für 2021 19,4 Millionen Euro aus Marokko angegeben. Vermutlich handelt es sich um den Verkaufserlös von den „Kamikaze-Drohnen“ Harop an Rabat.
Diese Kombination aus unbemanntem Flugzeug und tödlicher Rakete hat eine Reichweite von 1.000 Kilometern und eine Sprengladung von 20 Kilogramm. Außerdem soll Marokko vergangenen September vier Hermes-900-Drohnen gekauft haben, die mit unterschiedlichsten Waffensystemen bestückt werden können.
Die seit langem bestehende Beziehung zwischen Marokko und Israel hat sich in den letzten zwölf Monaten intensiviert. Denn in seinen letzten Amtstagen erkannte der ehemalige US-Präsident Donald Trump – anders als die Vereinten Nationen – Marokkos Anspruch auf die Westsahara an. Im Gegenzug versprach Rabat, die Beziehungen zu Israel auszubauen.
Auch brach Marokko die diplomatischen Beziehungen zu Spanien und zu Deutschland weitgehend ab. Beide Länder halten weiterhin daran fest, ihre Westsaharapolitik dem unterzuordnen, was die UN entscheidet. Und für die gehört die Westsahara nicht Marokko, sondern ist ein dekolonialisiertes Gebiet, dessen finaler Status ungeklärt ist.
Waffen aus Israel
Marokko hält sich derweil an die Trump gegenüber gemachten Versprechen. Vergangenen Sommer kam es zu einem Treffen der Außenminister von Israel und Marokko. Im November fand dann eine Premiere statt: Die beiden Länder unterzeichneten ein Abkommen zur militärischen Zusammenarbeit, das Waffenlieferungen Israels in großem Stil die Tore öffnet.
„Bisher bestand zwischen Israel und Marokko ein bestimmtes Niveau von Zusammenarbeit. Das Abkommen wird erstmals die Grundlage für militärische Kooperation schaffen“, heißt es in einem Kommuniqué des israelischen Verteidigungsministers Benny Gantz. Es mache „die Arbeit an gemeinsamen Projekten möglich“, fügte er hinzu.
Neben den Drohnen interessiert sich Mohamed VI. wohl auch für das israelische Luftabwehrsystem „Iron Dome“, mit dem es Israel immer wieder gelingt, die Raketen palästinensischer Gruppen aus dem Gaza-Streifen abzufangen. Außerdem sollen Tel Aviv und Rabat zwei Fabriken für Drohnen in Marokko planen. Weniger als ein halbes Jahr vor dem Besuch des israelischen Verteidigungsministers hatte Marokko ein Gesetz zur Förderung eigener Waffenindustrie und ausländischer Investitionen in der Branche erlassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“