DDR-Vertragsarbeiter aus Vietnam: Urlaub mit bösen Folgen
Seit mehr als dreißig Jahren lebt und arbeitet Pham Phi Son in Sachsen. Chemnitz will den ehemaligen DDR-Vertragsarbeiter abschieben. Warum?
Bei dem Urlaub im subtropischen Klima flammte eine alte Kriegsverletzung an seinem Bein wieder auf. Er musste sich in stationäre Behandlung begeben. Das Attest liegt der taz vor. Weil sich der Genesungsprozess hinzog, kehrte Son Monate später nach Deutschland zurück als beabsichtigt. Zu spät: Denn das deutsche Ausländerrecht sieht vor, dass bei einem Auslandsaufenthalt über mehr als sechs Monaten unter bestimmten Bedingungen alle erworbenen Aufenthaltstitel erlöschen.
Dass Son wenige Wochen nach seiner Rückkehr wieder Arbeit fand und seine Familie ernähren konnte, beeindruckte die Chemnitzer Ausländerbehörde nicht. Der fiel die zu lange Abwesenheit des Mannes im Jahr 2017 auf. Da wollte Son die Geburt seiner Tochter Emilia beurkunden lassen. Ihr hätte eigentlich ein deutscher Pass zugestanden.
Doch wegen der zu langen Abwesenheit des Vaters verweigerte Chemnitz Emilia die Beurkundung, Son und seiner Frau entzog sie das Aufenthaltsrecht. Sie untersagte auch Sons Arbeitgeber, ihn weiter zu beschäftigen, und meldete die Familie von Amts wegen in der Wohnung ab. Die vermutlich von der Ausländerbehörde dorthin geschickte Polizei suchte ihn.
Kinderfeindliche sächsische Asyl- und Abschiebepolitik
Die Familie tauchte daraufhin ab und hält sich seitdem versteckt. Alle Bemühungen, wieder ein legales Aufenthaltsrecht zu erlangen, scheiterten seitdem. Weder das Verwaltungsgericht noch die Sächsische Härtefallkommission wollten einen Härtefall anerkennen.
Stefan Taeubner, der katholische Seelsorger der Familie, will sich mit der Behördenentscheidung nicht zufrieden geben: „Ich erwarte von den Chemnitzer Behörden eine humanitäre Lösung.“ Unterstützung erhält Taeubner vom SPD-Landtagsabgeordneten Frank Richter. Für ihn ist der Fall „ein weiteres Beispiel für die Familien- und kinderfeindliche sächsische Asyl- und Abschiebepolitik“. Gutwillige, integrierte und arbeitsame Menschen würden abgeschoben, die Traumatisierung von Kindern in Kauf genommen. Das sei „unmenschlich, ungerecht und auch in ökonomischer Hinsicht unvernünftig“, so Richter.
Kathrin Neumann, Sprecherin der Stadt, argumentiert: „Die Niederlassungserlaubnis des Mannes war vor dessen Wiedereinreise in das Bundesgebiet aufgrund der Dauer des Auslandsaufenthaltes kraft Gesetzes erloschen.“ Der Familie sei mehrfach mitgeteilt worden, dass über einen Antrag auf eine Duldung nur entschieden werden könne, „wenn sie sich in Chemnitz anmelden“.
Das Problem: Für die Anmeldung müsste die Familie einen neuen Mietvertrag vorweisen. Dem Seelsorger Taeubner zufolge würden viele Vietnamesen in Chemnitz ihr jetzt keinen Wohnraum vermieten, weil sie sich dann der Beihilfe zum illegalen Aufenthalt schuldig machen. „Ohne Anmeldung kein Aufenthaltsrecht und ohne Aufenthaltsrecht keine Anmeldung“, sagt Taeubner. „Selbst mich hat die Kriminalpolizei am Telefon auf strafrechtliche Konsequenzen für den Fall hingewiesen, dass ich der illegalisierten Familie weiter helfe.“
Setzt die Ampel ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag um, könnte sich ein Ausländer mit Niederlassungserlaubnis bei einem triftigen Grund länger im Ausland aufhalten können, ohne dass diese automatisch erlischt. Dass das auch rückwirkend gilt, ist aber unwahrscheinlich.
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